09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 12

Fritz GüntzlerCDU/CSU - Reform der Investmentbesteuerung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beschließen heute eine grundlegende Reform der Investmentbesteuerung. Dieses Thema hat uns lange beschäftigt. Bereits im Jahre 2012 hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ein Ergebnis vorgelegt. Dann gab es ein Gutachten über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Investmentbesteuerungsreform durch Copenhagen Economics. Wir hatten zwei Diskussionsentwürfe: den Referentenentwurf und den Regierungsentwurf. Wir haben immer umfassend diskutiert. Der Gesetzentwurf wurde, wie ich finde, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens kontinuierlich verbessert. Wir sind also einen langen Weg gegangen, der sich meines Erachtens aber gelohnt hat. Der Grundsatz „Sorgfalt vor Eile“ wurde hier eingehalten. Es handelt sich also nicht um einen Schnellschuss.

Dennoch will ich schon jetzt sagen: Wir werden uns ansehen müssen, wie die gesetzlichen Gegebenheiten, die wir hier beschließen, wirken und ob alles so zielgenau ist, wie wir uns das vorstellen. Ich glaube aber, wir sind hier auf einem guten Weg. Jedenfalls haben wir breite Zustimmung aller bisherigen Rechtsanwender erfahren.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein gutes Zeichen!)

Ich finde es auch sehr gut, wie ernsthaft wir uns in der Anhörung und in einem informellen nichtöffentlichen Fachgespräch im Ausschuss diesem Thema gewidmet haben. Das ist ja nicht ganz einfach. Ich habe schon im Ausschuss gesagt, dass das Steuerrecht für Feinschmecker ist. Nicht allen passen die Zutaten, wie ich von Herrn Pitterle erfahren habe, aber, um im Bild zu bleiben, es ist angerichtet.

Warum regeln wir die Investmentbesteuerung neu?

Erstens. Das wesentliche Ziel ist, dass wir ein europarechtskonformes Recht bekommen und die europarechtlichen Risiken ausgeräumt werden. Derzeit ist es so, dass die inländischen und die ausländischen Fonds ungleich besteuert werden. Da gibt es ein gewisses Risiko, weil die inländischen Fonds steuerbefreit und die ausländischen Fonds durch die Kapitalertragsteuer belastet sind. Wir wissen nicht, ob das aufgegriffen werden könnte. Hier ist die Frage der Kohärenz zu beantworten. Dabei muss in den Blick genommen werden, dass wir auf der Anlegerebene ja eine weitere Besteuerung vornehmen. Das Risiko jedoch, dass man damit vor dem Europäischen Gerichtshof verliert, ist sehr groß. Das würde bedeuten, dass Milliardenforderungen auf den deutschen Fiskus zukommen könnten. Von daher ist es wichtig, dass wir hier handeln.

Zweitens. Wir wollen Steuergestaltungen verhindern und das Gestaltungspotenzial, das dem Investmentsteuerrecht derzeit immanent ist, senken. Daneben wollen wir das Investmentsteuerrecht vereinfachen, da der Administrationsaufwand derzeit sehr hoch ist. Für die Betriebsprüfung ist es nicht einfach, entsprechende Prüfungen durchzuführen. Allein über 30 Besteuerungsmerkmale sind zu erfassen, um die Besteuerung eines Publikumsfonds durchzuführen.

Drittens. Daneben wollen wir das Investmentsteuerrecht im Ergebnis verständlicher machen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das in allen Teilen gelungen ist; denn es bleibt nach wie vor kompliziert.

(Heiterkeit des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Neben dem originären Investmentsteuerrecht beschäftigen wir uns auch mit den Cum/Cum-Geschäften. Darauf komme ich gleich noch.

Im Investmentsteuerrecht werden wir jetzt zwei verschiedene Regime einführen. Bei den sogenannten Publikumsfonds wird es eine Abkehr vom transparenten Verfahren hin zum intransparenten Verfahren geben. Die Belastung auf Fondsebene wird 15 Prozent betragen. Damit der Anleger nicht zusätzlich belastet wird, werden je nach Kategorie des Fonds – es kommt darauf an, ob es ein Aktienfonds, ein Immobilienfonds oder ein Mischfonds ist – unterschiedliche Freistellungen gewährt, sodass wir zur gleichen Belastung kommen werden, wie sie jetzt gegeben ist. Auch hier werden wir uns den Ablauf genau ansehen und prüfen müssen, ob die Freistellungsquoten, die wir dort gefunden haben, zielführend sind.

