Sybille BenningCDU/CSU - Biosicherheit bei Hochrisikoforschung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, wir sind uns alle einig, dass das Risiko eines Missbrauchs von Forschungsergebnissen so gering wie möglich bleiben sollte. Ich bin dem Deutschen Ethikrat sehr dankbar für seine umfassende Arbeit „Biosicherheit – Freiheit und Verantwortung in der Wissenschaft“, in der er die Dual-Use-Gefahren im Bereich der Lebenswissenschaften untersucht und darauf aufbauend seine Empfehlungen abgegeben hat.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG, und die Nationale Akademie der Wissenschaften, Leopoldina, haben den Impuls gemeinsam aufgenommen und unter der Überschrift „Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung“ ihre Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung verfasst. Darin weisen sie darauf hin, dass Dual-Use-Gefahren nicht nur in Lebenswissenschaften, sondern auch in anderen Wissenschaftsbereichen liegen, beispielsweise der Materialforschung, der Informatik oder auch den Sozialwissenschaften.
Der meiner Ansicht nach ganz zentrale Punkt in beiden Stellungnahmen ist, dass sich die Wissenschaftler stärker als bisher der Möglichkeit bewusst werden sollten, dass ihre Forschung missbraucht werden kann. Beide Ansätze fordern, Kommissionen einzurichten, die die Wissenschaftler bei Fragen des Dual Use Research of Concern unterstützen und beraten können.
Jetzt ist die Frage, wie dies bestmöglich gelingt: mit einer zentralen Kommission für Zweifelsfälle in den Lebenswissenschaften oder mit einem dezentralen Ansatz, der alle Forschungsfelder umfasst? Letzteres ist das Konzept der DFG und der Leopoldina. Es bezieht alle fraglichen Forschungseinrichtungen in Deutschland mit ein.
Vieles ist in kurzer Zeit passiert. DFG und Leopoldina haben einen gemeinsamen Ausschuss eingerichtet, der, soweit ich es gezählt habe, über 90 Forschungsinstitute angesprochen hat. Es gibt eine Mustersatzung, auf die die Institute zurückgreifen können, wenn sie eigene Kommissionen für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung aufbauen. Das ist wohl schon angefragt worden; es wurde auch eben erwähnt. Damit wurde ein Prozess der Selbstregulierung in der Wissenschaft angestoßen, dessen Ziel es ist, bis 2017 in allen deutschen Forschungseinrichtungen belastbare Strukturen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung zu schaffen. Ganz selbstverständlich werden wir uns dann anschauen, wie weit die Umsetzung dieses großen und wichtigen Vorhabens gelungen ist, und daraus Konsequenzen ziehen.
Liebe Zuhörer, die Freiheit der Forschung ist durch das Grundgesetz geschützt, Artikel 5 Absatz 3; wir wissen es alle. Dieses Gesetz gilt für die gesamte Wissenschaft. Jegliche Reglementierung – und sei es eine Beratungspflicht – ist ein Eingriff. Gesetzliche Regelungen können die Risiken freier Forschung nur in begrenztem Umfang erfassen und sind wenig flexibel. Sie sollen das Ziel haben, bestimmten Gefahren vorzubeugen. Ich fürchte allerdings, dass mit Gesetzen beispielsweise einem absichtlichen, insbesondere terroristischen Missbrauch nur bedingt entgegengewirkt werden kann.
Ich komme zurück auf die Verantwortung der Wissenschaftler. Forschende haben eine besondere ethische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die auch über bereits existierende gesetzliche Verpflichtungen hinausgeht. Ihre Aufgabe besteht darin, mögliche Risiken und Chancen verantwortlich gegeneinander abzuwägen. Dazu gehört auch, dass die Unterlassung von Forschung bedeutsame Risiken nach sich ziehen kann. Die Forschung an Viren ist so ein Forschungsfeld. Am Ebolavirus – das wurde eben auch erwähnt – muss geforscht werden, wenn wir einen Impfstoff haben wollen, der die Menschen schützt.
Bei Gefahren des Missbrauchs geht es um Wissen, Technologien und Produkte, die nicht nur für nützliche, sondern auch für schädliche Zwecke angewendet werden können. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass die Forschungsergebnisse in falsche Hände geraten. Ich glaube, ganz entscheidend sind Ausbildungsmaßnahmen für Nachwuchswissenschaftler. Wissenschaftler müssen sensibilisiert werden für mögliche Risiken ihrer Forschung, und sie müssen informiert werden über bereits existierende rechtliche Auflagen im gesamten Wissenschaftsbereich. Umfragen unter den Wissenschaftler haben ja ergeben, dass dies bislang noch wenig der Fall war.
Hier sehe ich eine entscheidende Aufgabe für die Kommissionen für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung in den einzelnen Instituten. Sie sollen sicherstellen, dass das Problembewusstsein existiert und wachgehalten wird, und so dazu beitragen, eine Kultur der Verantwortung fest zu verankern. Materialien dazu gibt es genug. Notwendig ist, das entsprechende Bewusstsein in den Curricula der Studierenden nachhaltig anzusprechen, über Bachelor und Master zu vertiefen und auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Institute zu tragen.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass in Ihrem Antrag, liebe Kollegen von den Grünen, solche entscheidenden Maßnahmen zur sachgerechten Aus- und Fortbildung der verantwortlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler komplett fehlen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir sind auch nicht dagegen!)
Ich halte Ihren Ansatz daher nicht für zielführend.
Danke schön.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6909173 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 176 |
Tagesordnungspunkt | Biosicherheit bei Hochrisikoforschung |