23.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 179 / Zusatzpunkt 2

Franz Josef JungCDU/CSU - 25 Jahre deutsch-polnischer Vertrag

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Herr Botschafter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Unterzeichnung des Vertrages über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen vom 17. Juni 1991 markiert den Beginn einer neuen Ära in der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen. 25 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag ist eine Erfolgsgeschichte der Versöhnung, der Partnerschaft und der Freundschaft unserer beiden Völker. Deshalb können wir heute dankbar diese Entwicklung zur Kenntnis nehmen.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bei der Unterzeichnung des Vertrages gab es die Hoffnung, dass es so kommen würde. Aber es mussten noch ein paar Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Bundeskanzler Helmut Kohl hat damals wörtlich formuliert – ich zitiere –:

Deutsch-polnische Versöhnung kann nicht durch Regierungen verordnet ... werden. Im Gegenteil, das Werk der Versöhnung kann nur gelingen, wenn unsere beiden Völker sich dazu bekennen, wenn jeder Deutsche und jeder Pole es auch als seine persönliche Aufgabe annimmt. Mit dem Vertragswerk haben die Regierungen das Feld bereitet für gute Nachbarschaft, enge Partnerschaft, freundschaftliche Zusammenarbeit.

Heute können wir feststellen: Die Erwartungen und Hoffnungen wurden erfüllt. Wir haben eine intensive Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen.

Es war ein Akt menschlicher Größe und christlicher Gesinnung, dass Polen jenem Land eine versöhnende Hand gereicht hat, das die Verantwortung für die an Millionen von Polen verübten Verbrechen trägt. Beispielhaft steht dafür der Brief der polnischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder, in dem es heißt: „Wir vergeben und bitten um Vergebung.“ Der Versöhnungsgedanke wurde von vielen Bürgerinnen und Bürgern auf beiden Seiten vorangetrieben. Ich finde, er hat auch in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen seinen Niederschlag gefunden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich will es – gerade im Hinblick auf das, was gerade formuliert wurde – so sagen: Wenn man bedenkt, dass 8 Millionen Menschen Vertreibung erlitten haben, ist es schon zu würdigen, dass 1950 der versöhnende Charakter der Charta vonseiten der Heimatvertriebenen unterstrichen worden ist.

Meine Damen und Herren, der über Jahrzehnte andauernde Prozess der gesellschaftlichen und politischen Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen hat zur Überwindung der Spaltung Europas beigetragen. Wir sind noch heute der Solidarnosc-Bewegung für ihre friedliche Revolution dankbar, die letztendlich die Mauer zwischen Ost und West mit zum Einsturz gebracht hat.

Herr Dr. Jung, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte gern im Zusammenhang vortragen.

Gut. Danke schön.

In diesem Zusammenhang ist auch das positive Wirken des polnischen Papstes Johannes Paul II. positiv zu würdigen. Die Versöhnungsmesse in Kreisau, die dort stattgefundene Umarmung zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und Ministerpräsident Mazowiecki, hat ein deutliches Zeichen des Miteinanders gesetzt.

Heute ist Polen fest in die Europäische Union und in die NATO eingebunden. In ein paar Tagen findet der NATO-Gipfel in Warschau statt. Auch die Einbindung deutscher und polnischer Soldaten in das multinationale Korps in Stettin macht die enge Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern deutlich. Gerade wenn wir in schwierigen Zeiten zum gemeinsamen Handeln aufgefordert sind, ist es wichtig, in Verantwortung, Solidarität und gegenseitigem Verständnis für die Betroffenheit des Partners zusammenzuwirken.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dies gilt beispielsweise im Zusammenhang mit der Militärintervention Russlands in der Ukraine, dem Krieg in Syrien, der Bekämpfung des menschenverachtenden IS-Terrors und den Flüchtlingsbewegungen.

Polen kommt an der EU-Außengrenze eine besondere Rolle zu. Als Mitinitiator der Östlichen Partnerschaft ist Polen ein bedeutender Brückenbauer der Europäischen Union. Polen engagiert sich beispielsweise bei der Unterstützung der Reformprozesse in der Ukraine. Auch die Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland im Rahmen der OSZE ist hier besonders hervorzuheben.

Polen und Deutsche haben im vereinten Europa zu einer engen Partnerschaft gefunden, die auch in Formaten wie zum Beispiel dem Weimarer Dreieck ihren Ausdruck findet. Europa als der Raum des Friedens, der Demokratie und des Rechtes ist das gemeinsame Zuhause beider Nationen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es auch bedauerlich, dass wegen der Situation betreffend das polnische Verfassungsgericht ein Verfahren des EU-Rechtsstaatsmechanismus eingeleitet worden ist. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, dass es hier alsbald zu einer einvernehmlichen Lösung kommt. Es liegt nach meiner Auffassung im Interesse Polens, hier zu einer Lösung beizutragen, damit seine Gestaltungsfähigkeit in Europa wieder gestärkt wird. Wir brauchen Polen in Europa als Problemlöser, nicht als problembehaftetes Land.

Ich denke, die deutsch-polnische Zusammenarbeit wird nicht nur von der Politik auf Bundesebene geprägt. Entscheidend sind auch die Partnerschaften der Länder mit den Woiwodschaften und den Kommunen, aber auch die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Dies bezieht das Deutsch-Polnische Jugendwerk, das Deutsche Polen-Institut und viele andere mehr ein. Dass die kilometerlangen Staus an den Grenzübergängen inzwischen der Vergangenheit angehören, ist für die Bürger mit das augenfälligste Zeichen des Zusammenwachsens unserer Länder.

Wir können heute mit Dankbarkeit feststellen: 25 Jahre deutsch-polnischer Vertrag haben zur Versöhnung, zur Partnerschaft und zur Freundschaft zwischen Deutschland und Polen beigetragen. Lassen Sie uns deshalb alles daransetzen, dass wir weiterhin mit Polen in einem vereinten Europa unsere Zukunft gestalten können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Dr. Jung. – Der nächste Redner für Bündnis 90/Die Grünen: Manuel Sarrazin.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6946549
Wahlperiode 18
Sitzung 179
Tagesordnungspunkt 25 Jahre deutsch-polnischer Vertrag
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta