10.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 177 / Tagesordnungspunkt 29

Armin SchusterCDU/CSU - Bundespolizeibeauftragtengesetz

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Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben den vorliegenden Gesetzentwurf natürlich intensiv gelesen. Ich habe ihn geradezu studiert. Für mich als ehemaligen Polizisten ist das ein hochinteressantes Thema. Es gibt allerdings nicht gerade wenige handwerkliche Mängel. Auf diese werden meine Kollegen später wahrscheinlich noch gebührend eingehen. Ich möchte eher ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu dieser Idee machen. Der Umgang mit Beschwerden von Bürgern oder internen Beschwerden ist ein sehr relevantes Thema; das gestehe ich zu.

Ich möchte dazu folgende Punkte anmerken. Frau Mihalic, Sie haben gesagt, dass wir eine Kontrolle des Gewaltmonopols brauchen, und haben einen Vergleich mit dem Wehrbeauftragten gezogen. Dieser hatte und hat eine völlig andere Funktion. Die Stelle des Wehrbeauftragten ist aus einer Innenperspektive heraus eingerichtet worden, sozusagen als Anwalt der Soldatinnen und Soldaten, die verpflichtend Wehrdienst leisten mussten, ob sie wollten oder nicht.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: So ist es! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So soll der Polizeibeauftragte auch verstanden werden!)

Das war nach innen gerichtet. Der Wehrbeauftragte nimmt gar keine externen Beschwerden zur Kenntnis; das ist nicht seine Aufgabe. Deshalb hinkt der von Ihnen gezogene Vergleich völlig. Er ist fast irreführend. Das ist Ihrerseits kein gutes Argument.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Ein schlechtes Argument!)

Wenn wir untersuchen, ob wir eine solche Stelle einrichten sollen, müssen wir die Frage beantworten: Brauchen wir ihn wirklich, und welche anderen Beauftragten gibt es schon? Ich habe mir die Mühe gemacht, das einmal aufzulisten:

Erstens, die Personalvertretung. Sie ist sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag ansprechbar; so habe ich es selbst erlebt. Frau Mihalic, aufgrund Ihrer Nähe zur Bundespolizeigewerkschaft nach den letzten Wahlen verstehe ich nicht, dass Sie so misstrauisch sind und offenbar glauben, dass diese ihren Auftrag nicht wahrnehmen können. Die Vertretungen glauben jedenfalls, dass sie das sehr gut können.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die können das auch gut!)

Zweitens gibt es den Dienstweg mit dem Remonstrationsrecht, drittens den Beschwerdeweg, der heute in allen Bundespolizeibehörden an einer eingerichteten Beschwerdestelle endet, viertens Petitionsausschüsse, die es in Land und Bund gibt – ich vermute, dass Günter Baumann noch etwas dazu sagen wird –, fünftens die Innenrevision, über die heutzutage jede Behörde selbstverständlich verfügt, sechstens den Sozialmedizinischen Dienst, siebtens die katholische und evangelische Seelsorge, die es in der Bundespolizei gibt, und zwar sogar sehr breit angelegt, achtens die Gleichstellungsbeauftragte, neuntens die Beauftragte für gleichgeschlechtliche Lebenspartner oder Lebensweisen. Zehntens. Die Bundespolizei hat 2015 eine Vertrauensstelle eingerichtet exklusiv für die Bearbeitung interner und externer Beschwerden.

Frage: Braucht es jetzt einen elften Beauftragten, oder brauchen wir eher einen Lotsen, um bei den zehn Beauftragten durchzublicken?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich mag mich gar nicht in die Rolle eines Präsidenten versetzen, der das managt.

