10.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 177 / Tagesordnungspunkt 28

Hendrik HoppenstedtCDU/CSU - Reform des Bauvertragsrechts

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute Morgen mit einer zugegebenermaßen relativ komplexen Materie, nämlich dem Bauvertragsrecht und der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung. Beide Themen haben strenggenommen nichts miteinander zu tun. Allerdings besteht im Hinblick auf den Adressatenkreis doch ein sachlicher Zusammenhang zwischen beiden Regelungsmaterien: Es sind jeweils Werkunternehmer beteiligt, die durch das eine Vorhaben begünstigt und durch das andere Vorhaben belastet werden; möglicherweise hilft das, die Kompromissfähigkeit zu erhöhen.

Sie gestatten mir zu Beginn einige Bemerkungen zur Reform des Bauvertragsrechtes, bevor ich zu den geplanten Änderungen der Gewährleistung im Kaufrecht komme.

Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, den Verbraucherschutz bei Bau- und Dienstleistungen für Bauherren und Immobilieneigentümer auszubauen, insbesondere im Bauvertragsrecht. Mit der Reform des Bauvertragsrechtes stellt die Koalition die rechtlichen Rahmenbedingungen für Bauvorhaben insgesamt auf ein neues und stabiles Fundament. Zugebenermaßen rechtsästhetisch eher unschön, aber wohl unvermeidbar, ist die Nummerierung der Paragrafen von 650a bis 650u. Wer des Alphabets mächtig ist, wird feststellen, dass nach „u“ nur noch eine Handvoll Buchstaben verbleibt, dann sind wir mit dem Alphabet durch.

Lassen Sie mich zu Beginn auf den Reformbedarf eingehen. Das Werkvertragsrecht des BGB ist bislang in erster Linie auf den kurzfristigen, punktuellen Austausch von Leistung und Gegenleistung angelegt. Nicht zuletzt die Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht in der letzten Wahlperiode und der Baugerichtstag haben gezeigt, dass das Werkvertragsrecht nicht geeignet ist, die Durchführung eines komplexen, auf längere Zeit angelegten Bauvorhabens abzubilden. Deshalb wird das Bauvertragsrecht jetzt erstmals ausführlich im BGB geregelt. Für den Bauvertrag, den Verbraucherbauvertrag, für den Architekten- und Ingenieurvertrag werden spezielle Regelungen in das Werkvertragsrecht eingefügt. Das ist die größte Änderung des BGB seit der Schuldrechtsreform 2002 und setzt die Anpassung des BGB an eine immer komplexere Lebenswirklichkeit erfolgreich fort.

Meine Damen und Herren, ein Kernpunkt der Reform ist die deutliche Erhöhung des Verbraucherschutzes bei Bauverträgen; der Minister hat es schon angesprochen. Weil die meisten Verbraucher nur ein einziges Mal in ihrem Leben ein Haus bauen und sich dafür zumeist hoch verschulden müssen, sind sie auch besonders schutzbedürftig. Sie bekommen deshalb ein 14-tägiges Widerrufsrecht, wir begrenzen die Höhe der Abschlagszahlungen, und wir fordern detaillierte Baubeschreibungen, damit Verbraucher realistisch vergleichen und sich für das qualitativ beste Angebot entscheiden können. Das führt im Interesse der Verbraucher zu einem fairen Wettbewerb, der über die Qualität statt über den Preis geführt wird. Davon profitieren übrigens auch insbesondere die solide kalkulierenden Bauunternehmen.

Alle Bauverträge, unabhängig davon, ob ein Verbraucher Bauherr ist oder nicht, haben gemeinsam, dass sie auf eine längere Erfüllungszeit angelegt sind. Dieser Tatsache soll vor allem durch die Einführung eines einseitigen Anordnungsrechts des Bestellers Rechnung getragen werden, mit dem zugleich Regelungen zur Preisanpassung und zur rechtlichen Durchsetzung verbunden sind. Wir brauchen einen Dreiklang aus Anordnung, Vergütungsanspruch und zügiger Rechtsdurchsetzung.

Zum größten Knackpunkt, dem Anordnungsrecht: Kaum ein Bauprojekt wird so gebaut, wie es geplant wird. Während der Bauausführung können sich Wünsche und Bedürfnisse verändern. Die geplanten Neuregelungen erleichtern es dem Bauherrn, den Vertragsinhalt – idealerweise im Einvernehmen mit dem Bauunternehmen – an den sich ändernden Bedarf anzupassen. Da eine Einigung nicht immer gelingt, wird das einseitige Anordnungsrecht des Bauherrn eingeführt.

