09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 12

Lothar BindingSPD - Reform der Investmentbesteuerung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Lieber Richard Pitterle, das Gesetz ist objektiv sehr kompliziert – darauf werde ich noch einmal zurückkommen –, aber dass wir es komplizierter gemacht haben, als es die Wirklichkeit erfordert, das ist falsch. Und die Wirklichkeit ist im Verlauf der letzten 150 Jahre auch deshalb dermaßen komplex geworden, weil sich die Interessen unserer Bürgerinnen und Bürger komplex gestalten. Die haben ja ein Interesse, in gewisse Investmentfonds zu investieren. Daraus folgt hohe Komplexität. Deshalb können wir nicht immer ganz einfache Gesetze machen. Ich denke, das muss man verstehen.

Bevor ich gleich zu meiner eigentlichen Rede kommen werde, möchte ich erst einmal Herrn Dr. Meister zum Geburtstag gratulieren. Er hat nämlich heute Geburtstag.

(Beifall)

Wir schenken ihm dann die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf, an dem Sie, Herr Dr. Meister, sehr stark beteiligt sind, übrigens auch Ihr Haus und die entsprechenden Abteilungen. Wir glauben, sie haben eine exzellente Arbeit gemacht. Übrigens auch die Mitarbeiter bei uns – also in meinem Fall Herr Steininger – und die Kollegen bei Ihnen. Die hatten richtig viel Arbeit. Sie mussten den komplexen Gesetzentwurf erst einmal durchdringen, um ihn auf ein Niveau zu heben, auf dem wir ihn dann politisch bearbeiten können. Das ist keine ganz leichte Angelegenheit. Deshalb danke ich auch den Berichterstatterkollegen. Das war, glaube ich, eine sehr gute Arbeit.

Was ist eigentlich ein Investmentfonds? Ich habe ein paar Mitarbeiter gefragt. Sie haben gesagt: Davon habe ich schon mal gehört.

Eigentlich ist ein Investmentfonds ein Topf, in den viele kleine Leute, wie man so sagt – wir meinen damit Leute mit niedrigem Einkommen –, einen kleineren Betrag geben können. Das Geld wird in diesem Topf gesammelt, und mit dem gesammelten Geld können dann Fachleute eine große Investition tätigen, zum Beispiel bei Daimler, Coca-Cola oder wo immer man möchte. Deshalb, weil man sein Geld Fachleuten gibt, denkt man, das ist gut. Man sollte aber immer daran denken: Wenn ich mein Geld weggebe, habe ich das Risiko, während jemand anders das Geld hat. Es sind zwar Fachleute, nämlich Fondsmanager; man muss aber wissen: Mit der höheren Ertragserwartung geht auch ein höheres Risiko einher. Das muss sich jeder überlegen. Die Idee vor 150 Jahren war jedenfalls: Viele kleine Leute geben Geld, damit sie bei Großen investieren können. Das war eine gute Idee.

Inzwischen gibt es Immobilienfonds. Mit denen kann man in Gewerbeimmobilien investieren wie Bürogebäude, Hotels und Einkaufszentren. Es gibt auch nachhaltige Fonds, mit denen man in soziale und ökologische Projekte investieren kann. Und es gibt Rentenfonds. An denen sind viele beteiligt – vielleicht auch einige der Anwesenden –, die gar nicht wissen, dass sie daran beteiligt sind. Wir geben jedenfalls unser Geld an Geldsammelstellen, damit es angelegt wird.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Dabei spielen Fonds eine wichtige Rolle. Es gibt des Weiteren Aktienfonds, es gibt Mischfonds, die alles kombinieren, es gibt auch Garantiefonds, bei denen man davon ausgeht, dass es eine garantierte Auszahlung gibt.

Ich will damit sagen: Es sind extrem viele Bürgerinnen und Bürger beteiligt, und eigentlich sollten sie verstehen, was im Gesetzentwurf steht. Aber ich behaupte, dass selbst die einfachen Formulierungen, an die wir uns gewöhnt haben, nicht verständlich sind. Ich zitiere aus § 18, um eine kleine Kostprobe zu geben:

Die Vorabpauschale

– das ist ein wichtiger Begriff –

ist der Betrag, um den die Ausschüttungen eines Investmentfonds innerhalb eines Kalenderjahres den Basisertrag für dieses Kalenderjahr unterschreiten. Der Basisertrag wird ermittelt durch Multiplikation des Rücknahmepreises des Investmentanteils zu Beginn des Kalenderjahres mit 70 Prozent des Basiszinses nach § 203 Absatz 2 des Bewertungsgesetzes. Der Basisertrag ist auf den Mehrbetrag begrenzt, der sich zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis zuzüglich der Ausschüttungen innerhalb des Kalenderjahres ergibt.

Ich denke, bis hierhin ist jetzt alles klar. Jetzt kommt aber noch ein kleiner Appendix:

Wird kein Rücknahmepreis festgesetzt, so tritt der Börsen- oder Marktpreis an die Stelle des Rücknahmepreises.

Ich glaube, Ihnen ist jetzt klar, worum es in dem Gesetzentwurf geht. Man merkt: Selbst einfache Formulierungen nur mit deutschen Wörtern sind so komplex, dass ich jetzt gewissermaßen große Mühe habe, das in den vier Minuten Redezeit, die ich habe, verständlich zu machen.

