23.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 179 / Tagesordnungspunkt 9

Paul LehriederCDU/CSU - Aktionsplan gegen Sexismus

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen! Liebe Zuschauer! Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke, herzlichen Dank für Ihren Antrag „Sexismus die Rote Karte zeigen – Für einen bundesweiten Aktionsplan“.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gern!)

Der Antrag betrifft ein Thema – ich denke, da sind wir uns fraktionsübergreifend einig –, das uns alle umtreibt. Die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frauen in unserem Land liegen den Familienpolitikerinnen und Familienpolitikern der Union sehr am Herzen.

(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Ich freue mich, dass ich als Mann nach den Reden einer Vielzahl qualifizierter Frauen auch ein paar Sätze zu diesem Thema sagen darf.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Kollegin Möhring, Sie haben ja sicherlich recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass die Ankündigung, dass ein Europameisterschaftsspiel von einer Journalistin kommentiert werden soll, im Netz auf Kritik gestoßen ist.

(Sönke Rix [SPD]: Auf Kritik? Das ist untertrieben!)

Da ist sicherlich noch einiges aufzuarbeiten. Hier ist das Bewusstsein noch zu schärfen. Aber, Frau Kollegin Möhring, achten Sie auch darauf: Seit Jahr und Tag wird die Sportschau am Samstagabend von Frau Katrin Müller-Hohenstein mit viel Erfolg und auf absolut souveräne Art und Weise moderiert. Es gibt also auch das Gegenbeispiel, das zeigt, dass es schon toll funktioniert. Frau Müller-Hohenstein ist sowohl bei Männern als auch bei Frauen anerkannt, weil sie die Sportschau kompetent moderiert. Also auch das gibt es.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir sollten aufpassen, dass wir nicht zu arg schwarz-weiß malen, Frau Schauws, sondern auch die Zwischentöne wahrnehmen und fairerweise auch sagen, was schon erreicht worden ist.

Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 2 verankert. Obwohl wir mit Dr. Angela Merkel eine Frau als Bundeskanzlerin, mit Frau Gerda Hasselfeldt eine Landesgruppenchefin für Bayern im Bundestag haben, obwohl immer mehr Väter in Elternzeit gehen und obwohl erfolgreiche Frauen in Führungspositionen zahlreich zu finden sind, ist die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern in Deutschland noch nicht in allen Bereichen derart verwirklicht, wie wir es uns vielleicht wünschen.

Gewalt gegen Frauen beschränkt sich trotz harter Strafen – darauf haben die Vorrednerinnen und Vorredner auch hingewiesen – und Aufklärung in Europa leider nicht auf Einzelfälle. Ebenso verhält es sich leider mit sexueller Gewalt. Laut einer Studie der europäischen Grundrechteagentur aus dem Jahr 2014 gab eine von drei Frauen an, dass sie seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren hatte. Jede zweite Frau gab an, mit einer oder mehreren Formen der sexuellen Belästigung konfrontiert worden zu sein. Die jüngsten Ereignisse in Köln in der Silvesternacht – auch hierauf wurde bereits von Kollegin Pantel hingewiesen – haben nun die Sexismusdebatte in Deutschland erneut entfacht. Die Übergriffe haben besonders deutlich gezeigt, dass Frauen auch in Deutschland im öffentlichen Raum vor körperlicher und sexualisierter Gewalt nicht sicher sind.

Meine Damen und Herren, es gibt hier noch einiges zu tun. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass wir uns dieses Problems – entgegen der Auffassung, die in Ihrem Antrag zum Ausdruck kommt – sehr wohl bewusst sind und in den vergangenen Jahren und Monaten durch die unionsgeführte Bundesregierung bereits einige Maßnahmen und Regelungen auf den Weg gebracht haben, um hier Abhilfe zu schaffen. Herr Kollege Birkwald, Sie monieren immer, wir arbeiteten zu wenig mit Ihren Anträgen. Wenn ich mir aber Buchstabe c auf Seite 3 Ihres Antrags anschaue – Maßnahmen gegen Sexismus, verbindliche Frauenquoten für Entscheidungsgremien –, dann muss ich sagen: Haken! Das hat die Große Koalition erledigt. Buchstabe d – Maßnahmen zur Stärkung und Ausweitung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes –: Das ist in der Großen Koalition in guten Händen. Haken, erledigt! Buchstabe e – Maßnahmen im Bereich Gewalt gegen Frauen wie die Umsetzung des Grundsatzes „Nein heißt nein“ –: Auch das wurde durch die Große Koalition erledigt. Haken!

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Weiter so!)

Also, wir sind schneller als Sie. Der Antrag, lieber Kollege Birkwald, datiert vom 8. Juni 2016. Das heißt, Sie hätten schon wissen können, was wir bereits alles umgesetzt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, wir setzen uns mit aller Kraft für die Gleichstellung von Männern und Frauen ein, um bestehende Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern zu beseitigen. Der vorliegende Antrag ist zwar gut gemeint, aber, wie bereits ausgeführt, in vielen Bereichen längst nicht mehr up to date.