Dabei ist völlig klar, dass das Anordnungsrecht ein scharfes Schwert und auch ein massiver Eingriff in die Vertragsfreiheit ist, und aus diesem Grund äußert die Bauwirtschaft auch deutliche Kritik. Im Interesse der zügigen Abwicklung von Bauvorhaben ist das Anordnungsrecht meines Erachtens jedoch sinnvoll und gerade noch verhältnismäßig. Tatsächlich habe ich den Eindruck, dass gar nicht das einseitige Anordnungsrecht an sich so problematisch gesehen wird – nicht ohne Grund wird es ja in der VOB/B bereits seit vielen Jahren so praktiziert –; vielmehr steht hinter der Kritik die verständliche Befürchtung der Bauunternehmer, für ihre Leistungen nicht schnell und ordentlich bezahlt zu werden oder im Streitfall keine zügige Rechtsentscheidung zu bekommen.

Damit komme ich zum zweiten Knackpunkt, zur Frage der Vergütung. Damit der Unternehmer die infolge der Änderung gegebenenfalls geschuldete Mehrleistung nicht ohne Vergütung erbringen muss und um ihn vor Liquiditätsengpässen zu schützen, kann er eine 80-prozentige Abschlagszahlung, basierend auf seinem ursprünglichen Angebot, fordern. Dahinter steht die Idee, dass der Unternehmer zumindest einen Teil der geschuldeten Mehrvergütung auf jeden Fall zügig erhalten soll.

Allerdings stellt sich die Frage, wie erreicht werden kann, dass das ursprüngliche Angebot des Unternehmers angemessen ist. Der vorangegangene Einigungsversuch ist ja gerade deswegen gescheitert, weil dem Bauherrn die Preisvorstellung des Unternehmers zu hoch war. Hier müssen wir noch Regelungen finden, die zu einem angemessenen interessengerechten Ausgleich führen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Aber Sie sind stets eingeladen, zu applaudieren.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Herr Kollege Hoppenstedt, jetzt haben wir ein Problem!)

Schönen Dank!

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Linke ist aufgewacht! – Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN)

– Das sollten Sie öfter tun, bei der Union zu applaudieren.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Das war nicht fair!)

Dritter Diskussionspunkt ist die Frage der zügigen Streitbeilegung. Jeder Tag Stillstand auf der Baustelle kostet viel Geld. Längere Streitigkeiten sind für private Häuslebauer kaum finanzierbar. Aber auch für kleine und mittelständische Bauunternehmen und Bauhandwerker sind langwierige und kostenintensive Streitigkeiten ein Insolvenzrisiko. Deswegen muss die Rechtsdurchsetzung schneller werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Aufgewacht!)

Ich bin skeptisch, ob der im Gesetzentwurf geübte Verzicht auf die Erforderlichkeit der Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes in einer einstweiligen Verfügung nun so unbedingt der große Wurf ist.

Hinzu kommt: Verfahren in Bau- und Architektensachen sind extrem komplex. Selbstverständlich sind alle unsere Richterinnen und Richter exzellente Juristen. Aber nicht alle können logischerweise automatisch Bauvertragsrechtsexperten sein; wie auch? Es bleibt damit unsicher, ob der Richter am Landgericht, bei dem der Antrag auf einstweilige Verfügung landet, in kurzer Zeit den Streitgegenstand sachgerecht entscheiden kann, insbesondere dann, wenn das Landgericht gar keine Baukammern eingeführt hat.

Die Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht hat deshalb zur schnellen und effizienten Streitbeilegung die Einführung einer sogenannten Bauverfügung empfohlen. In einem beschleunigten vorläufigen gerichtlichen Erkenntnisverfahren würden die Streitigkeiten kurzfristig geklärt. Zur Entscheidung berufen wären in jedem OLG-Bezirk besonders qualifizierte Richterinnen und Richter. Ich halte diese Idee zumindest für bedenkenswert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich komme nun zum zweiten Teil des Gesetzentwurfs, zur kaufrechtlichen Mängelgewährleistung. Mit dem Gesetzentwurf verbessern wir die Rechtsstellung der Handwerker und der sonstigen Werkunternehmer. Der Verkäufer einer mangelhaften Sache, die bestimmungsgemäß verbaut worden ist, ist künftig im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, entweder deren Ausbau sowie den Einbau einer mangelfreien Sache selbst vorzunehmen oder die entsprechenden Kosten zu tragen. Da der Verkäufer den betreffenden Produktfehler regelmäßig ebenfalls nicht zu vertreten hat, bekommt er eine Regressmöglichkeit gegenüber seinem Vorlieferanten.

Ziel meiner Fraktion ist es, die ungerechte Haftungsfalle für Handwerker zu beseitigen, aber zugleich auch den berechtigten Interessen anderer Branchen, insbesondere des Handels, des produzierenden Mittelstandes sowie der Industrie, Rechnung zu tragen. Bei dieser Zuweisung von Haftungsrisiken geht es darum, dass im Regelfall derjenige die Kosten zu tragen hat, der für den Produktmangel verantwortlich ist. Deshalb legen wir im Hinblick auf abweichende Vertragsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen fest, dass ein Ausschluss oder eine Begrenzung dieser Haftung gegenüber Verbrauchern unwirksam ist. Dies wird aufgrund der Indizwirkung des § 309 BGB grundsätzlich auch für allgemeine Geschäftsbedingungen gelten, die gegenüber Unternehmern verwendet werden.

