09.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 176 / Tagesordnungspunkt 17

Kai GehringDIE GRÜNEN - Biosicherheit bei Hochrisikoforschung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass wir heute über den Antrag der Grünen diskutieren, den ersten parlamentarischen Vorstoß und Vorschlag zu dem wichtigen Thema der Biosicherheit. Biosicherheit ist sicherlich kein Thema, das ständig im Fokus des öffentlichen Interesses steht. Das liegt vor allem daran, dass Entweichen und Entwenden oder der krasse Missbrauch jüngster Forschungsergebnisse durch Kriminelle oder Terroristen bisher nicht stattfanden. Dazu kann man nur sagen: Gott sei Dank!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dennoch stehen Bedrohungen etwa für Luft und Trinkwasser durch Krankheitserreger im Raum. Dramatisieren wäre hier genauso falsch wie Bagatellisieren. Wir müssen politisch Vorsorge treffen, damit diese Bedrohungen und Sicherheitsrisiken nicht zur Realität werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Techniken zur Herstellung oder Veränderung von Bakterien und Viren werden immer kostengünstiger und einfacher. Dadurch wachsen auch Missbrauchsrisiken. Denen müssen wir entschlossen entgegenwirken. Ein dafür geeignetes Instrument und der beste Weg ist aus unserer Sicht eine Kommission auf gesetzlicher Grundlage, wie wir sie heute beantragen und wie es auch der Deutsche Ethikrat vorschlägt. Sie soll sich lediglich mit hoch riskanten Projekten der Lebenswissenschaften befassen, deren Missbrauch bzw. Dual Use ein hohes Schadensrisiko für Gesundheit und Leben bergen. Die Bundesregierung hat sich zu den Empfehlungen des Deutschen Ethik­rates, den sie selber beauftragt hat, bis heute nicht klar positioniert. Das bedauern wir.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Andere Staaten sind hier längst weiter. So haben die USA seit zehn Jahren eine Beratungskommission für Bio­security-Fragen.

Keiner hätte Zweifel daran, dass die Wissenschaftsfreiheit in den USA groß geschrieben wird. Der Aufwand in Deutschland wäre übrigens überschaubar. Laut Ethikrat handelt es sich in Deutschland um maximal zehn Fälle pro Jahr, die dort zur Prüfung anstünden. Die Forschenden werden durch diese Expertise der Kommission definitiv entlastet, und zwar weit über individuelle Haftungsfragen hinaus. Biosecurity-Fragen erfordern dringend eine interdisziplinäre Perspektive und Expertise, die einzelne Universitäten oder auch einzelne Forschungslabore nicht immer vorhalten können.

Ebenso wichtig ist die Einbindung auch der Zivilgesellschaft; denn Wissenschaftsethik, gerade in den Life Sciences, berührt elementare Fragen, die nicht allein innerwissenschaftlich geklärt werden sollten. Wenn die Kommission von einem Vorhaben abrät, weil sie das Risiko für nicht verantwortbar hält, soll das Vorhaben eben nicht mit öffentlichen Mitteln gefördert werden. Es geht dabei also um ein wissenschaftsgestütztes Beratungsverfahren, definitiv nicht um Forschungsverbote, und diese smarte DURC-Kommission hilft, Wissenschaftsfreiheit und ethische Verantwortung abzusichern und auszubalancieren. Das ist notwendig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich bliebe auch mit dieser DURC-Kommission die Wissenschaftscommunity selbst in der Verantwortung. Sie hat sich auf den Weg gemacht, um per Selbstverpflichtung Gefahren von Forschung zu minimieren. Das wurde schon geschildert. 2015 wurde der Ausschuss von DFG und Leopoldina gegründet. Die größten Schwächen dieses Konstrukts sind aus unserer Sicht, dass es zu unverbindlich bleibt. Es ist für die Hochrisikoforschung zu unspezifisch, und der Kodex ist eben nicht auf Biosicherheit zugeschnitten. Deswegen reicht uns eine Selbstverpflichtung nicht aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Hochrisikoforschung ist immer mit ganz schwierigen Abwägungen zwischen Forschungsfreiheit, gesellschaftlichem Nutzen und der Sicherheit der Bevölkerung, mit Leben, mit Umwelt und Gesundheit verbunden. Diese Abwägungen sind aber dann auch irgendwann zu treffen. Erst eine Kommission auf gesetzlicher Grundlage, die wir hier im Bundestag schaffen würden, ist dafür ausreichend demokratisch legitimiert und gewährleistet dann auch, dass in schwierigen Fragen wissenschaftlich einheitlich geurteilt wird.

Wenn Deutschland das Thema Biosecurity anpacken würde, könnte dies übrigens positiv auf internationaler Ebene ausstrahlen. Dann wären wir Vorbild. Die Bundesregierung muss sich dort und auf europäischer Ebene für einen völkerrechtlichen Vertrag über Grundlagen und Grenzen verantwortlicher biosecurityrelevanter Forschung starkmachen. Das ist notwendig, dazu sollten wir in Deutschland erst einmal anfangen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der globale Zugang zu Wissen wächst ständig. Biologische Sicherheitsrisiken machen an den Grenzen definitiv nicht halt. Durch internationalen Terrorismus kommen neue Bedrohungen hinzu. Deshalb sind kluge und klare Regelungen hierzulande und international in diesem Bereich wichtiger denn je. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Das bringt uns, der Gesellschaft und der Wissenschaft einen deutlichen Sicherheitsgewinn.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kai Gehring. – Die letzte Rednerin in dieser Debatte: Sybille Benning für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6909118
Wahlperiode 18
Sitzung 176
Tagesordnungspunkt Biosicherheit bei Hochrisikoforschung
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