Siegmund EhrmannSPD - Neuregelung des Kulturgutschutzrechts
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ja, in der Tat: Seit mehr als einem Jahr tobt eine heftige Debatte über die Frage, ob und in welchem Maße es Aufgabe des Staates ist, besonders bedeutsames und identitätsstiftendes Kulturgut als kulturelles Erbe zu schützen. Auch Kollegin Hupach hat diese Frage gerade, am Schluss ihrer Rede, scharf formuliert. Insofern möchte ich einige grundsätzliche Anmerkungen voranstellen.
1936 hat Walter Benjamin in seinem Werk Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit formuliert:
(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich gelesen!)
Die Einzigartigkeit des Kunstwerks ist identisch mit seinem Eingebettetsein in den Zusammenhang der Tradition.
Dieser Gedanke verweist letztendlich auf eine spezielle Authentizität, auf die Aura von Kunstwerken – Frau Staatsministerin Grütters würde formulieren: auf das Emblematische, also das ganz Besondere.
Den Bogen in die Gegenwart schlägt Wolfgang Thierse in einem jüngst veröffentlichten Aufsatz. Ich zitiere:
Gerade in Zeiten heftiger Umbrüche, beschleunigter … wirtschaftlicher, sozialer und auch ethnischer Veränderungen ist das individuelle und kollektive Bedürfnis nach Vergewisserung und Verständigung über Gemeinsamkeiten, also nach Identität besonders groß.
Dies ist ohne gegenständliche Basis nicht möglich. Dazu gehört unabdingbar das kulturelle Erbe einer Nation, die Hinterlassenschaft der Vorgängergenerationen, also die großen und wichtigen Kunstwerke, in denen sich kollektives Selbstverständnis verdichtet, materialisiert hat. Wie sollte man sich
– so Thierse –
über das Eigene, das kulturelle Selbst, verständigen können, wenn dieses Erbe nicht mehr zur Verfügung steht, nicht mehr angeschaut werden kann?
Diesem grundlegenden Selbstverständnis folgend, schützen nahezu alle Staaten ihre bedeutsamen Kulturgüter. Dies ist im besten Sinne des Wortes internationalistisch und findet Ausdruck im UNESCO-Abkommen gegen illegalen Handel mit Kulturgut aus dem Jahre 1970. Die unterzeichnenden Staaten sind dazu verpflichtet, ebendieses geschützte Kulturgut im Falle illegalen Handels den berechtigten Eigentümern zurückzugeben. Es bedarf deshalb Schutzmechanismen für das eigene Kulturgut und effektiver Rückgaberegelungen im Hinblick auf das Kulturgut anderer Staaten. Insofern sind Ein- und Ausfuhrregelungen zum Schutz von Kulturgut zwei Seiten einer Medaille.
Deutschland hat dieses UNESCO-Abkommen 2007 in nationales Recht umgesetzt, doch hat sich das Kulturgüterrückgabegesetz letztendlich als wirkungslos erwiesen. Dazu ein konkretes Beispiel: Da gab und gibt es eine Sammlung von rund 1 200 archäologischen Objekten aus Südamerika, die sich zunächst in Spanien befand. Dort wurden die meisten Objekte peruanischer Herkunft beschlagnahmt und restituiert. Daraufhin wurde die Sammlung nach München verbracht. Das bayerische LKA hat die Sammlung sichergestellt. Straf- und zivilrechtliche Verfahren folgten, liefen weitestgehend ins Leere. Rechtshilfeersuchen von Mexiko, Guatemala, Costa Rica, Kolumbien, Ecuador und Peru blieben erfolglos. Der Hauptgrund: das fehlende Register in den Ursprungsländern, das nach unserem Gesetz vorliegen musste.
Das ist kein Einzelfall. Vor wenigen Wochen trafen Mitglieder vieler Ausschüsse Botschafter unterschiedlicher Staaten: Irak, Guatemala, Sudan, Ägypten, Bolivien, Mexiko, Honduras und auch China. Es geht hier also nicht um einen Vorgang, der sich nur auf die arabische Halbinsel bezieht. Die Botschafter beklagten, dass die Rückgabe von Objekten, die unrechtmäßig in den deutschen Handel gelangt sind, ins Leere läuft. Sie verbanden und verbinden Hoffnungen mit der Entscheidung, die wir heute treffen.
Wenn wir uns aus guten Gründen dem Schutz des kulturellen Erbes anderer Staaten verpflichtet fühlen, müssen wir uns in gleichem Maße den eigenen Belangen widmen, dem Schutz unseres besonderen Kulturgutes. Insofern haben wir dieses Gesetz auch im parlamentarischen Verfahren weiterentwickelt.
Wir übertragen die Genehmigungsvorbehalte, die für den EU-Außenhandel gelten, auf den EU-Binnenmarkt – eine Praxis, die in nahezu allen europäischen Staaten gilt –, und das bei sehr weit und großzügig bemessenen Alters- und Wertgrenzen. Diese Absicht wird nach wie vor und mit Vehemenz bis zum heutigen Tag vom Handel kritisiert. Aber nicht nur vom Handel: Heute formulierte ein nicht mehr aktiv lehrender Hochschullehrer in der Süddeutschen Zeitung, wir würden letztendlich unser Kulturgutschutzrecht „‚völkisch‘ einkäfigen“ – ein unglaublicher Begriff. Ich finde es schon erstaunlich, mit welchen Bandagen und Begriffen da gearbeitet wird.
Ich will ausdrücklich hervorheben: Nicht der Marktwert oder das Alter eines Objektes per se ist das entscheidende Kriterium. Es geht um das Besondere, das Einzigartige, das Identitätsstiftende. Es kann insofern immer nur um herausragende Einzelobjekte gehen, die die Schutzwirkung rechtfertigen.
Wir haben im vorliegenden Gesetzentwurf einiges modifiziert und vieles geändert. Auf manche Punkte ist die Staatsministerin eingegangen, daher will ich sie nicht weiter hervorheben.
Mir bleibt zum Schluss meiner Rede noch, den Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition meinen großen Dank für die Zusammenarbeit auszusprechen, insbesondere Ansgar Heveling. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass die Zusammenarbeit weit im Vorfeld mit den Akteuren in den Bundesländern und auch im Bundesrat ausgesprochen hilfreich und gut war. Nicht zuletzt gilt mein Dank der Staatsministerin und ihrem Team, insbesondere dem zuständigen Referenten Herrn Dr. Peters, aber auch dem Abteilungsleiter Herrn Dr. Winands.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich denke, dass es ein gutes Gesetz ist. Am Ende des Tages wird sich erweisen: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Viele Interessen waren abzuwägen. Ich glaube, wir sind damit unserer Aufgabe, die wir hier im Deutschen Bundestag haben, gerecht geworden, nämlich dem Gemeinwohl zu dienen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Ulle Schauws spricht jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6946873 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 179 |
Tagesordnungspunkt | Neuregelung des Kulturgutschutzrechts |