Sonja SteffenSPD - Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Besuchertribüne! Es gab in der Tat noch nie so viele Konkurrentenklagen gegen die Entscheidung des Richterwahlausschusses wie gegenwärtig. Wenn ich richtig informiert bin, sind es derzeit sieben. Das klingt zwar nicht so viel; aber es ist eine ganze Menge, wenn man bedenkt, dass wir nicht so viele Richter an Bundesgerichten haben. Die Verfahrensdauer bei diesen Konkurrentenklagen beträgt zwei Jahre und mehr, und die Besonderheit ist, dass in dieser Zeit der Posten nicht besetzt werden kann. Das führt natürlich dazu, dass Richterstellen blockiert werden. Es führt zu einer erhöhten Arbeitsbelastung der Gerichte, und die Prozessdauer nimmt zu. Es gab Bestrebungen der Länder – das haben wir schon gehört; es waren Hamburg und Schleswig-Holstein – für eine Reform; man konnte sich in der Justizministerkonferenz aber nicht durchsetzen. Auch der Deutsche Juristinnenbund fordert eine Reform, vor allem im Hinblick auf die Frauenquote.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es gibt nun einen entsprechenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, über den wir heute diskutieren. Meines Erachtens können wir festhalten, dass es grundsätzlich drei Gründe für Reformwünsche gibt: Zum einen gibt es den Vorwurf der Intransparenz. Der zweite Grund ist die Funktionsfähigkeit der Gerichte, der dritte Grund die Chancengleichheit von Richterinnen und Richtern.
Lassen Sie mich kurz etwas zur Intransparenz sagen. Es ist vorhin schon mehrmals betont worden, dass eine Besonderheit besteht – deshalb gibt es den Richterwahlausschuss –, was die Einsetzung der Bundesrichter betrifft. Ich zitiere einmal – mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin – den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Herrn Voßkuhle. Er hat in einem Kommentar gesagt:
Die Berufung der Richterinnen und Richter der Bundesgerichte hat die Besonderheit, dass den Gewählten eine besondere bundesstaatliche und demokratische Legitimation verliehen werden soll. Es gilt, die Besonderheiten des Amtes eines Richters, einer Richterin an einem obersten Gerichtshof des Bundes zu beachten.
Im Klartext heißt das: Bundesgerichte betreiben nicht nur letztinstanzliche Rechtsprechung, sondern auch Rechtsfortbildung. Das steht auch so in einigen Gesetzen, beispielsweise in der VwGO. Damit rückt die Rechtsprechung der Bundesgerichte in die Nähe der Gesetzgebung. Richterliche Rechtsfortbildung ist in der Bindung an Recht und Gesetz sachlich Rechtspolitik. Als solche kann die Berufung der Richterinnen und Richter der Bundesgerichte nicht aus dem Medium der Politik herausgelöst werden. Das, meine Damen und Herren, unterscheidet eben das Amt der Bundesrichter und der Bundesrichterinnen von dem der Richter der unteren Instanzen. Deshalb gibt es das besondere Verfahren des Richterwahlausschusses.
Die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses – das haben wir schon gehört – garantiert, zumindest grundsätzlich, politische Vielfalt. Es ist natürlich im Moment so, Frau Keul, dass dieses Gremium im Augenblick recht koalitionslastig besetzt ist. Aber – das müssen auch Sie zugestehen – das liegt allein an den Wahlergebnissen, weil die Zahl der Abgeordneten des Bundestages nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren bestimmt wird.
Eine weitere Besonderheit ist schon genannt worden. Sie besteht darin, dass der Richterwahlausschuss einen breiteren Beurteilungsspielraum bei der Auswahl der Bewerber hat, als es sonst der Fall ist.
Wir haben schon über die Präsidialräte gesprochen, die im Übrigen eine Stellungnahme über die persönliche und fachliche Eignung abgeben, die in die Entscheidung mit einfließt. Aber dies kann eben nicht so weit gehen, dass sie die Entscheidung maßgeblich beeinflusst.
Zum Thema Funktionsfähigkeit habe ich eingangs schon erwähnt, dass Konkurrentenklagen dazu führen, dass keine Nachbesetzungen erfolgen können. Ich meine, wir sollten darüber nachdenken, ob es hier andere Möglichkeiten gibt. Sie schlagen in Ihrem Antrag vor, die örtliche Zuständigkeit am Sitz der jeweiligen Bundesgerichte zu bündeln. Es gibt einen anderen Vorschlag – Sie hatten ihn kurz erwähnt –, nämlich einen besonderen Senat beim Bundesverwaltungsgericht zu bilden, der dann quasi in dieser Instanz entscheidet, was ich an sich für einen guten Vorschlag halte, weil man die Verfahrensdauer so erheblich verkürzen könnte. Ich meine, darüber könnten wir alle nachdenken.
Zur Chancengleichheit ist schon etwas gesagt worden. Es ist im Moment leider immer noch so, dass wir relativ wenige Frauen an Bundesgerichtshöfen haben. Dabei, glaube ich, sind wir uns alle einig, dass wir mit Sicherheit ganz viele hochqualifizierte Frauen in Richterämtern haben. Es gibt eine Unterrepräsentanz. Wenn ich richtig informiert bin, liegt der Anteil der Frauen bei 22 bis 28 Prozent. Das ist wirklich zu wenig. Ich appelliere an den Richterwahlausschuss, zukünftig besser auf die Frauenquote zu achten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Jetzt ist meine Redezeit fast zu Ende.
Am Ende.
Ja, am Ende. – Ich will jedenfalls den Antrag nicht in Gänze vom Tisch fegen, weil ich finde, dass er gute Ansätze bietet. Auch ich finde zum Beispiel die persönliche Anhörung – ich glaube, da bin ich mit meiner Fraktion auf Augenhöhe – der jeweiligen Bewerberinnen und Bewerber wichtig. Man sollte auch darüber nachdenken, das Verfahren an einem Gericht zu bündeln; es sollte also über die Zuständigkeit nachgedacht werden. Der Antrag bietet gute Ansätze. Es gibt im Übrigen beim Justizministerium schon eine Arbeitsgruppe, die sich damit beschäftigt.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Dabei kommt ja wieder nichts heraus!)
Ich freue mich nun auf die weiteren politischen Beratungen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin Steffen. – Der Letzte in dieser Debatte: Jörn Wunderlich für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6908319 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Reform der Wahl für die obersten Bundesgerichte |