09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 17

Stephan AlbaniCDU/CSU - Biosicherheit bei Hochrisikoforschung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Tribünen! Wir beraten hier heute ein Thema, das mir als Wissenschaftler persönlich ein wichtiges Anliegen ist. Sicherheitsrelevante Forschung unterliegt in der Wissenschaft stets einem Dilemma und liegt im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Verantwortung einerseits und der notwendigen Forschungsfreiheit andererseits. Wir sprechen hier von dem sogenannten Dual-Use-Dilemma. Das heißt, dass Forschung infolge eines doppelten Verwendungszweckes sowohl Segen als auch Fluch sein kann, dem sogenannten Dual Use Research of Concern. Im positiven Sinne bedeutet dies, dass Forschungsergebnisse der Lebenswissenschaften, die nicht zuletzt für die Bekämpfung von Krankheiten, Infektionen und Viren dringend benötigt werden, zugleich auch das Potenzial bieten, großen Schaden anzurichten; denn die gewonnenen Erkenntnisse bergen in sich zugleich Nutzen und Gefahr und sind daher untrennbar. Im negativen Sinne kann dies aber auch das Risiko beinhalten, dass die Erkenntnisse für kriminelle Absichten missbraucht werden.

Lassen Sie mich folgende Beispiele von dual-use-relevanten allgemeinen Wissenschaftsthemen benennen: Ja, es ist richtig, dass es die Forschung an autonomen Flugkörpern zum einen ermöglicht, dass wir Dinge in Bereiche bringen, in denen Patienten liegen, die dann entsprechend an Fahrzeuge zurückfunken, was vor Ort notwendig ist. Aber man kann aus diesen Flugkörpern natürlich auch Drohnen machen, die hässliche Dinge tun; keine Frage. – Wir können Retroviren nutzen und sie an Stellen des Körpers bringen, wo sie segensreich tätig werden. Wir können aus ihnen natürlich genauso biologische Kampfmittel machen; überhaupt keine Frage. Das ist aber weniger eine Frage der Wissenschaft und Forschung. Das ist vielmehr eine Frage der Anwendung dieser Techniken im Nachgang.

Die Bundesregierung hat dieses Dilemma bereits im Jahre 2012 erkannt und eine Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Biosicherheit und Forschungsfreiheit in Auftrag gegeben. Im September 2013 sind die interdisziplinär forschenden Institutionen in Deutschland in Arbeitsgruppen, angeleitet durch die Leopoldina und die DFG, zum Abschluss gekommen und haben die Ergebnisse vorgestellt. Uns ist spätestens seit der Veröffentlichung der Ergebnisse des Deutschen Ethikrates in 2014 bewusst, dass ein Missbrauch von Forschungsergebnissen reduziert werden muss; das ist völlig logisch. Ein öffentliches Fachgespräch im November 2015 zum Thema „Wissenschaftliche Verantwortung“ zeigt darüber ebenfalls eingehende Einigkeit. Klar wurde aber auch, dass bei einer sorgfältigen Abwägung der Risiken und Chancen Antworten auf wichtige gesellschaftliche Herausforderungen der Zukunft durch ebendiese Forschung gegeben werden können.

Schließlich und endlich wurde im März 2015 ein Gemeinsamer Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung von der DFG und der Leopoldina mit dem Ziel berufen, bis 2017 an allen deutschen Forschungseinrichtungen Kommissionen für Ethik in der Forschung einzurichten. Wir stellen also fest, dass sich die wissenschaftliche Forschungslandschaft ihrer Verantwortung sehr bewusst ist und sich diesem wichtigen Thema zügig angenommen hat.

In dem jetzt vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen von Ende September letzten Jahres wird gefordert, Gesetze zum Umgang mit biosicherheitsrelevanten Forschungsvorhaben auf den Weg zu bringen. Sie fordern die umfassende Verschärfung gesetzlicher Auflagen mit sehr detailliertem und festgelegtem Geltungsbereich. Eine weitere Verschärfung der gesetzlichen Regelungen würde aber zugleich die Forschungsfreiheit in erheblichem Maße einschränken. Dies gefährdet die Flexibilität im Sinne der segensreichen wissenschaftlichen Selbstbestimmung des Forschenden in nicht unerheblichem Maße. Daher lehnen wir dies ab.

Wir unterstützen den begonnenen Weg der Forschungscommunity in Form der wesentlichen Elemente Kommission für Ethik und Forschung und dem Gemeinsamen Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung. Diesen werden wir weiter verfolgen. Dies ist aus unserer Sicht der beste Weg: eine Selbstverpflichtung der Wissenschaft ohne Überregulierung und zusätzliche Gesetze. Wir wollen erreichen, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihrer Verantwortung in der Forschung bewusst sind. Zudem würden die gesetzlichen Regelungen, die Sie fordern, die Forschung blocken und hemmen. Das beträfe dann die gesamte Forschung; denn Ihre neuen Regulierungswünsche in der Biowissenschaft würden langfristig ausufernde Regulierungen in allen Forschungsbereichen zur Folge haben.

Es wird klar: Eine einheitliche Regelung seitens der Politik, also von außerhalb der Wissenschaft, ist hier nicht der richtige Weg. Wir begrüßen daher die Aktivität der Wissenschaftsgemeinschaft in Deutschland in Form einer Selbstregulierung und Selbstverpflichtung, um den komplexen und häufig unberechenbaren Risiken von Forschung gerecht zu werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn wie Goethe – den ich sehr mag und an dieser Stelle immer wieder gern zitiere – einst bemerkte:

Der Wissenschaftler muss durch sein Tun und Handeln immer wieder kundtun, dass er zum humanen Teil der Menschheit gehört.

Daher begrüßen wir die Schritte nicht blind, sondern werden sie weiter eng begleiten, kritisch begleiten. Aber sie sind der richtige Weg, Forschungsfreiheit und ethische Verantwortung in der Forschung miteinander zu kombinieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner: Ralph Lenkert für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6909102
Wahlperiode 18
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Biosicherheit bei Hochrisikoforschung
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