Andrea LindholzCDU/CSU - Ausländerwahlrecht und Jedermann-Grundrechte
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor über 100 Jahren erhielt das jüdische Familienunternehmen Loevy einen historischen Auftrag. Die Kunstgießerei sollte zwei französische Kanonen einschmelzen und daraus drei Worte gießen, die bis heute über dem Westportal des Reichstagsgebäudes zu lesen sind: „Dem deutschen Volke“.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dort drüben heißt es: „Der Bevölkerung“!)
Der Kaiser gab diesem Schriftzug 1916 nur widerwillig seine Zustimmung. Er fürchtete um die Strahlkraft dieser Worte; denn sie symbolisieren das Fundament unserer Demokratie, die Volkssouveränität.
Heute steht dieses Demokratieprinzip vor neuen Herausforderungen. Die Globalisierung, die Integration in Deutschland und Europa und die Zuwanderung – sie verändern die Entscheidungsmechanismen und unsere Gesellschaftsstruktur. 2015 wurden 9,1 Millionen Ausländer in Deutschland gezählt. Viele von ihnen zahlen Steuern, sie stützen den Sozialstaat, und sie zahlen in die Rente ein. Zu Recht stellt sich die Frage: Was ist mit dem Wahlrecht für Ausländer?
Auf kommunaler Ebene wurde bereits ein Mitsprache- und Wahlrecht für EU-Bürger verankert, auch im Grundgesetz. Die Grünen fordern jetzt aber ein passives und aktives Wahlrecht auf kommunaler Ebene pauschal für alle Ausländer mit ständigem Wohnsitz in Deutschland. Die Linken gehen noch weiter und fordern ein volles Wahlrecht im Land, im Bund und auf EU-Ebene pauschal für alle Ausländer, die seit fünf Jahren in Deutschland leben. Die speziellen deutschen Grundrechte in den Artikeln 8, 9, 11 und 12 unseres Grundgesetzes sollen zu Grundrechten für jedermann umgewandelt werden.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Gute Sache!)
Wir als Union lehnen diese Gesetzentwürfe entschieden ab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Widmen wir uns zunächst einmal dem klar definierten Volksbegriff. Das Wahlvolk in Deutschland, von dem gemäß Artikel 20 Absatz 2 unseres Grundgesetzes alle Staatsgewalt ausgeht, wird aus deutschen Staatsangehörigen und ihnen gleichgestellten Personen gebildet.
(Zuruf der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])
Das ist an vielen Stellen im Grundgesetz und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes festgelegt, unter anderem auch in Artikel 20 Absatz 4 Grundgesetz, den man natürlich nicht isoliert von Artikel 20 Absatz 1 bis 3, sehr geehrte Frau Kollegin, sehen darf. Deswegen müssten wir also zunächst einmal in unserer Verfassung den Volksbegriff ändern. Dazu muss man wissen, ob man das will.
Wir wollen das nicht; denn auch das Völkerrecht stellt aus gutem Grund auf die Staatsangehörigkeit ab. Eine Demokratie ist eine auf Dauer angelegte politische Gemeinschaft und keine flüchtige, durch zufällige persönliche Entscheidungen zusammengewürfelte Ansammlung von Menschen. Wollen wir das Volk künftig definieren als Gesamtheit aller Menschen, die in einem Staat leben,
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Ja!)
unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft und ihrer Integrationsbereitschaft? Sie, liebe Frau Kollegin, sagen Ja. Ich sage für die Unionsfraktion Nein. Ich will das auch nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Dann ist der Unterschied klar! Das ist doch gut so!)
– Eben, das ist auch gut so. Das sehe ich genauso.
Deutschland ist eine politische Schicksals- und Verantwortungsgemeinschaft. Wer vollwertiges Mitglied dieser Gemeinschaft werden möchte, der kann die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und damit auch ein volles Wahlrecht. Diesen Ordnungsrahmen dürfen wir nicht vorschnell aufweichen. Ebenso sollten wir an den Staatsbürgerrechten in den Artikeln 8, 9, 11 und 12, das heißt der Versammlungsfreiheit, der Vereinigungsfreiheit, der Freizügigkeit und der Berufsfreiheit, festhalten; denn in diesen Artikeln wird auf unsere demokratische Willensbildung und die Volkssouveränität ganz klar Bezug genommen. Deshalb ist auch der Begriff des Deutschen dort enthalten. Derjenige, der davon nicht betroffen ist, wird bei uns durch Artikel 2 unseres Grundgesetzes, die allgemeine Handlungsfreiheit, aufgefangen, steht also gerade nicht rechtlos da und wird somit auch nicht ausgegrenzt. Für EU-Bürger gelten im Übrigen alle unsere Grundrechte, somit auch diese vier Artikel. Das ergibt sich unter anderem aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Insofern besteht auch an dieser Stelle für uns kein Handlungsbedarf.
Das Kommunalwahlrecht für EU-Bürger wurde ganz klar nur als punktuelle Unterbrechung der nationalen Volkssouveränität ausgestaltet. Es knüpft nämlich an die Privilegierung einer bestimmten Staatsangehörigkeit an, nämlich an die Unionsbürgerschaft, und ist damit nicht mit jedem anderen Drittstaatler gleichzusetzen. Das, sehr geehrte Frau Kollegin Fograscher, ist die für uns maßgebliche Unterscheidung, die hier vorgenommen worden ist. Wir lehnen an dieser Stelle ebenfalls eine allgemeine Änderung unseres Grundgesetzes ab.
(Beifall bei der CDU/CSU)
An einer Stelle sehe auch ich im Hinblick auf mehr Mitbestimmungsrechte Handlungsbedarf, und zwar bei der EU-Staatsbürgerschaft. Hieran sollten wir weiterarbeiten; denn eine Verfassung, auch unsere, beinhaltet immer auch den Auftrag an das Gemeinwesen, sie fortlaufend zu gestalten. Das kann man im Hinblick auf die Unionsbürger und das Grundgesetz sehr wohl andenken. Insofern ist das für mich die einzige Stelle, an der ich sage: Hier besteht in der Europäischen Union in Zukunft vielleicht gemeinsam Handlungsbedarf. Alles andere ist aus unserer Sicht nicht erforderlich und abzulehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Kollegin Lindholz. – Der letzte Redner in dieser Debatte: aus Illertissen Dr. Karl-Heinz Brunner für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6909034 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Ausländerwahlrecht und Jedermann-Grundrechte |