Frank SchwabeSPD - Klimaschutz
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Ich glaube, es ist in der Debatte deutlich geworden: Wir sind mittendrin in einem Veränderungsprozess von einer unglaublichen Dimension. Diese Dimension haben wir alle wahrscheinlich noch gar nicht verstanden. Wir verändern unsere Art, Energie zu produzieren. Wir werden in der Tat Industrie anders organisieren, nicht weniger, aber wir werden ganz andere Prozesse brauchen und ganz andere Produkte erzeugen. Wir werden uns anders fortbewegen müssen. Der Verkehr wird sich dramatisch verändern müssen. Wir werden auch dramatische Veränderungen in der Landwirtschaft brauchen, um unsere Klimaziele zu erreichen. In all dem liegen Chancen und Risiken. Es ist unsere Aufgabe, dies zu gestalten.
Es ist völlig klar: Mit der Klimakonferenz in Paris sind diese Prozesse nicht nur in Deutschland, sondern weltweit unumkehrbar geworden. Wir reden über das Jahr 2050, wenn wir über den Klimaschutzplan oder Klimaschutzgesetze reden. Das ist in 34 Jahren; das ist eine enorme Zeit. In dieser Zeit ist manches möglich. Es gibt manche Technologiesprünge, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Trotzdem ist es die Verantwortung von uns allen, hier heute die Grundlage für eine solche Politik bis zum Jahr 2050 zu legen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zwei Dinge sind nach Paris klar geworden. Zwei Prinzipien funktionieren nicht. Das eine ist das Vogel-Strauß-Prinzip, also den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen, dass nichts gewesen ist. Es gibt ein paar, die das so sehen. Ich habe beim Wirtschaftsrat der CDU so etwas gelesen, aber ich nehme an, dass das nicht handlungsleitend für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist.
Das Zweite, das nicht funktioniert, ist, zu sagen: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Man kann nicht über das jubeln, was in Paris erreicht wurde, und am Ende nicht bereit sein, die nationalen Konsequenzen zu tragen. Wenn man eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 2 Grad Celsius – besser noch 1,5 Grad Celsius – will, dann ist es eine Frage der Mathematik, zu schauen, was das für die einzelnen Nationalstaaten heißt, was das zum Beispiel für die Bundesrepublik Deutschland heißt. Ich kann von dem, was Kollege Jung hier vorhin gesagt hat, alles unterstreichen. An einer Stelle würde ich aber ein Stück wegstreichen. Ich glaube, das hast du aber schon richtig intoniert. Du hast gesagt: Wir brauchen eine Reduktion um 95 Prozent. Dann hast du noch hinterhergeschoben: bis 80 Prozent. – Das sind die Ziele, die wir einmal aufgeschrieben haben. Wenn man aber Paris und die Verantwortung Deutschlands ernst nimmt, dann ist völlig klar, dass es mindestens 95 Prozent sein müssen; denn sonst können wir unseren Verpflichtungen nicht nachkommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In der deutschen Klimapolitik haben wir sozusagen mehrere Phasen gehabt. Wir hatten eigentlich immer ganz gute Ziele. Für diese haben wir gemeinsam gestritten, übrigens auch in allen unterschiedlichen Bundesregierungen. Zum Beispiel ist das Ziel von minus 40 Prozent bis zum Jahr 2020 entstanden. Wir hatten auch entsprechende Programme. Sie waren aber manchmal nur mittelgut. Das hat man erkannt, wenn man sie sich im Detail angesehen hat. Miserabel war aber der Prozess der Überprüfung. Er war miserabel, weil es schwierig ist, sich irgendwann einzugestehen, ob wir auf dem Weg zur Erreichung des Ziels auf Linie sind oder nicht.
Deswegen, finde ich, gilt der gesamte Dank des Hauses – ich habe das schon ein paar Mal gesagt; ich kann das nur wiederholen – Ministerin Hendricks, die dafür gesorgt hat, dass wir jetzt endlich Monitoring-Prozesse haben. Ich würde sie Mrs Monitoring nennen.