Wir sehen aber auch: Hinsichtlich der sprachlichen Möglichkeiten haben wir nicht alles ausgenutzt. Deshalb will ich noch einmal an einen Punkt erinnern, den wir seit ein paar Jahren im Blick haben, aber nicht regelmäßig verfolgen. Wir werden ja von der Gesellschaft für deutsche Sprache dabei unterstützt, die Gesetzgebungssprache zu vereinfachen. Dummerweise war unsere Fristenplanung so, dass wir Frau Hallik wieder nicht in Anspruch nehmen konnten. Dies war aufgrund unserer Zeitplanung nicht mehr möglich. Das ist sehr schade. Wir sollten uns wieder verstärkt dieser Gesellschaft bedienen, um die Gesetzessprache zu vereinfachen.

Das Ziel der Investmentsteuerreform, die wir heute beschließen wollen, ist – das wurde schon gesagt – erstens die Vereinfachung. Dabei merkt man: Die Welt ist noch komplizierter, als wir sie jetzt beschreiben. Wir wollen sie zweitens europarechtskonform und damit rechtssicher machen, und wir wollen sie drittens aufkommensneutral machen. Das heißt immer: nicht mehr Steuern erheben als zuvor. Das, was wir uns vorgenommen haben, haben wir hier nun erreicht: Wir machen die Investmentbesteuerung gerechter, einfacher und europarechtskonform, ohne mehr Steuern einzunehmen. Das ist nicht immer ganz leicht.

Viele kleine Leute geben ihr Geld ja in Fonds, in denen dann richtig viel Geld ist. Oft ist es auch so, dass die Fondsmanager davon mehr als profitieren. Deshalb muss man aufpassen, dass es dabei gerecht zugeht, und deshalb ist es auch klug, darauf zu achten, wie das besteuert wird. Ich hätte manchmal auch gerne ein paar mehr Steuern,

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist bei euch in den Genen!)

aber das können wir in einem anderen Kontext diskutieren.

Am wichtigsten für uns war, Schlupflöcher zu schließen. Ich bekomme viel Post. Darin steht insbesondere seit den Panama Papers drin: Macht etwas! Immer wieder entdecken die Leute Schlupflöcher. – Ich muss denen, die mir schreiben, sagen: Auch nach Inkrafttreten dieses Gesetzes wird es Schlupflöcher geben. Die kennen wir noch gar nicht. Deshalb müssen wir aufpassen, sie entdecken und sie dann schließen.

Beim Spezialfonds bleibt im Prinzip alles, wie es ist.

Hinsichtlich des Publikumsfonds möchte ich Folgendes sagen: Wenn jemand als Deutscher einem solchen Fonds Geld gibt und dann eine Dividende erhält, wird ihm die gezahlte Steuer angerechnet. Wenn der Betreffende aber Ausländer ist, erhält er die gezahlte Steuer nicht zurück. Das ist europarechtswidrig; denn der Ausländer wird schlechter behandelt als der Inländer. Es gibt auch Fälle, in denen es umgekehrt ist.

Jedenfalls mussten wir hier etwas machen. Deshalb führen wir ein neues System ein, das nach dem Prinzip der Intransparenz funktioniert. Ich will zuerst etwas zum Transparenzbegriff sagen. Ein Unternehmen ist transparent, wenn der Finanzminister es nicht sieht. Er schaut quasi durch das Unternehmen hindurch. Weil er es nicht sieht, kann er keine Steuer erheben. Nun machen wir es intransparent. Der Fonds wird vom Fiskus, also von Herrn Dr. Meister, gesehen, der dann sagt: Ich sehe den Fonds; dort gibt es Gewinne. Ich will Steuern!

Nun werden auf Fondsebene Steuern erhoben. Wenn der Fonds Dividenden ausschüttet, muss der Anteilseigner noch einmal Steuern zahlen. Hier müssen wir darauf achten, dass es keine Doppelbelastung gibt; denn es soll fair bleiben. Das ist der Hintergrund der Überlegungen.

Ich bemerke, dass mir die Präsidentin das Zeichen gibt, zum Ende zu kommen. Das ist sehr schade.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will zum letzten Punkt kommen. Wir haben uns auf etwas Gutes verständigt. Wir haben im Finanzausschuss sechs protokollarische Erklärungen abgegeben, um in einigen Jahren eine Evaluierung durchzuführen; denn wir können noch nicht genau ermessen, wie das Gesetz hinsichtlich der Gestaltung durch die Bürger funktioniert. Das Wichtigste ist: Häufig entstehen die sogenannten Cum/Cum-Geschäfte durch eine Wertpapierleihe. Wenn die Steuerpflicht mithilfe einer Leihgebühr umgangen wird, dann wollen wir diese Leihgebühr besteuern. Ich glaube, zu diesem Thema wird Andreas Schwarz noch etwas sagen. Insofern kann ich dann an dieser Stelle schließen.

Schönen Dank und alles Gute.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Schönen Dank. – Manchmal bedauert es auch die Präsidentin, dass die Redezeit abgelaufen ist. Nichtsdestotrotz muss einmal ein Ende sein.

Dr. Gerhard Schick hat als nächster Redner das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6908754
Wahlperiode 18
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Reform der Investmentbesteuerung
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