Dem Handwerk geht das aber nicht weit genug. Es möchte darüber hinaus die vorgeschlagene Regelung zusätzlich AGB-fest machen, das heißt, eine ausdrückliche Regelung haben, nach der der Verkäufer auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr keine Klausel in seine AGB aufnehmen darf, die seine Nacherfüllungspflicht auf die Lieferung einer mangelfreien Sache begrenzt.

Unser Koalitionspartner steht laut einer Pressemitteilung vom 31. Mai dieses Jahres, also vor kurzer Zeit, diesem Anliegen aufgeschlossen gegenüber und stellt sich somit gegen den Gesetzentwurf des eigenen Bundesministers.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Soll vorkommen! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Schämt euch!)

So viel fast schon revolutionäres Eigenleben sind wir in letzter Zeit von Ihnen gar nicht gewohnt gewesen. Das kommt nicht unbedingt jeden Tag vor.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundesrat hat sich übrigens Ihrer Forderung angeschlossen. Heiko Maas hat diese Forderung in seiner Stellungnahme und Erwiderung abgelehnt. Ich muss sagen: Wo der Mann recht hat, hat er recht.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Welcher? Er oder ich?)

Auch der Handel, der produzierende Mittelstand und die Industrie sprechen sich dagegen aus, die Forderung des Handwerkes und des Bundesrates aufzugreifen.

Nachdem die Beseitigung der Haftungsfalle für Handwerker ein Anliegen ist, das auf Initiative der Union in den Koalitionsvertrag hineingekommen ist – das darf ich in aller Bescheidenheit anmerken –,

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das habe ich aber anders in Erinnerung!)

verstehen wir ganz gut, dass die Kollegen von der SPD versuchen, beim Handwerk wieder Boden gutzumachen, und sich deswegen der Forderung nach AGB-Festigkeit anschließen. Aber das ist rechtsdogmatisch leider der falsche Weg und rechtspolitisch überflüssig.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ihre eigenen Leute wollen das doch!)

Das ist spätestens dann zu erkennen, wenn man sich das von Sigmar Gabriels Wirtschaftsministerium herausgegebene Ergebnispapier der AG „Rechtliche Rahmenbedingungen“ der Plattform Industrie 4.0 anschaut. Darin steht, dass die ausufernde Anwendung von AGB-rechtlichen Restriktionen im B2B-Bereich, also innerhalb der Wirtschaft, kritisiert wird. Die Industrie erwartet deshalb negative Auswirkungen auf die Attraktivität des deutschen Rechts im grenzüberschreitenden unternehmerischen Geschäftsverkehr und damit Schaden für den deutschen Wirtschaftsstandort insgesamt.

Meine Damen und Herren, im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, dass Handwerker nicht pauschal auf den Folgekosten von Produktmängeln sitzen bleiben sollen. Das heißt umgekehrt aber nicht, dass Unternehmer und auch Handwerker Verbrauchern pauschal gleichgestellt werden sollten. Es gibt zweifelsfrei viele schutzwürdige Unternehmen. Für die gilt die Indizwirkung. Wegen der besonderen Interessen und Bedürfnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs kann eine entsprechende Klausel zwischen Unternehmern jedoch im Einzelfall ausnahmsweise als angemessen angesehen werden und zulässig sein. Mit der geplanten Regelung wird der kleine Handwerksbetrieb ausreichend geschützt.

Es müssen aber bei der Bewertung der AGB-Klauseln die besonderen Verhältnisse des unternehmerischen Geschäftsverkehrs zumindest im Einzelfall möglich bleiben. Es wäre doch beispielsweise absurd, wenn ein Restpostenhändler, der Fliesen aus Insolvenzmassen zu einem Spottpreis verkauft, die Übernahme der Aus- und Einbaukosten nicht abbedingen und von seinem Käufer in Regress genommen werden könnte, obwohl er selbst aufgrund der Insolvenz seines Lieferanten diese Regresskette ja nicht nutzen kann.

Deswegen setzt sich die Union dafür ein, dass zumindest ein gewisses Maß an Gestaltungsspielraum, das heißt Vertragsfreiheit, erhalten bleibt. Zugleich halten wir gegenüber den Handwerkern Wort und lassen sie bei den Aus- und Einbaukosten nicht im Stich.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Doch, genau das machen Sie!)

Alles in allem ist der von Ihnen, Herr Minister Maas, vorgelegte Gesetzentwurf eine gute Diskussionsgrundlage. Ich möchte den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses, die dafür gearbeitet haben, einmal danken. Jetzt kommt es darauf an, dass wir in diesem Hohen Haus ein gutes Gesetz daraus machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Christian Kühn, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6910494
Wahlperiode 18
Sitzung 177
Tagesordnungspunkt Reform des Bauvertragsrechts
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