(Beifall bei der SPD)
Denn das wird, glaube ich, am Ende von dem übrig bleiben, was sie für die deutsche Klimaschutzpolitik erreicht hat.
Jetzt geht es um zwei zentrale Pläne. Das eine ist das Klimaschutzprogramm 2020: minus 40 Prozent. Das andere ist das, was gerade von der Bundesregierung erarbeitet wird: der Klimaschutzplan 2050.
Die Sozialdemokratie hätte sich ein Gesetz vorstellen können. Das stand in unserem Wahlprogramm. Am Ende haben wir uns auf einen Plan geeinigt. Das heißt, am Ende wird der Deutsche Bundestag nicht darüber entscheiden, sondern das wird die Bundesregierung tun. Aber es hilft nichts: Am Ende muss es ein Konzept sein, das den nationalen Zielen gerecht wird. Das wird gerade in der Bundesregierung erarbeitet und im Kabinett wahrscheinlich in Kürze beschlossen.
Unser gemeinschaftliches Signal aus dem Bundestag muss sein: Wir wollen einen Klimaschutzplan, der in der Tat in einzelnen Bereichen Maßnahmen vorsieht, die vielleicht dem einen oder anderen nicht gefallen. Wir wollen aber, dass er sich am Ende am Reduktionsziel von minus 95 Prozent orientiert. Deswegen sind wir partei- und fraktionsübergreifend der Meinung, dass die Ministerin unsere gesamte Unterstützung hat, wenn ein solcher Plan entsprechend aufgelegt wird.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Krischer?
(Heiterkeit bei der SPD – Zuruf von der SPD: Da freut er sich aber!)
Ah ja.
Wenn Sie wollen; das ist Ihre Entscheidung.
Ja.
Herr Kollege Schwabe, herzlichen Dank für die klaren Aussagen, was 2050 angeht. Sie haben aber zwischendurch in einem Satz gesagt, es gehe auch um das Ziel 2020. Die Große Koalition hat gearbeitet. Wir beschließen jetzt noch ein paar Gesetze, die eher in die falsche Richtung gehen, Stichwort EEG morgen. Mich interessiert: Glauben Sie mit Blick auf die Politik dieser Bundesregierung, dass das Klimaschutzziel 2020 bei der großen Lücke, die Sie beschrieben haben, noch erreichbar ist?
Darüber hätte ich ein bisschen länger reden können. Aber die Ministerin hatte ein bisschen überzogen. Da war eine Minute bei mir weg. Aber danke, dass ich das jetzt nachholen darf.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist gar keine Frage des Glaubens, sondern das ist eine Frage der Ziele und der Wege, wie man Ziele erreicht.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erreichen Sie dieses Ziel?)
Natürlich ist das schwierig – das weiß jeder –: Wenn ich sage, das alles sei wunderbar und werde mit Leichtigkeit erreicht, ist das völliger Quatsch. Aber wir haben ein nationales Reduktionsziel, das übrigens schon aus dem Jahr 2007 und ziemlich alt ist. Wir hatten lange Zeit, uns sozusagen diesem Ziel zu nähern. Das ist wahnsinnig schwer zu erreichen. Wenn es aber eine Chance gibt, das zu erreichen, liegt sie darin, jedes Jahr nachzuschauen: Wo sind wir auf dem Weg der Zielerreichung? Dann ist die Gelegenheit, das heftig zu diskutieren. Die Opposition wird Vorschläge machen, aber auch die Bundesregierung muss Vorschläge machen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Halten Sie das Ziel für erreichbar mit dieser Politik?)
Jedes Jahr muss überprüft werden, ob das Ziel erreicht wird. Wir wollen, dass das Ziel erreicht wird. Wenn wir nicht auf dem Weg der Zielerreichung sind, muss es neue Maßnahmen einer Bundesregierung geben, die hier im Bundestag beschlossen werden müssen.
(Beifall bei der SPD – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war noch keine Antwort! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Schwabe glaubt offensichtlich selbst nicht mehr daran!)
Vielen Dank, Frank Schwabe. – Der nächste Redner für die CDU/CSU: Matern von Marschall.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6946428 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 179 |
Tagesordnungspunkt | Klimaschutz |