10.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 177 / Tagesordnungspunkt 30

Stefan KaufmannCDU/CSU - Deutsch-Indische Bildungskooperation

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Aus aktuellem Anlass darf ich als Obmann zunächst dem Sprecher der CDU/CSU-Fraktion für Bildung und Forschung ganz herzlich zum heutigen Geburtstag gratulieren. Lieber Albert, ich denke, das tue ich auch im Namen des ganzen Hauses.

(Beifall)

Indien ist ein Land der Extreme, aber auch extrem spannend. Auf der einen Seite ist es ein Hightechland auf Weltniveau mit erfolgreichen Raketensystemen, einer eigenen Raumfahrtagentur und rund 700 000 ITlern in einer Stadt wie Bangalore, auf der anderen Seite finden sich dort Armut – 30 Prozent der Menschen in Indien leben von weniger als 1,25 Dollar pro Tag –, Schmutz und heilige Kühe auf den Straßen. Dritte Welt! Es ist also ein Land der zwei Geschwindigkeiten. Das ist meine Kurzbeschreibung unserer sehr harmonischen Delegationsreise nach Indien im letzten Jahr, die unserem Antrag heute ja auch zugrunde liegt.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Erkenntnisse!)

Wie viel Potenzial in diesem Land steckt, kann man sehr gut an einer Zahl ablesen: Weniger als 5 Prozent aller Personen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, verfügen nach Regierungsangaben über eine berufliche Qualifikation. Für die jährlich rund 12 Millionen jungen Menschen, die neu auf den Arbeitsmarkt kommen, gibt es bisher lediglich rund 4,5 Millionen Ausbildungsangebote, die zumeist von äußerst geringer Qualität sind.

Genau hier kommen wir ins Spiel, Deutschland als Land des Mittelstandes. So heißt denn auch die neue Strategie der indischen Regierung „MIIM“, also „Make in India Mittelstand“.

Warum ist Deutschland als Partner so wichtig für Indien? Deutschland ist der größte Handelspartner Indiens innerhalb der EU, doch gewünscht ist von indischer Seite noch viel mehr, wenn es nach der Regierung Modi geht. Das wurde auch vorgestern beim Deutsch-Indischen Wirtschaftsdialog noch einmal deutlich. Deshalb gibt es seit dem Frühjahr speziell für deutsche Unternehmen einen sogenannten „Fast track to India“.

Es gibt in Indien sechs Goethe-Institute. Derzeit nehmen dort jährlich etwa 17 000 Personen an Deutschkursen teil, und außerdem wird an zahlreichen Schulen in Indien die deutsche Sprache unterrichtet.

Im Wintersemester 2014/15 waren rund 11 860 indische Studierende an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Das entspricht einer Steigerung um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl deutscher Studierender an indischen Hochschuleinrichtungen wird auf etwa 1 000 geschätzt. In Deutschland bilden über 1 000 indische Doktoranden die zweitgrößte Gruppe ausländischer Promotionsstudenten direkt nach der chinesischen. Das Potenzial für den Ausbau der Zusammenarbeit ist also riesig.

In einem Bereich sind die Beziehungen zu Indien besonders eng, nämlich in der Forschung. Für Indien ist Deutschland weltweit der zweitwichtigste Forschungspartner hinter den USA. Die indische Wissenschaft genießt auch in Deutschland einen exzellenten Ruf. Ich darf nur den Bereich Biotechnologie nennen.

Im Jahr 2014 haben beispielsweise über 800 indische Wissenschaftler an Forschungsaufenthalten an Max-Planck-Instituten teilgenommen. Die Max-Planck-Gesellschaft unterhält gleich zwei deutsch-indische Forschungseinrichtungen, das Indo-German Max Planck Center for Computer Science und das Max Planck Center on Lipid Research am National Center of Biological Sciences in Bangalore. Das Erstere haben wir übrigens auf unserer Delegationsreise besucht.

Dann gibt es dort seit 2012 das Deutsche Wissenschafts- und Innovationshaus in Delhi. 15 Konsortialpartner werden dort unter einem Dach zusammengeführt. Sie erleichtern indischen und deutschen Wissenschaftlern sowie Studierenden den Aufbau von Kontakten und erhöhen vor allem die Sichtbarkeit Deutschlands als Wissenschafts- und Forschungsstandort. Seit 2012 fanden laut eigenen Angaben des DWIH rund 50 000 direkte Kontakte mit Wissenschaftlern und Studierenden dort statt. Weltweit gibt es im Übrigen nur sechs dieser DWIHs. Auch dies unterstreicht den großen Stellenwert der Forschungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Indien.

