Stefan HeckCDU/CSU - 25 Jahre deutsch-polnischer Vertrag
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja nie ganz leicht, wenn man der letzte Redner in einer Debatte ist. Es kommt hinzu, dass in dieser Debatte die Europa- und Außenpolitiker die bilateralen Fragestellungen und auch die offenen Fragen umfassender und kenntnisreicher dargestellt haben, als es ein Rechtspolitiker wie ich könnte.
(Beifall des Abg. Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Trotzdem freue ich mich sehr, dass ich heute als Vorstandsmitglied der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe sprechen darf. Mir liegen unser Nachbarland und die deutsch-polnische Freundschaft sehr am Herzen.
Der bescheidene Beitrag, den ich am Ende dieser Debatte beisteuern kann, ist zugegebenermaßen eher etwas persönlich gefärbt. Ich hoffe aber, dass meine eigene Geschichte in Bezug auf unser Nachbarland stellvertretend für die Gemeinsamkeiten steht, die es inzwischen gerade in der jungen Generation gibt: von anfänglicher Unkenntnis über ehrliches Interesse hin zu aufrichtiger Zuneigung und Freundschaft.
Als während meines Studiums die Entscheidung über ein Auslandssemester anstand, zog es viele nach Frankreich, Italien, Spanien oder England. Ich bin eher zufällig – durch einen Aushang in der Uni – auf einen Studienplatz in Krakau gestoßen. Ich war vorher nie dort. Auch familiär hatte ich keine Bindungen dorthin, und insbesondere kannte ich die polnische Sprache nicht. Vielleicht aber fand ich diese Wahl gerade deshalb so spannend. Die Wahl dieses vermeintlich exotischen Studienortes wurde ein wenig dadurch erleichtert, dass es eine ausgesprochen großzügige Förderung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes gab. So hat sich das, was im deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag niedergelegt ist, auf mein Studium bzw. meine Ausbildung ganz unmittelbar ausgewirkt.
Das war im Jahr 2005, ein Jahr nach dem EU-Beitritt von Polen. Das war das Jahr, in dem Papst Johannes Paul II., der frühere Erzbischof von Krakau, starb. Sein Wirken ist hier schon angemessen gewürdigt worden. Ich will hinzufügen: Man darf überhaupt nicht unterschätzen, welcher Beitrag es für das Bild der Deutschen in unserem Nachbarland war, dass auf diesen großen polnischen Papst ein deutscher folgte.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Mechthild Rawert [SPD])
Ich kann jedenfalls rückblickend sagen, dass die Zeit in Krakau zu den lehrreichsten und sicherlich auch zu den prägendsten Jahren meiner Ausbildung gehörte.
Es ist gut, dass Deutschland heute in vielen Bereichen Spitzenpositionen einnimmt. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass Deutschland und Europa auch eine Menge von unseren polnischen Nachbarn lernen können. Es sind zwei Punkte, die mich immer wieder besonders beeindrucken.
Dies sind erstens die Freiheitsliebe und die Standfestigkeit des polnischen Volkes. Es gab viele Staaten, in denen die Kommunisten geherrscht haben, aber kein anderes Volk hat sich diesen Herrschern so widersetzt, wie es die Polen getan haben. In keinem anderen Land war die Distanz zwischen diesem Regime und der Gesellschaft so groß, wie sie in Polen war. Vielleicht war das die Voraussetzung dafür, dass in Polen die Grundlage für die Freiheit von Deutschland und Europa gelegt worden ist. Es waren die mutigen Polinnen und Polen der 80er-Jahre, denen wir heute nicht dankbar genug sein können. Ohne sie wäre unsere Freiheit nicht möglich gewesen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es gibt noch einen zweiten Punkt, der mich immer wieder besonders beeindruckt. Das galt 2005, und das gilt nach wie vor. Es ist die große Begeisterung gerade der jungen Generation in Polen für die gemeinsame Idee Europa. Wie oft verlieren wir uns in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, in kleinteiligen Debatten über das, was möglicherweise richtig und falsch ist, und verlieren das große Ganze aus den Augen. Ich habe gerade von den jungen Polen gelernt, wie heilsam manchmal der unverstellt optimistische Blick auf dieses große Friedensprojekt sein kann.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde, lieber Manuel Sarrazin, es ist eine schöne Fügung, dass nicht nur wir beide 1982 geboren sind,
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gutes Jahr!)
sondern auch der neu gewählte Vorsitzende der Polnisch-Deutschen Parlamentariergruppe im Sejm. In den Jahren, als wir zwei uns in unser östliches Nachbarland aufgemacht haben, um zu studieren und um Freundschaften zu pflegen, hat er sich auf den Weg nach Deutschland, nach Osnabrück gemacht, wo er einen Teil seines Studiums verbracht hat.
(Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über Osnabrück muss man noch mal diskutieren!)
Eine gute Freundschaft zwischen Deutschland und Polen ist noch keine hinreichende, aber doch eine zwingend notwendige Voraussetzung für den Zusammenhalt in Europa. Lassen Sie uns weiter gemeinsam daran arbeiten, mit Freude am Erreichten, mit der Betonung von Gemeinsamkeiten und auch mit der offenen Aussprache von Trennendem, so wie es echte Freunde miteinander tun. Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass auch künftig die jungen Generationen die Erfahrungen machen können, die Manuel Sarrazin, Szymon Szynkowski und ich im letzten Jahrzehnt machen durften. Das ist das Beste, was wir tun können.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6946614 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 179 |
Tagesordnungspunkt | 25 Jahre deutsch-polnischer Vertrag |