10.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 177 / Tagesordnungspunkt 31

Hans-Peter UhlCDU/CSU - Lobbyistenregister

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Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Haßelmann, nach Ihrer aufgeregten Sprache

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Genau!)

und der Art und Weise, mit diesem Thema umzugehen, dass Sie vom legislativen Fußabdruck sprechen, also in der Sprache der Kriminalpolizei, als müssten Sie auf Spurensuche gehen, wo hier im Haus zwischen den Abgeordneten Straftaten begangen worden sind, frage ich mich schon: Was sind das für verwirrte Geister, die hier am Rednerpult stehen?

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es sind undurchdachte Anträge, die Sie hier vorgelegt haben. Es ist immer ärgerlich, wenn man sich mit solchen Anträgen herumschlagen muss, vor allem dann, wenn sie von den Linken und den Grünen in bürgernaher Attitüde vorgetragen worden sind.

Nach den Vorschlägen der Antragsteller ist Lobbyismus offensichtlich etwas ganz Schlimmes.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nein!)

– Doch. – Lobby, das war und ist teilweise noch die Wandelhalle im englischen und im amerikanischen Parlament, in der den Abgeordneten Meinungen und Ansichten von Bürgern vorgetragen worden sind. Daher kommen die Wörter „Lobby“ und „Lobbyisten“.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist so!)

Schon im Altertum kam in der Politik vor dem „parlare“, dem Reden, Frau Haßelmann,

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, man kann auch engagiert reden!)

das „audire“, das Hören. Von „audio“ kommt übrigens das Wort „Audienz“. Der Gedanke „erst hören, dann reden“ gilt auch für die heutige Demokratie.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt lassen Sie doch mal Ihre Arroganz!)

Das freie Mandat – das haben wir in der Anhörung gelernt; Sie hätten da zuhören sollen – hat grundrechtsgleichen Charakter, Artikel 38 Grundgesetz, und ist der Mittelpunkt der gelebten parlamentarischen Demokratie.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gegensatz zu Ihnen war ich die ganze Zeit bei der Anhörung anwesend!)

Wir Abgeordnete, vom Volk gewählt, genießen das Vertrauen der Mehrheit des Volkes. Diesem Vertrauen sollten wir gerecht werden; wir sollten uns nicht kleiner machen, als wir sind. Das Volk hat Vertrauen in uns.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD])

Wir sollten uns auch nicht ohne Not „kriminell“ machen, indem wir vom Fußabdruck reden, den wir oder andere eventuell in den Zimmern hinterlassen haben. Das ist alles dummes Zeug.

Die Linken und die Grünen meinen, dass der Abgeordnete, der von uns wohlverstandene Abgeordnete im Sinne des Grundgesetzes, das ihm Vorgetragene nicht selber einordnen und beurteilen kann. Ich verstehe mein Amt so, dass man mir das Vertrauen gegeben hat, aus den vielfältigen Meinungen, die mir vorgetragen werden – immer aus Partikularinteresse heraus –, das Gemeinwohl herauszuarbeiten und dieses abstrakt in Regelungen und Gesetzen zu formulieren. Das ist unsere Aufgabe, und dafür werden wir bezahlt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU wurde auch für anderes bezahlt!)

Die Menschen haben Vertrauen darin. Das sollte nicht kriminalisiert werden. Deswegen müssen wir die Partikularinteressen aufnehmen, anhören und etwas Vernünftiges daraus machen.

Wenn Sie diese Gespräche, dieses Vortragen von Partikularinteressen durch Interessenvertreter, kriminalisieren,

(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das will doch niemand!)

mit Misstrauen überziehen und „Fußabdrücke“ entdecken wollen, dann wollen Sie Misstrauen säen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absurd!)

Sie wollen, dass die Gesprächspartner online an den Pranger gestellt werden. Das ist Ihre Absicht.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ist das Old School! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Absurd!)

Das Wesensmerkmal der Demokratie heißt Interessenvertretung. Das Wesensmerkmal der Demokratie ist der Wettbewerb der Meinungen. Möglichst viele Interessen und Stimmungen der Gesellschaft sollen aufgenommen werden, und zwar von uns, von niemand anderem, weil wir daraus Gesetze machen sollen.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie die Spenderliste nicht endlich offenlegen?)

Das nennt man responsive Demokratie. Haben Sie davon schon gehört, Frau Sitte?

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja! Aber Sie haben noch nichts vom legislativen Fußabdruck gehört!)

Wer den Prozess der responsiven Demokratie bürokratisch reglementieren will, der sorgt nicht für mehr, sondern für weniger Demokratie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Neben so anmaßenden Einrichtungen wie Abgeordnetenwatch soll es jetzt also eine Informations- und Gesprächswatch geben. Das ist Ihre Absicht. Der Fähigkeit des Abgeordneten zur Einordnung und Abwägung wird nicht vertraut. „ Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ – dieses Schlagwort, das Lenin zugeschrieben wird, wird heute eher scherzhaft benutzt. Es hat aber im Lauf der Geschichte der Unfreiheit, Regulierung und Bevormundung Tür und Tor geöffnet. Das wollen wir nicht.