Bei den Spezialfonds bleiben wir beim bisherigen Recht. Das kann man auch machen. Das ist auch einfacher zu administrieren, weil es bei den Spezialfonds höchstens 100 Anleger und in Zukunft auch keine natürlichen Personen als Anleger mehr geben darf.

Von den Linken ist im Ausschuss vorgetragen worden – Herr Pitterle wird das gleich wahrscheinlich wieder tun –, dass die Tatsache, dass es zwei Regime geben wird, dazu führen könnte, dass es zu entsprechenden Gestaltungen kommt. Diese sollten Sie in Ihrer Rede dann bitte auch einmal genau beschreiben. Ich habe vergeblich versucht, mir vorzustellen, wo wirklich große Unterschiede sein könnten. Das können Sie hier dann ja ausführen, statt nur allgemeine Zweifel zu benennen.

Wir haben im Gesetzgebungsverfahren ganz zum Schluss noch einige Veränderungen vorgenommen. Ich glaube, eine wichtige Veränderung war, dass es in Zukunft bei Immobilienfonds die Spekulationsfrist, die es beim Privatvermögen und beim Immobilienvermögen gibt – es geht um die Steuerfreiheit nach zehn Jahren Behaltensfrist –, nicht mehr geben wird. Wir werden durch eine gesetzliche Änderung aber gewährleisten, dass die stillen Reserven, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 31. Dezember 2017 entstanden sind, steuerfrei gestellt werden. Ich glaube, es ist nur gerecht, dass wir nicht nachträglich etwas besteuern.

Daneben haben wir die Möglichkeiten der Spezialfonds durch einen weiteren Verweis in ihren Anlagebedingungen ausgeweitet, aber nicht so weit, dass es dort zu steuerlichem Missbrauch kommen könnte, wie auch das von den Linken wieder vermutet wurde. Das könnten Sie hier dann ja auch noch einmal konkretisieren, sodass wir das dann zur Kenntnis nehmen können.

Ein zweiter Punkt neben dem originären Investmentsteuerrecht ist die Bekämpfung der sogenannten Cum/Cum-Geschäfte. Was sind Cum/Cum-Geschäfte? Im Ergebnis kommt es zu einer unberechtigten Erstattung der Kapitalertragsteuer.

Ich nenne ein einfaches Beispiel: Ein ausländischer Aktionär hat letztendlich eine Definitivbelastung durch seine Kapitalertragsteuer. Er bringt die Aktie kurz vor der Dividendenausschüttung ins Inland. Dem dortigen Halter wird die Kapitalertragsteuer, die er auf die Dividende zahlen muss, erstattet. Den sich daraus ergebenden entsprechenden Vorteil – meistens sind es 15 Prozent – wird man sich dann irgendwie teilen.

Wir schieben diesen Gestaltungen – ob sie nun illegitim oder illegal sind – einen Riegel vor, sodass das nicht mehr stattfinden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist ein ganz wichtiger Punkt!)

Ich bin auch froh, dass wir diese Regelung im Finanzausschuss, wenn ich das richtig gesehen habe, einstimmig beschlossen haben. Es wird so sein, dass der Aktionär eine Mindesthaltedauer einhalten muss. Also 45 Tage vor dem Bilanzstichtag und 45 Tage nach dem Bilanzstichtag muss er wirtschaftlicher Eigentümer sein. Was auch wichtig ist: Er muss ein Mindestwertveränderungsrisiko von 70 Prozent tragen. Ursprünglich waren im Gesetzentwurf 30 Prozent vorgesehen. Das war uns ein bisschen zu wenig. Deswegen sind wir auf 70 Prozent gegangen. Andere wollten, dass 100 Prozent Risiko getragen würden. Aber das haben wir für wenig praktikabel gehalten. Ich glaube, dass wir hier einen guten Kompromiss gefunden haben.

