09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 15

Helmut BrandtCDU/CSU - Ausländerwahlrecht und Jedermann-Grundrechte

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörer! Man kann sagen: Alle Jahre wieder – jedenfalls alle vier Jahre wieder – erleben wir die gleiche Debatte.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja, weil Sie nichts machen! – Gegenruf des Abg. Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Nee, weil er recht hat! – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Die Grundrechte hatten wir noch nicht!)

– Hören Sie doch einfach einmal zu. Vielleicht kapieren Sie nach vier Jahren meine Argumente.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Nee, garantiert nicht!)

Es geht darum – Sie haben es dargestellt, Frau Wawzyniak –: Sie wollen Ausländern, die fünf Jahre hier leben, gleich welchen Status sie haben, das volle Wahlrecht geben.

(Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Die Grünen beschränken sich darauf, in Bezug auf das Kommunalwahlrecht entsprechende Forderungen zu stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben das Thema hier schon öfter diskutiert. Neben den verfassungsrechtlichen Hindernissen – wie im Rahmen von Anhörungen und im Plenum bereits mehrfach diskutiert worden ist – bestehen eben auch, Herr Beck, erhebliche politische Bedenken gegen die Einführung eines Wahlrechts für Ausländer.

Wir von der CDU/CSU sind der Auffassung, dass das Wahlrecht am Ende eines Integrationsprozesses stehen sollte, während Sie offensichtlich davon ausgehen, dass allein die Möglichkeit, sich an Wahlen zu beteiligen, automatisch die Bereitschaft, sich zu integrieren, nach sich zieht. Ich halte das, mit Verlaub, für naiv.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben in dieser Legislaturperiode vielen hier lebenden Türken die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht. Wir haben das getan, um gerade jungen Menschen den Konflikt zu ersparen, zwischen zwei Staatsbürgerschaften wählen zu müssen. Das war eine vertretbare Entscheidung; wenngleich ich zugebe, dass ich dabei Bauchschmerzen hatte. Dass dieses Gefühl, das ich und andere hatten, nicht unbegründet war, das haben gerade die letzten Wochen gezeigt.

Die teils heftigen Reaktionen hier lebender Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Sachen Böhmermann, aber auch auf die gerade verabschiedete Armenien-Resolution zeigen doch, dass die von mir befürchteten Loyalitätskonflikte durchaus existieren. Die Gefahr einer Instrumentalisierung durch ausländische Politiker ist nach den jüngsten Ereignissen wohl kaum von der Hand zu weisen.

Es gibt in meinen Augen aber noch zwei wichtige Aspekte, die dafür sprechen, Menschen, die nicht eingebürgert sind, Menschen, die unsere Staatsbürgerschaft nicht angenommen haben, das Wahlrecht zu verweigern.

Man muss sich einmal vorstellen, welche Ungleichheit dadurch entstehen würde. Wir haben die Wehrpflicht zwar ausgesetzt; aber man kann ja nicht sagen, ob es nicht irgendwann doch einmal eine Situation gibt – gerade in dieser Zeit drängt sich der Gedanke manchmal auf –, in der sie wieder eingeführt wird. Dann müssten die Deutschen als Wehrpflichtige einrücken, und die anderen hätten ohne jede Verpflichtung das Wahlrecht. Das führt doch automatisch zu Ungleichbehandlungen, die wir nicht wollen.

(Zuruf der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Das Gleiche gilt für die Fragen der Versammlungsfreiheit, der Freizügigkeit usw. usf., die Sie, Frau Wawzyniak, aufgeworfen haben. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich finde die Forderungen, die Sie stellen, und die Behauptungen, die Sie aufstellen – Sie sprechen von Diskriminierung und anderen Dingen –, im Grunde genommen absurd.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine Änderung von Artikel 11 Grundgesetz – Recht auf Freizügigkeit – hätte doch ganz gravierende Auswirkungen auch auf das Aufenthaltsrecht von Ausländern.

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Genau!)

– Ja, aber unbeabsichtigte, nicht gewünschte Auswirkungen. – Als Begründung für diese Forderung – das haben Sie heute wiederholt – berufen Sie sich auf die UN-Menschenrechtscharta. Dabei wissen Sie, dass, angefangen bei Artikel 12 Absatz 1 des UN-Zivilpaktes, die Garantie der Freizügigkeit auch dort nicht mehr uneingeschränkt vorgesehen ist, sondern im Gegenteil unter dem Vorbehalt der allgemeinen Ausländergesetze des betreffenden Staates steht.

Ich sehe, dass meine Redezeit zu Ende geht. Deshalb will ich nur noch ganz kurz etwas zu dem Gesetzentwurf der Grünen sagen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung klargestellt, dass sich die kommunale Ebene nicht von den Staatsebenen Land und Bund unterscheidet. Deshalb wollen wir hier keinen Unterschied machen.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den macht ihr doch schon!)

Es gilt gleiches Recht für alle, gleiches Recht für die, die es zu Recht beanspruchen können. Wir hoffen mit Ihnen, Herr Beck, dass es in Zukunft mehr Einbürgerungen gibt. Das ist für uns der Anreiz. Wir wollen aber nicht die umgekehrte Reihenfolge.

Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Ernstberger [SPD])

Vielen Dank, Helmut Brandt. – Der nächste Redner ist schon auf dem Weg zum Rednerpult, Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6909028
Wahlperiode 18
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Ausländerwahlrecht und Jedermann-Grundrechte
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