Karl-Heinz BrunnerSPD - Ausländerwahlrecht und Jedermann-Grundrechte
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Lindholz, eigentlich hatte ich zu dem Gesetzentwurf der Grünen, zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, überhaupt keine gute Beziehung. Nach Ihren Ausführungen allerdings könnte ich selbst der Argumentation der Linken eine gewisse Sympathie entgegenbringen.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Oje, oje! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das war sehr klug von der Kollegin!)
Ich sage das deshalb, weil die Auslegung des Begriffes „deutsches Volk“ außer in Artikel 1 unseres Grundgesetzes nach meiner Kenntnis nirgendwo in der vorgetragenen Interpretation zu finden ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich glaube, in Deutschland sind wir in der Diskussion, wie wir mit Menschen in diesem Land umgehen, schon weiter.
Ich habe mich fast an eine Diskussion erinnert gefühlt, die zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, als ich dem Hohen Hause noch nicht angehört habe. Damals hat man leidenschaftlich darüber debattiert, wie das Kunstwerk dort unten heißt und ob es der deutschen Bevölkerung oder dem deutschen Volke gewidmet ist. Dieses Haus hat entschieden: der Bevölkerung. Diese Bevölkerung sollte auch im Mittelpunkt stehen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Der deutschen Bevölkerung!)
– Ja. Zur deutschen Bevölkerung gehören die Menschen, die in Deutschland leben, und zwar alle.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, beim flüchtigen Drüberlesen könnte man sogar zu dem Ergebnis kommen, durch den Ersatz des Begriffes „Deutscher“ durch „Mensch“ könne man – quasi im Schnelldurchgang – die Europäische Menschenrechtskonvention, den UN-Zivilpakt und den UN-Sozialpakt implementieren: Wir ändern mal schnell das Grundgesetz und schaffen eine neue Willkommenskultur; dann sind wir – nach Auffassung der Antragsteller – endlich auf einem guten Weg.
(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das ist richtig in Bezug auf die Grundrechte! Aber es geht um das Wahlrecht!)
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es hierfür jemals eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag geben wird; die Debatte hat das gezeigt.
(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)
Trotzdem möchte ich mich mit Ihrem Gesetzentwurf, Kolleginnen und Kollegen der Linken, auseinandersetzen, auch um aufzuzeigen, dass ich ihm inhaltlich nicht zustimmen kann.
Inhaltlich kann ich ihm deshalb nicht zustimmen, weil Artikel 8 des Grundgesetzes, die Versammlungsfreiheit, längst durch die Rechtsprechung zu Artikel 2 des Grundgesetzes – der Kollege Beck hat das angesprochen – garantiert ist. Also: erledigt. „ Haken dahinter“, könnte man sagen.
Die Vereinigungsfreiheit ist gleichermaßen durch die Rechtsprechung zu Artikel 2 des Grundgesetzes und die Tatsache, dass diese Rechte auch EU-Bürgern und anderen Bürgern des Landes zukommen, geklärt.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Steht so in unserem Gesetzentwurf!)
Die Berufsfreiheit steht nicht mehr zur Diskussion. Auch hier gilt eigentlich der Hinweis auf Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das ist geklärt. Wir brauchen dazu keine Entscheidung.
Es bleibt also Artikel 11 des Grundgesetzes, die Freizügigkeit. Die Freizügigkeit, verehrte Kolleginnen und Kollegen, kommt aus einem anderen Kontext. Sie ist von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes eingefügt worden, als Deutschland geteilt war und viele Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben waren. Ihnen sollte über Artikel 11 des Grundgesetzes im deutschen Bundesgebiet ein Heimatrecht verschafft werden. Es handelt sich also um das ausdrücklich den damaligen Deutschen zustehende Recht, jederzeit in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen und hier einen Wohnsitz zu nehmen.
Die Kollegin Fograscher hat es trefflich ausgeführt: Wir haben uns bereits sehr intensiv mit dem Integrationsgesetz beschäftigt. Wir wollen den Menschen, die ein Asylrecht haben, auch Asyl gewähren. Wir wollen sie in unserem Land integrieren und die Menschenrechtskonvention und die Flüchtlingskonvention entsprechend berücksichtigen, aber nicht jedem Menschen, gleich welcher Nationalität, ohne ein ordentliches Verfahren und ohne Integration ein Residenzrecht in Deutschland einräumen. Ich meine, ohne eine ordentliche Regelung des Artikels 11 Grundgesetz können wir in unseren Behörden und in unserem Staatsapparat die Zuwanderung nicht ordentlich regeln.
Allein dies zeigt, dass dieser Gesetzentwurf eher unter der Rubrik „Spaß“ als unter der Rubrik „Ernst“ zu werten ist.
(Beifall des Abg. Gerold Reichenbach [SPD])
Ich bin gespannt, wie Sie in den anstehenden Beratungen noch die Kurve kriegen wollen, sodass wir ein vernünftiges Ergebnis erreichen, durch das die Menschen und die Integration in diesem Land in den Mittelpunkt gestellt werden und keine Wortklauberei betrieben wird.
Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6909095 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Ausländerwahlrecht und Jedermann-Grundrechte |