09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 176 / Zusatzpunkt 4

Matthias BartkeSPD - Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, Sie greifen mit Ihrem Antrag eine Diskussion auf, die seit längerem geführt wird.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie recht!)

Vor kurzem haben wir uns bei einer interessanten Veranstaltung zu diesem Thema in der Thüringer Landesvertretung gesehen. Die Stichworte in dieser Diskussion lauten: mehr Transparenz, mehr Chancengleichheit. Ihr Antrag ist daher ein guter Anlass, dass wir auch hier im Deutschen Bundestag über das Verfahren der Wahl von Bundesrichtern sprechen. Die Reformvorschläge, die Sie uns hier auf den Tisch legen, überzeugen leider nicht wirklich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Metin Hakverdi [SPD])

Das Gleiche gilt für einen ähnlichen, nicht ganz so weit reichenden Antrag, der vergangene Woche von der Justizministerkonferenz behandelt wurde. Der Antrag wurde von der JuMiKo abgelehnt.

Meine Damen und Herren, Grundlage des Verfahrens der Richterwahl ist Artikel 95 Absatz 2 Grundgesetz. Über die Berufung der Richter der obersten Gerichte des Bundes entscheidet danach – ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin – der

zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß, der aus den für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die vom Bundestage gewählt werden.

Fest steht also: Die Bundesrichter werden gewählt, und zwar von einem 32-köpfigen Gremium.

Sie wollen – das ist Ihre erste Forderung –, dass sich nach Stellenausschreibung alle Richterinnen und Richter bewerben können. Ich finde, darüber kann man reden.

Dann sollen die zuständigen Landesminister über ihre Vorschlagsliste entscheiden. Jeder Landesminister soll dafür eine Kommission einsetzen können. Spätestens da fangen allerdings die Probleme an. Mitglieder dieser Kommission sollen etwa Richter der Oberlandesgerichte, Staatsanwälte und Gleichstellungsbeauftragte sein. Ich frage mich – Sie lassen das ja offen –: Wer entscheidet denn am Ende? Kann der Minister von seiner Kommission überstimmt werden? Wer ist am Ende für den Wahlvorschlag verantwortlich?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo genau steht das in unserem Antrag?)

Nach meiner Überzeugung kann es nur der Minister sein; denn nur er ist demokratisch legitimiert. Die in der Verfassung vorgesehenen Mitglieder des Richterwahlausschusses dürfen sich nicht entmachten und bei ihren Vorschlägen nicht von anderen Personen abhängig machen.

Die vom Bundestag gewählten Mitglieder des Rich­terwahlausschusses sollen wie bisher ein Vorschlagsrecht haben. Sie bräuchten nach Ihrem Antrag keine Auswahlkommission. Das ist erfreulich, offenbart aber eine Unausgewogenheit Ihres Vorschlags. Herr Brandt hat darauf hingewiesen; ich habe Ihren Antrag genauso verstanden.

Bei den Ministervorschlägen soll nach ihren Wunschvorstellungen die Richterschaft mitsprechen, bei den Abgeordnetenvorschlägen geht das nicht.

Sie wollen ein gesetzliches Grundanforderungsprofil für Bundesrichter vorgeben, zum Beispiel vertiefte Fachkenntnisse und soziale Kompetenzen. Vertiefte Fachkenntnisse – so schreiben Sie – „können durch wissenschaftliche Publikationen, Kommentierungen oder Praxiserfahrung nachgewiesen werden.“ Damit wollen Sie dem Prinzip der Bestenauslese Rechnung tragen. Aber was bedeutet das konkret? Muss ein Richter neben seiner Richtertätigkeit publizieren, oder genügt es, dass er ein vorbildlicher und erfahrener Richter ist, dessen Urteile überzeugen?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da steht „können“! Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung, Herr Bartke!)

Ich fürchte, wir kommen mit Ihrem Grundanforderungsprofil nicht wirklich weiter. Wer entscheidet darüber, ob die Vorschläge der Bundestagsabgeordneten diesem – angeblich objektiven – Anforderungsprofil entsprechen oder nicht? Und was ist, wenn ein exzellenter Richter gewählt wird, der weder an einem Kommentar mitgearbeitet noch wissenschaftlich publiziert hat? Soll diese Wahl dann deshalb im Konkurrentenstreit von einem Gericht aufgehoben werden können?

Ein weiterer Vorschlag von Ihnen: Sie wollen, dass für jede zu besetzende Stelle jeweils ein Mann und eine Frau vorgeschlagen werden. Wie kommen wir aber zu diesem Zweiervorschlag, wenn 16 Minister und 16 Bundestagsabgeordnete Vorschläge einreichen können? Selbst wenn wir nun, auf welchem Weg auch immer, zu diesen Zweiervorschlägen kommen, bleibt unklar, wie das Verfahren konkret ablaufen soll. Was geschieht, wenn mehrere Richterstellen zu besetzen sind und bei der ersten Wahl die Frau gewählt wird?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das regeln Sie dann in der Verfahrensordnung, Herr Bartke!)

Kann dann der Mann bei der Besetzung der nächsten Richterstelle wieder als Vorschlag gelten? Dann stünden bei der nächsten Wahl zwei Männer und eine Frau zur Wahl. Hier täuschen Sie ein geschlechtergerechtes Verfahren vor, ein Verfahren, das aber nicht zu Ende gedacht ist. Insgesamt: Fragen über Fragen!

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, die wollen wir ja mit Ihnen diskutieren!)

Meine Damen und Herren, ich bin dafür, dass wir offen über das Verfahren der Bundesrichterwahl nachdenken.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah!)

Ich habe auch ein Problem damit, dass interessierte Richterinnen und Richter sich nicht auf die Position eines Bundesrichters bewerben können. Sie müssen in einer passiven Rolle verbleiben und darauf warten, dass sie vorgeschlagen werden. Das gefällt mir nicht.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uns auch nicht!)

Auch die SPD wünscht sich ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bei den obersten Gerichten. Aber bei allen Überlegungen, die wir dazu anstellen: Es bleibt dabei – am Ende findet eine geheime Wahl statt. Das Grundgesetz selbst macht klar, dass es bei der Wahl der Bundesrichter auch um eine politische Wahl geht. Die fachliche Qualität hat eine politische Komponente. Die Mitglieder des Richterwahlausschusses haben deswegen einen weiten Beurteilungsspielraum, und das muss auch so bleiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Grundgesetz schreibt eine Richterwahl vor. Deshalb stoßen alle Wünsche nach Transparenz und Gerechtigkeit an Grenzen. Geheime Wahlen sind eben nicht transparent. Ihr Ergebnis kann und muss nicht begründet werden. Und – lassen Sie mich das am Ende sagen – das Ergebnis ist auch nicht immer gerecht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank, Kollege Bartke. – Nächster Redner: Detlef Seif für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6908303
Wahlperiode 18
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte
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