Meine Fraktion und ich haben Vertrauen in die Urteilskraft der Abgeordneten und Ministerialbeamten. Wir sind auch nicht bereit, an einer Diskriminierung und Stigmatisierung der Menschen mitzuwirken, die für sich, ihre Unternehmen, ihre privaten Interessen oder für ihre NGOs Gedanken, Konzepte und Anliegen vortragen. Das darf nicht diskreditiert werden.

Interessant war in der Anhörung die Antwort auf unsere Frage

(Dagmar Ziegler [SPD]: Auf meine! Das war meine Frage!)

– Ihre Frage; das gebe ich gerne zu –, wer von den Anhörpersonen bei den Anträgen der Grünen und der Linken mitgewirkt haben.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn da enttarnt, Herr Staatsanwalt?)

Die angehörten Personen von Transparency International haben gesagt: Ja, wir haben die Anträge mitgeschrieben. – Dann habe ich gefragt: Halten Sie sich denn für Interessenvertreter, für Lobbyisten? Da mussten sie kleinlaut zugeben: Ja, wir sind insoweit auch Lobbyisten. – Ich wollte schon sagen: Wenn Sie das jetzt nicht zugeben, dann müssten Sie eigentlich zum Psychiater gehen. – Denn ein Mensch, der keine Interessen hat, sollte sich in Behandlung begeben. Jeder Mensch hat Interessen und sollte sie auch offen vortragen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Unterste Schublade!)

Die Antragsteller wollen sich die volksnahe Deutung von Lobbyisten als Negativurteil zunutze machen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendwie wirkt das alles ziemlich hilflos!)

Das Wort „Lobbyist“ hat schon einen schmutzigen Beiklang und kommt fast einer Beleidigung gleich. Auf dieser Klaviatur spielen Sie mit diesen beiden Anträgen.

Natürlich kann die Grenze zwischen legitimer demokratischer Interessenvertretung und illegitimer Einflussnahme überschritten werden; das ist völlig unbestritten. Missbrauch gibt es überall, wo Menschen unterwegs sind. Solche Missstände – zum Beispiel gab es in der Europäischen Kommission Zeiten, wo Vertreter des Bankenverbandes Berater der Kommission waren und ihre Bankenrichtlinie gleich selbst geschrieben haben – muss man offen ansprechen und abstellen; das ist selbstverständlich. Missstände muss man erkennen, und man muss ihnen entgegentreten. Dafür haben wir aber schon Gesetze und Regelungen. Ich nenne stellvertretend § 108e Strafgesetzbuch, in dem wir geregelt haben, dass der Stimmenkauf und -verkauf bei Wahlen und Abstimmungen strafbar ist. Das ist doch selbstverständlich, und dies sollten wir auch offen ansprechen.

Eine Registrierungsbürokratie führt aber keinen Schritt weiter. Sie ist ein Bürokratiemonster und zwingt die Parlamentsverwaltung, die typischerweise eine Serviceverwaltung für uns Abgeordnete ist, zu einer Behörde zur Kontrolle von Abgeordneten zu werden. Das wollen wir nicht, und die Parlamentsverwaltung will es auch nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das ist auch verfassungswidrig! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu welchem Antrag sprechen Sie gerade?)

Das alles ist leerer Aktionismus. Was soll geschehen, wenn sich ein Abgeordneter mit einem Lobbyisten statt im Abgeordnetenbüro in einem Café auf der anderen Straßenseite trifft? Das ist nicht geregelt und auch nicht regelbar. An diesem kleinen Beispiel sehen Sie schon die Unsinnigkeit eines solchen Lobbyistenregisters. Nein, es handelt sich um ein Bürokratiemonster und ist nichts anderes als Aktionismus. Ein solches Register schadet der Demokratie und nutzt ihr nicht. Deswegen lehnen wir die beiden vorliegenden Anträge strikt ab.

Frau Steffen, Sie haben allen Ernstes gesagt – das hat mich verwundert –, dass Sie den Anträgen gerne zustimmen, aber vom Koalitionspartner CDU/CSU daran gehindert würden. Eine Sozialdemokratin, die so spricht, wird bei ihren Wählern Stirnrunzeln verursachen. Die Wähler werden sagen: Dann wählen wir doch gleich lieber die Linke – das ist das Original – statt die SPD. – Lassen Sie in Zukunft solche Anmerkungen. Sie schaden Ihnen mehr, als dass sie nutzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist jetzt die Kollegin Dagmar Ziegler, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6910792
Wahlperiode 18
Sitzung 177
Tagesordnungspunkt Lobbyistenregister
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