Bernhard KasterCDU/CSU - Lobbyistenregister
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich drei Punkte voranstellen.
Erster Punkt. Seit 1972 gibt es öffentliche Anhörungen im Deutschen Bundestag, und seitdem wird im Bundestag eine öffentliche Verbändeliste geführt. Dort sind über 2 200 Interessenvertretungen registriert, immer aktualisiert, transparent sortiert nach Lobbybereichen. Diese Liste ist auch die Grundlage für öffentliche Anhörungen.
Der zweite Punkt, den ich voranstellen will, ist folgender: Transparency International hat bereits im Integritätsbericht 2012 festgestellt – ich zitiere –: „Die Transparenz des Bundestags kann als sehr hoch eingestuft werden.“
Damit komme ich zum dritten Punkt, der im gleichen Zusammenhang steht. Wir haben ja am 11. Mai eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Das Ergebnis dieser öffentlichen Anhörung war, dass es im Bundestag kein Transparenzdefizit gibt. Das haben sogar die Experten, die Sachverständigen bestätigt, die von der Opposition selbst eingeladen wurden. Ich muss feststellen, dass die Anhörung zu diesem Antrag für Sie letztendlich verheerend war.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Da waren Sie auf einer anderen Anhörung!)
Ich konnte den Unmut der Experten verstehen, die bereits öfter zu diesem Thema zu einer Anhörung eingeladen waren und die die Frage gestellt haben: Warum wird in jeder Legislaturperiode über fast identische Anträge diskutiert, ohne dass bei der x-ten Auflage nicht einmal längst bekannte Kritik auch in juristischer Weise aufgearbeitet wird? – Es sind immer die gleichen Anträge. Jetzt debattieren wir wieder – das sage ich bewusst – diese modrigen Anträge, die niemals aktualisiert worden sind, weil das zur Inszenierung einer Veranstaltung der Fraktion Die Linke gehört.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Unmöglich!)
Lassen Sie mich sagen: Sie bedienen sich einer Mischung gängiger Schlagworte.
(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Gängige Vorurteile!)
Sie malen das Bild eines undurchsichtigen Parlamentes mit von Lobbyisten gesteuerten Abgeordneten. Das ist – das wissen Sie alle – vollkommener Unsinn.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Desinformation ist das!)
Das Fatale dabei ist auch, dass Sie ganz genau wissen, dass das Bild mit der Parlamentswirklichkeit hier im Deutschen Bundestag mit seinen frei gewählten Abgeordneten nichts zu tun hat. Das ist ein Zerrbild, das Sie zeichnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Letztendlich ist es so, dass Sie nur für den Applaus einschlägiger Internetplattformen verschiedener linker Netzwerke solche Anträge stellen. Denn dort wird dieses Bild auch ständig gemalt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ja, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen bei jedem politischen Projekt den öffentlichen Diskurs, die öffentlich zugänglichen Beratungsergebnisse, Drucksachen, Anhörungen, den Diskurs in den Medien. Es geht darum: Wie findet hier Interessensabwägung statt? Das kann man dann auch kritisch beleuchten. Aber wir werden nie zulassen, dass der frei gewählte Abgeordnete, dem der Bürger sein Vertrauen geschenkt hat, öffentlich Rechenschaft darüber ablegen muss, mit wem er wann und wie über was gesprochen hat. Das widerspricht unserem Grundgesetz total und unserem Selbstverständnis als Abgeordnete.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])
Lassen Sie mich an diesem Punkt darauf eingehen, was uns in unseren Auffassungen unterscheidet. Hier komme ich zu der Frage: Welches Selbstverständnis haben wir vom Abgeordneten, von der parlamentarischen Arbeit? Die Garantie des freien Mandates ist Kernbestandteil unseres Grundgesetzes. Ich bin fest davon überzeugt: Es gibt kein freies Mandat ohne Vertrauen in die Mandatsträger. Das muss Grundlage sein. Welches Bild wird hier gezeichnet? Welches Bild vermitteln wir den Menschen, wenn wir beständig selbst öffentlich suggerieren, ohne ein Lobbyregister gäbe es im Parlament Andeutungen von Korruption, Klüngelwirtschaft usw.? Sie bedienen damit Klischees. Aber Sie schüren auch Vorurteile und stellen die Unabhängigkeit der Kolleginnen und Kollegen infrage. Das geht nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])