Im Antrag wird beispielsweise gefordert, den Grundsatz „Nein heißt nein“ im Rahmen der Reform des Sexualstrafrechts umzusetzen. Hier, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Linken, haben wir die entsprechende Reform bereits angestoßen. Das wurde von Frau Kollegin Schlegel und von Frau Kollegin Pantel bereits bestätigt, übrigens auch von Frau Schauws. Ich bedanke mich, dass Sie als Grüne unsere Reform ausdrücklich loben. Hier können wir konstruktiv zusammenarbeiten.

Wir werden alle bestehenden Strafrechtslücken schließen und damit jegliche nicht einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe stellen. Es wird bald ausreichen, wenn eine Frau nur konkludent zum Ausdruck bringt, dass sie nicht will, beispielsweise durch Weinen. Darüber hinaus wollen wir auch das einfache Grapschen unter Strafe stellen; denn Frauen sind kein Selbstbedienungsladen, und Grapschen ist kein Kavaliersdelikt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)

Mit diesem Vorstoß stärken wir das sexuelle Selbstbestimmungsrecht auch im Strafrecht, und zwar ohne Einschränkung. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass wir selbstverständlich auch über das Strafrecht hinaus Maßnahmen ergriffen haben und ergreifen werden. So haben wir beispielsweise bereits im März 2013, also vor über drei Jahren, das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ eingerichtet. Unter der bundesweiten kostenfreien Rufnummer 08000 116 016 gibt es ein anonymes Erstberatungsangebot. Hier wird Hilfe für Betroffene von sexualisierter Gewalt, für Angehörige und sonstige Personen angeboten – unkompliziert, in 15 Sprachen, 24 Stunden am Tag. Ich wiederhole die Nummer noch einmal für die Zuhörerinnen und Zuhörer am Fernseher zum Mitschreiben: 08000 116 016.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier wird immer mitgeschrieben!)

– Ich meine die Damen und Herren an den Fernsehgeräten, Frau Kollegin.

Soweit Sie in Ihrem Antrag Maßnahmen gegen Sexismus in der Arbeitswelt fordern, möchte ich Sie daran erinnern, dass wir auch hier bereits tätig geworden sind. Im vergangenen Jahr haben wir das Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst auf den Weg gebracht. Das Gesetz soll dazu beitragen, eine Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt zu bekämpfen und eine Steigerung des Anteils von weiblichen Führungskräften in Spitzenpositionen in der deutschen Wirtschaft und in der Bundesverwaltung herbeizuführen. Frauen werden künftig öfter Schlüsselstellen besetzen und dann vertreten sein, wo entschieden wird. So können sich auch Frauen für Frauen einsetzen und auf diese Weise einen Wandel in den Unternehmenskulturen herbeiführen.

Entscheidend ist aber, dass wir die verschiedenen Bereiche der Arbeitswelt nicht überreglementieren und möglicherweise das Gegenteil bewirken. Vielmehr müssen wir als Politiker die Rahmenbedingungen schaffen, die zu einem Umdenken in den Köpfen unserer Gesellschaft führen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf erwähnen, das wir im letzten Jahr verabschiedet haben.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen der Linken, die in Ihrem Antrag geforderten Maßnahmen für mehr Entgeltgleichheit haben wir bereits im gemeinsamen Koalitionsvertrag mit der SPD verankert. Wir wollen die bestehende Lohnlücke zwischen Männern und Frauen beseitigen; denn auch wir wollen – hier möchte ich meinen geschätzten Kollegen Marcus Weinberg zitieren –, dass unsere Töchter später genauso viel verdienen wie unsere Söhne. Wir werden für mehr Transparenz sorgen und damit Licht ins Dunkel der Gehaltslisten bringen. Gleichzeitig werden wir hierbei dafür Sorge tragen, dass die kleinen und mittleren Unternehmen in unserem Land nicht mit zu hohen bürokratischen Anforderungen belastet werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist genau das Problem! Da sind die meisten Frauen beschäftigt!)

Meine Damen und Herren, wir werden den Antrag der Linken sicher nicht positiv begleiten können. Wir werden ihn ablehnen. Aber wir sind dankbar, dass Sie das Thema abermals aufgegriffen haben. Sie haben es in meiner Rede gehört: Wir sind bei den Zielen nicht so weit auseinander, aber der Weg dorthin unterscheidet uns.

Herzlichen Dank. Einen schönen Tag noch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Birgit Kömpel.

(Beifall bei der SPD – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Jetzt sagt die SPD: Wir stimmen zu! Und dann?)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6947006
Wahlperiode 18
Sitzung 179
Tagesordnungspunkt Aktionsplan gegen Sexismus
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta