Anton HofreiterDIE GRÜNEN - Klimaschutz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Persönlich empfinde ich es als bitter, dass wir die Bundesregierung mit dieser Debatte schon wieder an die Notwendigkeit des Klimaschutzes erinnern müssen. Wir dachten eigentlich, dass wir weiter wären.
Schauen wir uns an, was in der Welt los ist: Extremwetterereignisse in ganz Deutschland, etwa in Niederbayern oder Baden-Württemberg, Hitzewellen in Indien und in anderen Regionen der Welt. Wenn man sich anschaut, welche Auswirkungen die Klimakrise bereits jetzt zeitigt, müssen wir klar sagen: Die Bundesregierung sollte sich endlich an die Arbeit machen und das Klimaschutzabkommen von Paris umsetzen. Die Bundesregierung ist noch immer nicht in der Realität angekommen. Die Bundesregierung ist jetzt dran. Jetzt geht es darum, endlich zu handeln. Handeln Sie endlich im Sinne des Abkommens von Paris!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Bei dem, was hier passiert, hat man den Eindruck, dass der Klimaschutz mal wieder im tristen Ressortdenken dieser Bundesregierung versumpft. Sie führen mal wieder die längst eingeübte und inzwischen ziemlich langweilige Arbeitsteilung vor: Die Frau Bundeskanzlerin glänzt auf internationalen Konferenzen, findet dort warme, zum Teil schöne und zum Teil auch richtige Worte. Das Umweltministerium schreibt schöne Pläne auf. Und das Wirtschaftsministerium, das Verkehrsministerium und das Landwirtschaftsministerium, die diese Pläne in konkrete Politik umsetzen müssten, üben sich darin, diese zu hintertreiben.
Schauen wir uns die einzelnen Ministerien an. Herr Gabriel spielt sich als der Schutzpatron der Kohle, insbesondere der Braunkohle, auf, der schmutzigsten Art, Energie zu erzeugen, und bremst gleichzeitig die erneuerbaren Energien aus. Damit schadet er nicht nur dem Klimaschutz. Damit schadet er auch einem der innovativsten und modernsten Teile unserer Wirtschaft. Das kann so nicht weitergehen. Wir erwarten von der SPD, dass sie da endlich Änderungen durchsetzt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Schauen wir uns die Verkehrspolitik an. Dabei habe ich das Bild vor Augen, wie Herr Dobrindt am Steuer eines Diesel-SUV im Stau irgendeiner seiner Umgehungsstraßen ganz gemütlich vor sich hin döst und davon träumt, wie er der Autoindustrie weiterhin helfen kann, den Dieselskandal zu vertuschen. Auch das kann so nicht weitergehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schauen wir uns den Mobilitätsbereich an. Im Mobilitätsbereich passiert gerade derart viel: Digitalisierung, Elektrifizierung. Dort entstehen neue Konzerne wie Tesla. Wer hätte vor wenigen Jahren geahnt, dass ein neuer Konzern innerhalb von fünf Tagen die Zahl von 300 000 Bestellungen für ein Elektroauto, bei dem man sogar noch 1 000 Euro anzahlen muss, erreichen kann.
Und was macht unser Verkehrsminister? Unser Verkehrsminister erzählt ein bisschen was; unser Verkehrsminister trauert immer noch seiner Ausländermaut hinterher, und unser Verkehrsminister baut ein paar Umgehungsstraßen.