Insofern: Ein Blick in die Realität hilft immer. Es gibt unter 200 Beschwerden pro Jahr bei der Bundespolizei – diese Zahl entnehme ich bewusst Ihrem Gesetzentwurf; ich glaube, Sie schreiben dort von 182 Beschwerden – bei – jetzt nehme ich wieder eine für Sie günstige Zahl – 2,5 Millionen Kontrollen, bei denen in jedem Fall ein Bürger betroffen ist. Wenn Sie, wie es die Profis tun, 200 Beschwerden und 2,5 Millionen Kontrollen, also Bürgerkontakte, ins Verhältnis setzen, dann kommen Sie auf eine Zahl von 0,00014 Prozent Beschwerden. Jede Organisation in Deutschland wäre begeistert, wenn sie eine solche Beschwerdequote hätte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist ein unglaublich guter Wert.

Die vor einem Jahr eingerichtete Vertrauensstelle bei der Bundespolizei hat bis jetzt 40 Fälle – Sie haben mit dem, was Sie in dieser Diskussion gesagt haben, nicht unrecht – bekommen, 10 davon mit strafrechtlicher Relevanz, einige davon mit Disziplinar- und Folgemaßnahmen. Auch das hat sich bereits bewährt.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erfährt niemand!)

Mein Fazit. Im Ziel sind wir uns einig: bürgernahe Polizei, rechtskonforme hohe Qualität, vor allem bei Eingriffen. Im Weg sind wir uns nicht einig, vielleicht kann man auch sagen: noch nicht einig. Wir haben keinen Beschwerdenotstand. Wir haben keine überbordenden Missstände in den Behörden.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon spricht auch keiner!)

Wir haben eher das Gegenteil, und trotzdem wählen Sie eher den Weg des Misstrauens. Ich zitiere einmal aus Ihrem Gesetzentwurf:

Gerade in angespannten Situationen kann es dazu kommen, dass im Bürgerkontakt gesetzliche Grenzen überschritten, unverhältnismäßige Gewalt ausgeübt, Menschenrechte verletzt oder einzelne Bürgerinnen und Bürger – häufig im öffentlichen Raum – diskriminiert oder unangemessen behandelt werden.

Ich würde Ihnen gerade in dieser Zeit nicht empfehlen, so über Polizeibeamte in Deutschland zu reden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben gerade jetzt angesichts dieser geringen Beschwerdezahlen viel mehr Vertrauen und viel mehr Zuspruch verdient, gerade aus diesem Haus heraus. Deswegen wähle ich eigentlich lieber den Weg des Vertrauens.

Jetzt muss ich fachlich werden – ich will gar nicht politisch argumentieren –: Qualität – die zu wollen, darin sind wir uns so etwas von einig; das können Sie sich gar nicht vorstellen – erzeugt man immer von innen heraus. Qualität kann man nie von außen „erprüfen“. Deshalb lassen Sie uns die 2 Millionen Euro, die Ihr Vorhaben kostet – diese Zahl wird in Ihrem Gesetzentwurf genannt –, lieber dafür investieren, dass sich unsere Behörden aus ihrer inneren Kraft heraus so aufstellen, dass Beschwerden von Bürgern und Beschwerden von Polizeibeamten in den Arbeitsprozessen der Behörden systematisch und professionell behandelt werden.

Ich sage Ihnen auch, wo ich eine Lücke sehe: Wir haben noch keine Beschwerdestimulation – richtig. Der Prozessschritt – wie stimuliert man eigentlich so, dass sich Bürger beschweren? – fehlt. Aber ich möchte, dass die Behörden selbst diesen Schritt einleiten. Ich möchte nicht, dass er von Fremden vollzogen wird. Das würde nicht mehr Qualität erzeugen. Folglich lehnen wir den Gesetzentwurf ab, finden aber die Diskussion, die Sie damit angestoßen haben – sie kann von mir aus gerne öfter geführt werden –, richtig. Wir müssen in jedem Fall die Kontrolle darüber behalten, wie es mit den Beschwerden aussieht. Im Moment sieht es auf jeden Fall gut aus, weil sie so gering sind.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Frank Tempel, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6910672
Wahlperiode 18
Sitzung 177
Tagesordnungspunkt Bundespolizeibeauftragtengesetz
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