Astrid FreudensteinCDU/CSU - Neuregelung des Kulturgutschutzrechts
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Heute auf den Tag genau vor 61 Jahren hat der Vermittlungsausschuss sein Ja zum Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung gegeben. Im Sommer 1955, also wenig später, ist es dann in Kraft getreten. Das ist natürlich ein historischer Zufall, aber auch eine schöne Gelegenheit, sich anzuschauen, wie die Bundestagsdebatten damals abliefen: Welches Ziel wurde ausgegeben? Wo lagen die Konfliktlinien? Und, meine Damen und Herren, was soll ich Ihnen sagen: Geschichte wiederholt sich doch.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
In der Debatte von 1955 fielen Begriffe – drei im Wesentlichen –, die uns auch heute wieder beschäftigt haben. Es ging schon heute vor 61 Jahren um Enteignung, um einen Ankaufszwang oder ein Vorkaufsrecht des Staates und um die Belastungen für den deutschen Kunsthandel.
Lassen Sie mich vorne beginnen, also mit der Enteignung. – Nein, selbstverständlich legt die Novelle des Kulturgutschutzgesetzes nicht die Grundlage für eine Enteignung von Kunsteigentümern oder -sammlern. Jeder, der den Gesetzentwurf gelesen hat, weiß das auch.
Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, national wertvolles, für uns prägendes und identitätsstiftendes Kulturgut vor Abwanderung zu schützen. Das steht einer Kulturnation, wie wir es sind und worauf wir zu Recht stolz sind, auch gut zu Gesicht. Kulturgüter sind eben nicht nur Wertanlagen, sondern können auch einen ideellen Wert haben. Sie können für unsere Geschichte und für die Gegenwart prägend sein. Das ist gerade in Zeiten, in denen wir gelegentlich den Eindruck haben, dass die Welt aus den Fugen gerät, wichtig. Nehmen Sie etwa die Tagebücher Alexander von Humboldts. Eine Abwanderung wäre für uns Deutsche ein großer Verlust gewesen.
Das Eintragungsverfahren wurde mehrmals höchstrichterlich für verhältnismäßig erklärt. Der geltende Kulturgutschutz war „auf einen gerechten Ausgleich der öffentlichen und privaten Interessen angelegt“. So hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt. Dies bleibt er auch mit der vorliegenden Novellierung.
Der zweite Punkt von damals, der uns auch heute wieder beschäftigt, ist die Ankaufspflicht oder das Vorkaufsrecht des Staates. Wir führen jetzt ein Angebotsmodell ein. Es soll ein Verfahren geben, durch das national wertvolles Kulturgut, das nicht ins Ausland gelangen soll, durch Museen oder andere Einrichtungen angekauft und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Kommt es dazu nicht, darf dieses Kulturgut das Land trotzdem nicht verlassen.
Wir haben uns damit genauso wie unsere Vorgänger vor 61 Jahren aus guten Gründen gegen eine Ankaufspflicht entschieden; denn dort, wo sie praktiziert wird, werden die Nachteile in schlechten Zeiten schnell deutlich, und was wir nicht wollen, ist ein Kulturgutschutz nach Kassenlage.
Der dritte Punkt damals wie heute waren die Folgen für den Kunsthandel. Damals, 1955, sprach der bayerische CSU-Abgeordnete Josef Ferdinand Kleindinst aus Augsburg über dieses Gesetz. Er war der Berichterstatter. Er erklärte die Änderungen, die im parlamentarischen Verfahren eingefügt wurden, und stellte dann fest: Der Kunst- und Antiquitätenhandel hat nichts zu befürchten. – Auch damals war der Protest groß, und ich möchte es ihm gleichtun und die Änderungen erwähnen:
Das Eintragungsverfahren wird viel transparenter und nachvollziehbarer. Mit einem Negativattest können Eigentümer Rechtssicherheit erhalten.
Die Regelung eines Laissez-passer entlastet Kunsthandel und Restauratoren, wenn es um vorübergehend in Deutschland befindliches Kulturgut geht.
Etliche Erleichterungen bei der Sorgfalts- und Nachweispflicht sowie die Ausweitung der Altersgrenzen dämmen Bürokratie ein.
Der Kunst- und Antiquitätenhandel muss also auch heute nichts befürchten. Er muss sich aber durchaus auf Veränderungen einstellen, und es wird an einigen Punkten auch aufwendiger werden.
Zum Schluss möchte ich auf einen Punkt zu sprechen kommen, der damals, vor 61 Jahren, kein Thema war, heute aber ein großes Thema ist, nämlich die Regeln zur Einfuhr von Kulturgütern.
Was wir uns selbst herausnehmen und für uns beanspruchen – wir schützen unser national wertvolles Kulturgut –, müssen wir auch den anderen zugestehen und ermöglichen. Ganz abgesehen von internationalen und europäischen Vorgaben werden wir damit auch unserer moralischen, kulturellen und rechtlichen Verpflichtung gerecht. Das hat auch etwas mit der Haltung zu tun, wie man mit fremdem Kulturgut umgeht.
Die Regeln, die wir dafür bisher hatten, waren nicht sehr wirksam, und deshalb brauchen wir neue. Den Anlass gab sicher der Handel mit Antiken aus Kriegs- und Krisengebieten. Wir wollen nicht, dass mit dem Handel dieser Antiken Kriege finanziert werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen, meine Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist keine Revolution, sondern eine Weiterentwicklung und Zusammenführung bestehender Regelungen. Er schließt Lücken, die sich aufgetan haben. Wir haben einen Kompromiss gefunden, der die Wirkung des Gesetzes erhält und gleichzeitig den bürokratischen Aufwand eindämmt. Es ist wichtig, dass wir einen wirksamen und vernünftigen Kulturgutschutz in Deutschland haben: für die Bewahrung des kulturellen Erbes für unsere Kinder und Kindeskinder.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Martin Dörmann, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6946936 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 179 |
Tagesordnungspunkt | Neuregelung des Kulturgutschutzrechts |