Meine Damen und Herren, ich finde es schlimm, dass wir immer intensiver darüber reden, wie die Abgeordneten noch lückenloser in ihrer Arbeit beobachtet, reglementiert werden können. Der Begriff „Abgeordnetenwatch“, übersetzt: Abgeordnetenbeobachtung, das führt das freie Mandat in das Absurde. Es geht nicht um Beobachtung und Reglementierung von Abgeordneten. Vielmehr sollten wir auf den Kern unserer Tätigkeit hinweisen: Es geht um die Kontrolle der Regierung durch das Parlament. Hier sind die Begriffe „Kontrolle“ und „Beobachtung“ angebracht. Aber die anderen Dinge führen zu einer Schwächung der Legislative im Verhältnis zur Exekutive.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir sind gewählt, um für die Bürgerinnen und Bürger die Abwägung verschiedenster Interessen vorzunehmen, Interessen, die auf die unterschiedlichste Art und Weise an uns herangetragen werden: Bei mir und den meisten Kollegen fängt das im Regelfall im Wahlkreis an. Dort vor Ort sind Gespräche: mit der Kreishandwerkerschaft, mit einem Unternehmen, mit Gewerkschaftsvertretern. Die nächste Ebene ist das Bundesland. Da bittet zum Beispiel der Landesverband der Steuerberater um ein Gespräch mit den Abgeordneten aus Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen. Hier in Berlin ist es unsere tägliche Arbeit. Bei Telefonaten, Mails und Gesprächen geht es immer um Politik, das heißt um die Wahrnehmung und um die Abwägung von Interessen. Da frage ich einfach: Trauen Sie dabei wirklich den Kollegen und Kolleginnen nicht zu, dass sie jeweils wissen, wer ihr Gesprächspartner ist? Bei der Anhörung ist zudem deutlich geworden, dass schon allein die Abgrenzung, wer denn in diesem Register überhaupt erfasst würde – wenn man es tatsächlich schaffen würde –, ein Riesenproblem wäre.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben in den letzten Jahren unser Mandat schon sehr weit reguliert, man kann auch sagen: eng reguliert. Ich gebe mal Stichworte: Verhaltensregeln, Nebentätigkeiten, Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung. Für all die Einzelmaßnahmen, die wir beschlossen haben, gab es jeweils gute Gründe, oder es gab Einzelfälle, die uns dazu veranlasst haben. Aber lassen Sie mich auch fragen – das gebe ich ganz persönlich zu bedenken –: Wie ist die Wirkung in der Summe?
In gut einem Jahr wird wieder ein Deutscher Bundestag gewählt. Da steht in verschiedenen Wahlkreisen wieder die Frage an: Wer ist künftig bereit, seine persönliche Lebens- und Berufsbiografie für vier, acht oder zwölf Jahre zu unterbrechen, um dem eigenen Land, der eigenen Heimat zu dienen und sich zu engagieren? Auf welche Arbeitsbedingungen trifft er denn hier im Deutschen Bundestag?
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Sie können einem ja richtig leidtun!)
Es geht um die Frage, welche Vorstellung man von einem Parlament hat: Wen möchte man hier sitzen haben? Ich könnte jetzt viel dazu sagen, wie unterschiedlich die Berufsstrukturen in den verschiedenen Fraktionen sind.
Wir stellen uns schon die Frage: Welche Arbeitsbedingungen finden wir vor? Wieweit ist Vertrauen da? Wieweit sind Reglementierungen notwendig? Das hat etwas mit dem Selbstverständnis des Abgeordnetenmandates zu tun. Da kann durchaus die Frage gestellt werden, was zum Beispiel einen Selbstständigen motiviert – oder andere Menschen, die fest im Berufsleben stehen –, das Wagnis einer Wahl und des freien Mandates auf sich zu nehmen, wenn er beispielsweise weiß, dass er in der Konsequenz Ihres Antrages künftig ständig Gesprächsnotizen festzuhalten hat – mit wem er wo über was gesprochen hat.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch! Das steht doch gar nicht im Antrag!)
– Das steht nicht im Antrag. Es ist aber die Konsequenz daraus. Darüber wurde auch so in der Anhörung gesprochen. Es gibt ja bei Ihnen Kolleginnen und Kollegen, die das so praktizieren, was nicht zu kritisieren ist. Aber Sie möchten das als Zielrichtung für das Parlament vorgeben. – Ein weiteres Beispiel: Ein Abgeordneter muss damit rechnen, dass er aufgrund des Bruttoumsatzes auf seinem Bauernhof als Topverdiener angeprangert wird. All das sind Regelungen, die wir schon haben und die alle ihren Sinn machen; aber ihre Wirkung ist manchmal fraglich.
Lassen Sie mich abschließend sagen: In den letzten Wahlperioden hat jeder Bundestag das Mandat ein Stück weiter reglementiert. Lassen Sie mich die Sorge äußern: Zumindest mir macht das im Hinblick auf die Entwicklung des Parlamentes durchaus Sorgen. Wir sollten das bitte in Gänze im Auge behalten. Auch Ihr Antrag, Ihre Initiative würden weiter in eine solche Richtung führen. Haben wir Vertrauen ins freie Mandat!
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Aber kein blindes!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])
Vielen Dank. – Dr. Petra Sitte ist jetzt die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6910734 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 177 |
Tagesordnungspunkt | Lobbyistenregister |