Frank TempelDIE LINKE - Bundespolizeibeauftragtengesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grünen haben einen Vorschlag der Humanistischen Union aufgegriffen, der die Einsetzung eines parlamentarischen Polizeibeauftragten als unabhängige Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger und für Polizistinnen und Polizisten gleichermaßen vorsieht. Auch die Linke hat den Vorschlag der Humanistischen Union aufgegriffen und die Arbeit an einem solchen Gesetzentwurf aufgenommen. Er ist übrigens im Wesentlichen fertig. Dazu komme ich gleich noch.
Die entscheidende Frage ist – Herr Schuster, Sie haben sie auch gestellt –: Brauchen wir so etwas? Braucht der Bürger eine Beschwerdestelle, wo er doch zum Beispiel die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde oder auch einer Strafanzeige gegen Polizeibeamte bei möglichem Fehlverhalten hat? Auch berechtigt ist die Frage: Was bedeutet eine solche Stelle für Polizeibeamte? Bedeutet die Einrichtung einer solchen Stelle grundsätzliches Misstrauen, wie es die Polizeigewerkschaft und auch Herr Schuster vermuten, oder nutzt diese Stelle Polizeibeamten sogar?
Meine Damen und Herren, ich bin selbst Polizist, und ich weiß, dass Polizeibeamte in unserem Land einen anstrengenden und verantwortungsvollen Dienst verrichten. Ihnen wird ein hoher Ausbildungsstandard vermittelt, und ihnen wird im Rahmen ihrer Einsätze eine erhebliche Belastung abverlangt. Im Verhältnis zum Bürger stehen sie aber auch in einer ganz besonderen Verantwortung. Ihnen wurde das innerstaatliche Gewaltmonopol übertragen, und dieser ganz besonderen Verantwortung muss auch in einer ganz besonderen Art und Weise Rechnung getragen werden,
(Beifall bei der LINKEN)
insbesondere wenn wir davon ausgehen, dass da, wo Menschen ihren Dienst versehen, auch menschliches Fehlverhalten auftreten wird – auftreten wird, Herr Schuster; nicht: auftreten kann.
Es muss einfach im Interesse der Polizeibeamten sein, das Vertrauen der Bürger in die Polizei zu stärken. Deswegen muss der Bürger folgende Gewissheit haben: Wenn er sich von der Polizei falsch oder ungerecht behandelt fühlt, kann er im Zweifel auch auf eine unabhängige Stelle zurückgreifen, die sich des Problems annimmt. Er muss sich nicht bei der Polizei über die Polizei beschweren. – Für viele Menschen, Herr Schuster, ist es nun mal keine angenehme Vorstellung, sich bei der Polizei über die Polizei zu beschweren. Das führt nicht selten dazu, dass Beschwerden erst gar nicht erfolgen. Missstände können dann auch nicht abgestellt werden. Das ist der Blick in die Realität.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mir als ehemaligem Polizeibeamten wird niemand den großen Respekt vor der Arbeit meiner Kollegen absprechen können. Ein Generalverdacht gegen Polizeibeamte liegt mir völlig fern. Aber die Bilder vom Vorgehen gegen die Proteste bei Stuttgart 21, Berichte über die Misshandlung von Flüchtlingen durch Bundespolizisten in Hannover und auch viele kleine Vorfälle zwischen Bürgern und Polizisten sagen mir sehr deutlich, dass es auch keinen generellen Heiligenschein für Polizeibeamte gibt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mir schreibt zum Beispiel ein chronisch kranker Mann, der die Erlaubnis hat, Cannabis medizinisch zu verwenden, dass er von der Polizei monatlich mehrfach kontrolliert wird, seit diese das weiß. Er fühlt sich von der Polizei drangsaliert. Für eine Strafanzeige reicht es nicht. Er schreibt mir und erhofft sich Hilfe. Besser wäre es aber, es gäbe eine unabhängige Stelle, die diese Umstände klären und dann auch abstellen kann.
(Beifall bei der LINKEN)
Stattdessen verschließt man die Augen davor und sagt: Es ist immer alles gut.
Ganz nebenbei: Als Reaktion auf die Misshandlung von Flüchtlingen durch die Bundespolizisten in Hannover hat Bundespolizeipräsident Romann in seiner Behörde 2015 eine solche Vertrauensstelle eingerichtet. Das ist wahrscheinlich sogar sehr ehrlich gemeint. Aber Bundespolizisten, die mir geschrieben haben, haben mich gewarnt, einer solchen Stelle, die direkt beim Präsidenten angesiedelt ist, zuzustimmen; wenn Polizeibeamte den Mut aufbringen sollen, interne Missstände aufzudecken, sei dies nur über eine unabhängige Stelle denkbar. – Das, Herr Schuster, haben mir, wie gesagt, Bundespolizisten geschrieben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])
Sehr geehrte Damen und Herren, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, das ist für uns alle im Bundestag ein gemeinsamer Anspruch. Ich denke, mit einer klugen, produktiven und vor allen Dingen offenen Debatte ist das Ende eines jahrzehntelangen Diskussionsprozesses durchaus möglich.
Aber nun zum Entwurf meiner Fraktion. Meine Fraktion hat trotz einiger Unterschiede darauf verzichtet, ihren eigenen, sehr ähnlichen Entwurf hier dazuzulegen. Wir möchten zum Beispiel die Tätigkeit des Beauftragten beim Zoll nur auf polizeilich agierende Zöllner, die auch in Grundrechte eingreifen, beschränken. Nach unserer Auffassung soll der Polizeibeauftragte auch bei internationaler Zusammenarbeit der Polizei zum Tragen kommen. Die Selbstbeschränkung bei Aussagen des Polizeibeauftragten als Zeugen sehen wir ebenfalls kritisch. Aber über all das können wir ergebnisoffen reden, ohne dass wir gleich unseren Entwurf als Konkurrenz zum Entwurf der Grünen dazulegen müssen. Wir können demokratisch auch mal einen Prozess hier beginnen, der zu einem Ergebnis führt
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und an dessen Ende steht, dass der Bundestag die Einsetzung eines parlamentarischen Polizeibeauftragten als unabhängige Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger und für Polizisten und Polizistinnen gleichermaßen beschließt.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Jetzt spricht der Kollege Günter Baumann für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6910673 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 177 |
Tagesordnungspunkt | Bundespolizeibeauftragtengesetz |