Nein, was wir brauchen, ist eine Gesamtstrategie für den Ausbau des ÖPNV. Wir brauchen eine Gesamtstrategie, um endlich die Bahn flottzumachen, und eine Gesamtstrategie, um die Autoindustrie auf Vordermann zu bringen. Denn wenn die Autoindustrie bei uns hopsgeht, dann haben wir nicht nur ein Problem mit dem Klimaschutz, sondern auch mit den Arbeitsplätzen. Sorgen Sie deswegen endlich dafür, dass dieser Industriezweig versteht, dass nur die Fahrzeuge eine Zukunft haben, die die Gesundheit und das Klima nicht gefährden! Sorgen Sie endlich dafür! Trauen Sie sich endlich da ran!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der dritte Bereich, der in diesem Zusammenhang wichtig ist, ist die Landwirtschaft. Da haben wir einen noch krasseren Fall: Wir haben einen Minister, der sich erst mal schon gar nicht um die Probleme der Bauern kümmert, was ja angesichts der dramatischen Lage der Landwirtschaft und des Milchpreises, der im Keller ist, seine zentrale Aufgabe wäre. Aber er nimmt nicht einmal diese Aufgabe wahr, und man stellt fest: Er erkennt noch nicht einmal, dass der Klimaschutz in seinen Zuständigkeitsbereich fällt, dass Klimaschutz und Landwirtschaft etwas miteinander zu tun haben und dass Landnutzungsänderungen und die Zerstörung von Regenwäldern auch etwas mit der Art und Weise zu tun haben, wie wir hier Fleisch produzieren. Er verleugnet das Problem noch.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir hören immer wieder Argumente wie „Der Klimaschutz gefährdet Arbeitsplätze“. Ich glaube, da ist etwas ganz Grundlegendes nicht verstanden worden. Funktionierender Klimaschutz ist die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Lebensgrundlagen nicht zerstören. Das heißt, Klimaschutz ist eine Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften, Klimaschutz ist eine Grundlage für erfolgreiche Landwirtschaftspolitik, Klimaschutz ist auch eine Grundlage für erfolgreiche Sozialpolitik. Denn die Klimakrise trifft die Ärmsten am härtesten. Insbesondere im globalen Süden sind es die Ärmsten dieser Welt, die als Erste von der Klimakrise betroffen sind und dadurch die größten Schwierigkeiten bekommen.
Damit ist die Klimakrise auch ein Turbo für alle Krisen, die wir weltweit haben, weil nämlich schwache Staaten, Staaten, die ohnehin bereits instabil sind, umso härter getroffen werden, wenn es Überschwemmungen, Trockenkatastrophen und daraus folgende Nahrungskrisen gibt. Das heißt, nicht erfolgender Klimaschutz kostet uns erstens sehr, sehr viel Geld und ist zweitens ein Turbo für alle Krisen auf dieser Welt und eine echte Fluchtursache.
Wenn Sie also wirklich Fluchtursachen bekämpfen wollen, was die Kanzlerin oft angekündigt hat, dann machen Sie endlich erfolgreichen Klimaschutz! Zeigen Sie endlich der Welt, wie es geht! In Deutschland hätten wir die besten Voraussetzungen dafür. In Deutschland haben wir immer noch eine Industrie, die moderne Lösungen für erneuerbare Energien zeigen und Lösungen für moderne Mobilität bieten kann. Wir haben auch Bereiche in der Landwirtschaft, die zeigen, was moderne und nachhaltige Landwirtschaft ist. Sorgen Sie endlich dafür, dass diese Industrien florieren, und hören Sie auf, diesen modernen Industrien Knüppel zwischen die Beine zu werfen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit den Anträgen, die wir vorgelegt haben, zeigen wir auf, was notwendig ist: Wir brauchen einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohle. Es heißt immer, man kann nicht gleichzeitig aus der Atomkraft und der Kohle aussteigen. Es geht darum, dass wir schrittweise, planbar und im Konsens aus der Kohle aussteigen, damit Wirtschaft, Gewerkschaften und Arbeitnehmer wissen, wann welches Kohlekraftwerk vom Netz geht, und damit wir wissen: „Raus aus der Kohle“ ist der Plan. Das ist im Konsens planbar. Wir brauchen einen Plan für die Regionen, die von einem Strukturwandel betroffen sind. Packen Sie das endlich an, statt weiterhin Geld in die Braunkohle zu stecken! Das ist verlorenes Geld. Stecken Sie lieber Geld in das, was wirklich notwendig ist!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Des Weiteren brauchen wir eine moderne Mobilitätspolitik und eine moderne Landwirtschaftspolitik. Diesen Umbau unserer Wirtschaft sind wir unseren Arbeitsplätzen schuldig, aber wir sind es auch, weil es um den Schutz unserer Lebensgrundlagen geht, vor allem unseren Kindern und Kindeskindern schuldig.
Packen Sie es endlich an! Fangen Sie endlich an, zu handeln, statt nur Pläne zu schreiben!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die CDU/CSU-Fraktion erhält der Kollege Andreas Jung das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6946320 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 179 |
Tagesordnungspunkt | Klimaschutz |