Peter BeyerCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einer Bemerkung direkt auf Ihre Rede, Frau Kollegin Dağdelen, replizieren. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie zur Sache geredet hätten. Stattdessen haben Sie hier mit Zahlen zu irgendwelchen Plänen bezüglich des Verteidigungsbudgets hantiert. Insbesondere – denn das macht mich an dieser Stelle wirklich stinksauer – muss ich sagen: Die Bilanz, die Sie gezogen haben, und die Schlussfolgerung – sie ist natürlich falsch –, dass die Soldaten der Bundeswehr abgezogen werden sollen, sind eine Unverschämtheit gegenüber denjenigen Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und auch der anderen Nationen, die in den letzten 17 Jahren für Stabilität in der Region gesorgt haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der LINKEN)
Aber Teile der Linksfraktion sind leider bis heute geschichtsvergessen. Deswegen möchte ich mich jetzt meiner eigentlichen Rede zuwenden.
Meine Damen und Herren, das knüpft aber just an das an, was ich gerade gesagt habe. Denn vergleichen wir doch einmal die noch vor wenigen Jahren herrschende Situation im Norden des Kosovo, also in dem Grenzgebiet zwischen Serbien und Kosovo, mit der heutigen Situation. Da sind wirklich Erfolge – bei allen Problemen, die wir sicherlich nicht negieren – im gesamten Land, in der Region zu verzeichnen. Diese Erfolge lassen sich nachweisen. Zu dem einen oder anderen Erfolg kann ich etwas sagen.
Meine Damen und Herren, zunächst einmal möchte ich aber für diese Erfolge den Männern und Frauen, den Soldatinnen und Soldaten danken, die dafür gesorgt haben, dass es in der Grenzregion und in der gesamten Westbalkanregion zu Verbesserungen gekommen ist, dass ethnische Spannungen im Zaum gehalten worden sind und dass auch Reformprozesse möglich gewesen sind. Herzlichen Dank dafür.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine Damen und Herren, klar ist aber auch – das sagen wir an dieser Stelle immer wieder, weil es richtig ist –: Eine rein militärische Lösung der vielen Probleme, die es noch gibt, ist nicht möglich. Daher ist es eine richtige und eine gute Politik, die durch die Bundesregierung betrieben wird, dass es flankierende Maßnahmen zur Unterstützung gibt: die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX oder auch die Programme der wirtschaftlichen Zusammenarbeit durch das BMZ.
Die lokalen Sicherheitskräfte und Polizeikräfte – wir haben das bei den gewaltsamen Demonstrationen in Pristina verfolgen können – sind mittlerweile selbst in der Lage, ohne dass KFOR zur Seite steht – KFOR steht zwar parat, musste aber nicht mehr eingreifen –, für Ordnung und Stabilität zu sorgen. Auch das ist in der Erfolgsbilanz zu verzeichnen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Was für ein Erfolg nach 17 Jahren!)
Des Weiteren sind wichtige Schritte bei der Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo zu verzeichnen. Ich nenne das Abkommen, das Ende August letzten Jahres unterzeichnet worden ist, und auch das Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Serbien, meine Damen und Herren. Das sind wichtige Dinge. Dieses SAA, wie es abgekürzt heißt, ist übrigens Anfang dieses Jahres in Kraft getreten.
Bei allem Fortschritt dürfen wir den Blick nicht nur auf die ethnischen Spannungen im Norden des Kosovo verengen. Vielmehr erlangt Bedeutung – das sollten wir mehr in den Fokus rücken – die sozioökonomische Situation im Kosovo. Da stimme ich dir, Josip Juratovic, der du als Erster geredet hast, durchaus zu – das hattest du auch thematisiert –: Da liegt noch vieles im Argen. Eine Jugendarbeitslosigkeit im Kosovo von 70 Prozent ist ein ganz gefährlicher Nährboden, der zu Spannungen führt und übrigens auch das Feld für eine weitere Islamisierung eröffnet. Islamistische Kräfte agieren dort. Das müssten wir auch unter Beobachtung halten.
Wegen vieler schwieriger Dinge, die wir in den vergangenen Monaten im Kosovo beobachten mussten, ist es zu einem Stillstand im Reformprozess gekommen – auch im Dialog über die Normalisierung der Beziehungen mit Serbien. Es herrscht eine Krise im Land Kosovo. Welche Konsequenzen ziehen wir nun daraus? Das müssen wir uns bei unserer Westbalkanpolitik fragen. Können wir sagen: „Die Reduzierung der Truppenobergrenze kann immer weiter gehen“? Wir wünschen uns das. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen auch sehen: Die Sicherheits- und Stabilitätslage, die im Moment dank KFOR besteht, ist ein Stück weit auch fragil. Wenn es zu weiteren Ausschreitungen kommt, wenn die Spannungen zu gewaltsamen Ausbrüchen führen, kann es sein, dass KFOR wieder Einsätze durchführen muss. Im letzten Mandatszeitraum, im vergangenen Jahr, mussten die KFOR-Kräfte nicht eingreifen.
Wir müssen uns überlegen, ob wir uns nicht um einen gewissen Freiraum bzw. Flexibilität bringen, wenn wir weiter automatisch Jahr für Jahr die Truppenobergrenze reduzieren. Wenn die Sicherheits- und Stabilitätslage im Land und in der Region es erlauben, ist das sicherlich der richtige Schritt, wie es auch jetzt der richtige Schritt ist. Aber ich will darauf hinweisen: Wir müssen die dortige Lage sehr im Auge behalten. Gerade angesichts der sozioökonomischen Situation im Land könnte da etwas passieren, auf das wir vielleicht nicht vorbereitet sind.
Deswegen schließe ich mit meinem Appell, das KFOR-Mandat, das völkerrechtlich durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates auf soliden Füßen steht, weiter zu verlängern unter den Konditionen, die im Mandat ausgeführt sind.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Marieluise Beck das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6947069 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 179 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Kosovo (KFOR) |