23.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 179 / Tagesordnungspunkt 9

Birgit KömpelSPD - Aktionsplan gegen Sexismus

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema Sexismus ist nicht erst seit der Kölner Silvesternacht wichtig, aber es ist seither in aller Munde. Leider wurde es vor allem auch für rassistische Hetze und pauschale Stigmatisierung von Flüchtlingen missbraucht.

(Beifall bei der SPD – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: So ist es!)

Dabei ist eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Problem Sexismus gefragt. Nicht nur in Sonntagsreden müssen wir Sexismus entgegentreten, sondern vor allem im Alltag. Ich begrüße daher sehr, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, den Antrag „Sexismus die Rote Karte zeigen“. Denn der Antrag zeigt, wie stark Sexismus in unseren Alltag hineinwirkt und welche negativen Folgen das hat.

Ich möchte mich auf drei mir wesentlich erscheinende Punkte konzentrieren: Lohnungleichheit, mangelnde Präsenz von Frauen in Führungspositionen und Sexismus in den Medien.

Lohnungleichheit basiert zu einem nicht unerheblichen Teil auf Sexismus. Geschlechterstereotypen schreiben Mädchen und Jungen bereits im jungen Alter ganz bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten zu. Diese frühe Festlegung beeinflusst nachweislich auch die spätere Berufswahl. Während hauptsächlich Jungen MINT-Berufe ergreifen und dann sehr gut verdienen, arbeiten in schlecht entlohnten sozialen Berufen Frauen. Auch der Umstand, dass in Deutschland noch immer eine Lohnlücke von circa 22 Prozent zwischen Männern und Frauen klafft, hilft uns hier nicht weiter.

Also wo, meine Damen und Herren, müssen wir ansetzen? Ich sage: in der Pädagogik, bei den Gehältern, bei der Transparenz. Wir müssen bereits bei Kleinkindern im Kindergarten anfangen und Rollenklischees wirksam entgegentreten, Interesse wecken und Begeisterung erkennen – ohne geschlechtliche Scheuklappen. Das heißt für mich, auch Mädchen selbstverständlich für Naturwissenschaften zu begeistern oder unsere Jungen für das Soziale.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Wir müssen an die Gehälter ran. Berufe in den Bereichen Erziehung, Pflege, Lebenshilfe etc. setzen ein hohes Maß an Verantwortungsbereitschaft und eine lange, qualifizierte Ausbildung voraus, und man wird trotzdem schlecht bezahlt. Wir müssen hier dringend zu einer Aufwertung kommen. Ich bin sehr stolz, dass unsere Ministerin Manuela Schwesig sich dafür starkmacht.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Gesetzesvorhaben für mehr Lohngerechtigkeit geht aber noch einen Schritt weiter. Als erste Ministerin traut sie sich an einen ganz heiklen Punkt heran: die Transparenz – Transparenz bei den Gehältern, Transparenz bei der Beförderung, Transparenz bei der Beschreibung von Stellenprofilen und Anforderungen. Erst umfassende Transparenz schafft hier für Frauen die Möglichkeit, sich zu wehren und sexistischer Abwertung wirksam entgegenzutreten.

(Beifall bei der SPD)

Bereits auf den Weg gebracht haben wir das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst. Hier gilt: Bei Frauen wird automatisch davon ausgegangen, dass sie sich alleine oder zu einem großen Teil um die Kindererziehung kümmern. Deshalb haben Frauen beim Zugang zu Führungspositionen häufig schlechtere Chancen. Aber damit ist jetzt Schluss.

(Beifall bei der SPD)

Denn wenn mehr Frauen in Führungspositionen arbeiten, ändert sich die Sicht auf Frauen, ändern sich die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen, ändern sich Rollenverhalten und Stereotypen, ändert sich die Sprache in unseren Führungsetagen,

(Beifall bei der SPD)

wenn auch nicht von heute auf morgen. Aber es nutzt eben nichts, der Dame die Tür aufzuhalten, wenn man sie im anschließenden Teammeeting nicht ernst nimmt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Rief [CDU/CSU])

Ich komme zum letzten Punkt: Sexismus in den Medien. Solange Frauen durch Sexismus abgewertet werden, als Sexobjekte oder untertänige Gattinnen beschrieben werden, wird sich hier gesellschaftlich nichts ändern.

(Beifall bei der SPD)

Ich erinnere zum Beispiel an die uns allen bekannten Überschriften einer einschlägigen Tageszeitung und den weitverbreiteten Sexismus in der Werbung. – Meine Damen und Herren, wie Sie sehen, handelt es sich um eine Werbeanzeige mit einer Frau, die nur mit Unterhose bekleidet in eine Waschmaschine hineinkriecht. Ich frage ganz ehrlich: Möchten Sie als Frau auf „halbnackt“ und „Waschmaschine“ reduziert werden,

(Ulli Nissen [SPD]: Nein!)

als wären Sie zu blöd, so etwas selber zu reparieren, als wären das unsere einzigen Kompetenzen? So etwas macht mich wütend, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wir sehen an diesem Bild deutlich: Sexuelle Belästigungen finden nicht nur körperlich statt, sondern auch optisch und verbal. Dem müssen wir entschieden entgegentreten. Artikel 3 Absatz 2 unseres Grundgesetzes mahnt uns auch hier, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern, und die gibt es nur ohne Sexismus.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6947061
Wahlperiode 18
Sitzung 179
Tagesordnungspunkt Aktionsplan gegen Sexismus
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