Wir haben die Umgehungsmöglichkeiten aufgegriffen, die es in Konzernstrukturen gibt, und damit sozusagen dafür gesorgt, dass sie bekämpft werden können. Wir haben eine Umkehr der Beweislast eingeführt. Was ich auch wichtig fand: Wir haben den Betrag der nicht anrechenbaren Kapitalertragsteuer auf 15 Prozent reduziert. Im Gesetzentwurf waren 25 Prozent vorgesehen. Das ist keine Vergünstigung, wie man annehmen könnte, sondern wir wollen mit der Missbrauchsbekämpfungsvorschrift den Zustand herstellen, der eingetreten wäre, wenn man keine Gestaltung gewählt hätte. In den meisten Fällen, wie bei dem geschilderten Inlandsfall oder im Fall eines Doppelbesteuerungsabkommens, hat man eben nur eine Kapitalertragsteuerbelastung von 15 Prozent. Von daher ist auch das richtig. Ansonsten hätten wir für unsere Kreditinstitute einen Wettbewerbsnachteil gehabt. Diesen wollten wir vermeiden. Von daher können wir auch mit dieser Lösung leben.

Ich hatte schon gesagt, dass es ein Anliegen aller Fraktionen war, dass wir diese Cum/Cum-Geschäfte stilllegen. Ich bin froh, dass dem alle zugestimmt haben. Ich möchte hier klarstellend sagen, weil uns das in der Anhörung beschäftigt hat, dass wir damit keine Aussage darüber treffen, wie die Cum/Cum-Geschäfte, die bisher gelaufen sind, rechtlich zu beurteilen sind, ob sie illegitim bzw. illegal waren. Vielmehr wollen wir für die Zukunft ganz sichergehen. Alles andere wird anders aufzuarbeiten sein, nämlich durch die Strafverfolgungsbehörden und die Finanzbehörden. Hier ist zu prüfen, ob es sich um Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO oder noch viel schlimmere Dinge handelte. Das wird man sehen.

Man muss auch sehen, dass es da sehr unterschiedliche Geschäfte gibt, sodass man das nicht pauschal beurteilen kann. Von daher, glaube ich, ist es gut, dass wir gemeinsam klargestellt haben, dass sich hier keiner damit exkulpieren kann, dass der Gesetzgeber jetzt etwas gemacht hat. Wir erleben derzeit bei den Cum/Ex-Geschäften, dass mit einer Gesetzesbegründung versucht wird, etwas zu legitimieren, was wohl definitiv illegal war. Das kann man hinsichtlich der Cum/Ex-Geschäfte wohl schon feststellen.

Wir haben auch vereinbart, dass wir uns die beschränkte Steuerpflicht für die sogenannten Kompensationszahlungen bei einer Wertpapierleihe genauer ansehen. Wir hätten gerne schon jetzt eine Regelung umgesetzt. Aber dabei sind noch einige steuerrechtliche Fallstricke zu beachten. Von daher haben wir uns das auf die Agenda gesetzt und die Bundesregierung gebeten, zügig und zeitnah einen Vorschlag zu machen, um diesen § 36a des Einkommensteuergesetzes noch weiter zu ergänzen und das Netz so eng zu machen, dass es solche Gestaltungen nicht mehr geben kann. Daran wird deutlich, dass wir alle sehr dabei sind, nichtgewollte Steuergestaltungen zu verhindern.

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir können heute ein gutes Gesetz beschließen. Ich bedauere, dass ich die Restzweifel von Herrn Pitterle noch nicht ausräumen konnte, wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig deute.

(Heiterkeit des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE])

Aber vielleicht gibt es ja doch noch einen Ruck, sodass Sie zustimmen können.

Wie gesagt, es ist ein gutes Gesetz. Ich sage aber auch: Wir werden genau hinschauen, wie die Rechtsanwender mit diesem Gesetz umgehen. Wenn es dort Probleme gibt, wenn es Dinge gibt, die wir nicht wollen, werden wir schnell nachjustieren; denn wir wollen in Deutschland eine gerechte Besteuerung. Dafür steht die CDU/CSU,

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die SPD auch! – Christine Lambrecht [SPD]: Die SPD sowieso!)

und die SPD sowieso.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ganz herzlichen Dank. – Als nächster Redner hat Richard Pitterle von der Fraktion Die Linke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6908694
Wahlperiode 18
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Reform der Investmentbesteuerung
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