23.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 179 / Tagesordnungspunkt 9

Dorothee SchlegelSPD - Aktionsplan gegen Sexismus

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Sehr geehrte Herren und Damen! Sie merken schon: Meine Sprache verrät mich möglicherweise. Ich denke, es ist wichtig, auf eine gendergerechte oder nicht sexistische Sprache Wert zu legen.

Wir diskutieren heute über einen Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Sexismus die Rote Karte zeigen – Für einen bundesweiten Aktionsplan“. Um es vorwegzusagen: Wir freuen uns, dass Sie dieses Thema überhaupt und dann auch noch in einer nicht nur für Fußballfans verstehbaren Titulierung aufgreifen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie rennen damit bei uns als SPD offene Türen ein.

Leider hat die Diskussion über das Geschlechterverhältnis – sprich: Sexismus – in unserer Gesellschaft erst nach den Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht wieder Fahrt aufgenommen. Die Zuwanderung stellt uns alle vor neue Aufgaben. Für die Frauen- und Gleichstellungspolitik in Deutschland bedeutet dies auch, dass Menschen, die zu uns kommen, von Anfang an erfahren, dass alle Geschlechter hier gleichberechtigt sind.

(Beifall bei der SPD)

Sexismus und sexualisierte Gewalt sind in Deutschland aber keine neuen Probleme, die von anderen importiert wurden.

Meine Damen und Herren, die SPD steht für eine progressive Geschlechter- und Familienpolitik. Wir haben – das wurde schon erwähnt – in einem Vorstandsbeschluss das Jahr 2016 zum Jahr für die Frauen erklärt. Sechs Punkte sind uns dabei besonders wichtig.

Erstens: Gerechtigkeit in der Arbeitswelt schaffen. Das heißt, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen zu schließen und soziale Berufe aufzuwerten.

Zweitens: Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Bundesfamilienministerin Schwesig hat das Konzept einer Familienarbeitszeit vorgelegt, um mehr Zeit für die Familie zu ermöglichen.

Drittens: Frauen im Beruf und in der Wirtschaft stärken.

Viertens: Frauen vor Gewalt schützen. Bundesjustizminister Heiko Maas hatte schon vor den Übergriffen in Köln an der Verschärfung des Sexualstrafrechts gearbeitet. Wir alle kennen die Zahlen der europäischen Grundrechteagentur: Jede dritte Frau in der Europäischen Union erlebt sexualisierte oder körperliche Gewalt; mehr als jede zweite erlebt sexuelle Belästigungen. Bislang sind sexuelle Handlungen nur dann strafbar, wenn das Opfer Gegenwehr leistet oder nur darauf verzichtet, weil Gewalt angedroht wird. Wir wollen die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention mit dem Grundsatz „Nein heißt nein“.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nun haben wir erfolgreich die Union ins Boot geholt. Wir haben am 1. Juni 2016 ein Eckpunktepapier zur Reform des Sexualstrafrechts vorgelegt. Der Grundsatz „Nein heißt nein“ ist darin verankert. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam – Männer natürlich inklusive – weitergehen.

Meine Damen und Herren, „Respekt im Alltag verschaffen, Geschlechterbild modernisieren“ ist der fünfte Punkt. Die SPD hat beschlossen, sexistische Werbung zu verbieten. Wir begrüßen daher entsprechende Überlegungen des Bundesjustizministers. Wer hier „Bevormundung“ oder „Geschmackspolizei“ schreit, hat nicht verstanden, worum es geht. Denn Werbung beeinflusst nicht nur das Kaufverhalten, sondern auch das Selbstbild von Männern, Frauen und insbesondere von Heranwachsenden. Wir wollen, dass Mädchen und Jungen respektvoll miteinander aufwachsen und umgehen lernen und dass Gleichberechtigung für sie selbstverständlich wird. Auch rassistische Werbung ist ja nicht akzeptabel. Warum also soll sexistische Werbung weiterhin hingenommen werden?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Was zulässig ist und was nicht, wird von Fall zu Fall zu entscheiden sein. Wichtig ist – das wird zu Recht in Ihrem Antrag genannt –, dass es für Beschwerden von Verbraucherinnen und Verbrauchern, Unternehmen und Organisationen künftig eine wirksame rechtliche Grundlage geben wird, und zwar jenseits der nicht besonders wirkungsvollen Selbstregulierung der Branche.

Zum letzten Punkt: Frauenrechte international stärken. Hierzu zählt die Neuauflage der EU-Gleichstellungsstrategie, die Ende 2015 ausgelaufen ist und bisher leider nicht erneuert wurde. Am 16. Juni dieses Jahres herrschte auf EU-Ebene Einigkeit über die Schlussfolgerungen des Rates zur Geschlechtergleichstellung. Das lässt hoffen. Unser Sechs-Punkte-Programm ist gleichstellungspolitisch ambitioniert, aber realistisch. Vieles haben wir zudem bereits umgesetzt: Mindestlohn, Frauenquote, das Bundesprogramm „KitaPlus“, das Elterngeld Plus und das Pflegezeitgesetz. All das hilft Frauen wirklich weiter.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bündnisse über politische Lager hinweg konnten erhebliche Fortschritte herbeiführen. Lassen Sie uns daran anknüpfen! Der Oppositionsantrag ist dafür eine gute Grundlage. Ich freue mich daher auf die Beratungen im Familienausschuss.

Schließen will ich mit einem Wort in Anlehnung an Simone de Beauvoir. Sie sagte: Wir Menschen sind nur frei, wenn wir einander so, wie wir sind, als Subjekte anerkennen können. – Ich füge hinzu: Subjekt mit dem Prädikat „wertvoll“.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Danke schön. – Jetzt spricht der Kollege Paul Lehrieder, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6947005
Wahlperiode 18
Sitzung 179
Tagesordnungspunkt Aktionsplan gegen Sexismus
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