Weiterhin unterhält Deutschland sein weltweit einziges bilaterales Forschungsförderzentrum, das Indo-German Science and Technology Centre in Gurgaon – das ist in der Nähe von Delhi –, das wir auch in unserem Antrag explizit erwähnen. Es wird von Deutschland und Indien zu gleichen Teilen mit bisher jährlich 2 Millionen Euro und ab dem nächsten Jahr mit 4 Millionen Euro finanziert. Es fördert bilaterale, anwendungsorientierte Forschungsprojekte unter Einbeziehung von Unternehmen auf beiden Seiten und ist deshalb, so finden wir, ein vorbildliches Projekt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Umgekehrt ist Indien auch an mehreren Großforschungseinrichtungen in Deutschland maßgeblich beteiligt; Sie wissen das. Der indische Beitrag zum multinationalen Teilchenbeschleuniger FAIR in Darmstadt beträgt rund 30 Millionen Euro. Das ist ein stattlicher Betrag. Auch in Nutzungsrechte des Teilchenbeschleunigers DESY in Hamburg hat Indien erheblich investiert. Schließlich ist Indien an ITER als einer von sieben Partnern mit 9 Prozent maßgeblich beteiligt.

Im November 2012 hat das Fraunhofer-Institut ein erfolgreiches Marketing-Office in Bangalore eröffnet, das Projekte in Millionenhöhe für die deutsche Wirtschaft akquiriert. Übrigens gibt es in Bangalore – deshalb waren wir dort gewesen – etliche große Forschungszentren deutscher Konzerne. Bei unserem Besuch konnten wir uns von der hohen Qualität von Wissenschaft und Forschung persönlich überzeugen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wie eng die Forschungszusammenarbeit mit dem Subkontinent ist und vor allem auch wie wichtig sie ist. Deshalb möchte ich jetzt nur drei Forderungen aus unserem Antrag hervorheben, die mir besonders wichtig sind.

Erstens. Wir müssen alles daransetzen, dass wir den Studierenden- und Wissenschaftleraustausch mit Indien weiter intensivieren. Da sind DFG, AvH und DAAD gefordert. Dies ist schon deshalb erfolgsträchtig, weil die Unterrichts- und Landessprache Englisch ist und damit auch die Verständigung im Alltag unkompliziert ist.

Zweitens. Ich habe die Zahlen bereits genannt: Wenn nur etwa 5 Prozent der Bevölkerung über eine berufliche Qualifikation verfügen, ergibt sich hier ein enormes Potenzial. Dementsprechend müssen wir die duale Ausbildung in Indien insgesamt und besonders die Ausbildung von Facharbeitern fördern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Regierung Modi will bis 2022  500 Millionen Inder beruflich qualifizieren, ein wirklich gigantisches Projekt. Mein Kollege Thomas Feist wird mit Sicherheit zu diesem Aspekt im Detail noch etwas sagen.

Drittens. Wir sollten für eine ausreichende räumliche Ausstattung der deutschen Schule in Neu Delhi sorgen. Denn was bringt die Finanzierung von Lehrkräften und auch das enorm wachsende Interesse an der deutschen Sprache, wenn die Räume nicht da sind, um die jungen Menschen zu unterrichten?

(Beifall des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zusammenfassend bin ich davon überzeugt, dass der indische Subkontinent als größte Demokratie der Welt mit seiner demografischen Entwicklung, seinem enormen Potenzial und auch dem großen Hunger auf Bildung und Fortschritt ein besonders enger Partner für Deutschland sein muss. Das hat übrigens auch die Bundesregierung richtig erkannt, wie erst jüngst bei den Regierungskonsultationen gezeigt wurde. Wissenschaft und Forschung spielen dabei eine ganz zentrale Rolle. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam weitergehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und vielen Dank auch an die Kollegen, dass wir diesen Antrag hier gemeinsam geschrieben haben und auch die Reise so harmonisch verlaufen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke hat die Kollegin Rosemarie Hein das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6910560
Wahlperiode 18
Sitzung 177
Tagesordnungspunkt Deutsch-Indische Bildungskooperation
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