10.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 177 / Tagesordnungspunkt 31

Sonja SteffenSPD - Lobbyistenregister

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen!

Mal eben was im Bundestag regeln? Kurz beim zuständigen Ausschussvorsitzenden anklopfen und ein Anliegen vorbringen?

So beginnt ein Artikel der Süddeutschen Zeitung aus dem Februar 2016 mit der Überschrift „Durch die Hintertür“.

(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Lesen Sie lieber die Welt! )

Zahl und Namen der Lobbyisten hat die Bundestagsverwaltung nach einem entsprechenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vor einiger Zeit veröffentlicht, und im Februar 2016 hat der Ältestenrat des Deutschen Bundestages beschlossen, dass Unternehmensvertreter zukünftig keine Hausausweise mehr bekommen. So einfach durch die Hintertür sind die Dinge heute nicht mehr. Das bedeutet, dass die Ausgabe von Dauerausweisen, mit denen man sich früher im Bundestag frei bewegen konnte, inzwischen sehr stark eingeschränkt worden ist. Man muss sich in ein offizielles Lobbyistenregister eintragen lassen, und man muss einem Verband angehören.

Ich zitiere jetzt mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, Herrn Hackmack, den Geschäftsführer von abgeordnetenwatch.de . Er ist nicht unbedingt immer ein Befürworter der Arbeit des Deutschen Bundestages und schaut sehr kritisch auf die Dinge. Er sagt zu dieser Entscheidung des Ältestenrates:

Dass die Lobbyisten von Rüstungs- und Autokonzernen zukünftig nicht mehr nach Belieben im Bundestag ein und aus gehen können, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer transparenten und sauberen Politik.

Die SPD-Fraktion begrüßt diesen Beschluss des Ältestenrates daher ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD)

Damit ist jedoch der Forderung der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen noch nicht entsprochen. Wir diskutieren ja heute über Anträge zur Einführung eines verbindlichen Lobbyistenregisters, und hierbei geht es eben nicht nur um Dauerausweise; denn egal ob mit oder ohne Hausausweis, es wird immer Lobbygespräche geben. Sie sind uns übrigens – das haben Herr Kaster und übrigens auch Frau Sitte schon gesagt – sehr wichtig, und sie sind im Übrigen für alle Abgeordneten wichtig. Das Grundgesetz erlaubt jedem, seine Interessen zu vertreten. Kein Interesse wird ausgeklammert. Ob es um die Position der Umweltorganisationen geht, um wirtschaftliche Standpunkte von Unternehmen oder um Auffassungen von Sozialträgern, spielt aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Rolle. Unsere Demokratie lebt vom freien Austausch der Gedanken und vom Interessenausgleich, und das gilt für diesen Bundestag erst recht.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bernhard Kaster [CDU/CSU])

Mir ging es in den letzten Tagen genauso wie Ihnen allen: Ich habe verschiedene Gespräche geführt; ich lege sie hier gerne offen. Meine Gesprächspartner kamen von der IHK Mecklenburg-Vorpommern, von Verdi, von der Impfallianz Gavi. Glauben Sie mir, diese Gespräche und der Austausch, den sie ermöglichen, sind extrem wichtig, sowohl für diejenigen, die etwas von uns erwarten bzw. ihre Anliegen vorbringen wollen, als auch umgekehrt für uns. Wir informieren uns in dieser Hinsicht gerne. Daher wird sich über Sinn und Zweck dieser Gespräche niemand große Sorgen machen müssen.

Im Übrigen finde ich es ganz schade, dass der Begriff des Lobbyisten und des Lobbyismus so sehr verbrannt ist. Das meinen übrigens auch die sogenannten Lobbyisten selber. Auch ich war in der Anhörung am 11. Mai, und wir haben alle gehört, dass auch die Lobbyverbände dort gesagt haben, sie wünschen sich ein verbindliches Lobbyistenregister.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Denn mit einem verbindlichen Lobbyistenregister, Herr Kaster, wäre unserer Meinung nach viel getan. Dann käme nämlich endlich der Lobbyismus aus seiner Schmuddelecke heraus.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nun einmal um nichts Geringeres als das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das staatliche Handeln und um Transparenz als wichtiges Argument dazu.

Ich meine, das tut uns im Übrigen überhaupt nicht weh. Im Gegensatz zu dem, was unsere Koalitionskollegen äußern, geht es nicht darum, dass wir sozusagen die Hosen runterlassen, dass wir uns für alle Gespräche, die wir führen, öffentlich rechtfertigen müssen,

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Natürlich!)

sondern es geht genau um die andere Seite: Es geht nur darum, dass die Lobbyverbände ihre Anliegen und ihre Hintergründe offenlegen müssen. Das hat also mit einem Nackigmachen des Parlamentariers wirklich nichts zu tun.

Aber ich gebe zu, es gab auch kritische Stimmen in der Anhörung. Ich habe die Wucht nicht so empfunden wie Sie; Sie hatten vorhin gesagt, das war verheerend für das Team, das für ein verbindliches Lobbyistenregister ist. Ich habe es anders vernommen, aber wir haben auch die kritischen Stimmen gehört, und ich kann mir vorstellen, dass meine Kollegin gleich auch auf einen solchen Punkt eingehen wird. Das betrifft beispielsweise die Offenlegung von finanziellen Dingen. Da, denke ich, müsste man wirklich noch einmal schauen, ob das möglicherweise zu sehr in das Recht der informationellen Selbstbestimmung eingreift. Dass das freie Mandat an dieser Stelle betroffen sein soll, sehe ich wirklich nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber die kritischen Argumente gegen ein verbindliches Lobbyistenregister dominieren derzeit – derzeit; man weiß ja nie – noch bei den Koalitionskollegen der CDU/CSU und hindern uns von der SPD-Fraktion, Ihrem Antrag zuzustimmen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Das ist schade, aber es gibt eine Koalitionstreue, und an die halten wir uns.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Eine ganz arme Argumentation ist das! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Freies Mandat!)

Ich möchte an dieser Stelle aber noch einmal ausdrücklich erwähnen, dass sich die Bilanz der Erfolge der Koalition – jetzt lobe ich uns – doch sehen lassen kann. Es ist zwar schon gesagt worden, aber vielleicht noch nicht so deutlich: Wir haben in dieser Legislatur die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung neu eingeführt. Wir haben eingeführt, dass es eine gesetzliche Karenzzeit für den Wechsel von Regierungsmitgliedern in die Wirtschaft gibt. Ich habe eingangs schon gesagt, dass wir die Erteilung von Hausausweisen sehr reglementiert und ihre Zahl sehr stark verringert haben. Ich will an dieser Stelle noch ausdrücklich betonen: Wir von der SPD-Fraktion werden unser Ziel eines verbindlichen Lobbyistenregisters nicht aus den Augen verlieren.

(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Wie lange wollen Sie sich eigentlich noch von der Linkspartei binden lassen?)

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])

Vielen Dank. – Britta Haßelmann ist jetzt die nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6910785
Wahlperiode 18
Sitzung 177
Tagesordnungspunkt Lobbyistenregister
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