Fritz FelgentreuSPD - Bundeswehreinsatz im Libanon (UNIFIL)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wissen es alle: Der Libanon braucht unsere Hilfe. Aber nicht allen ist klar: Wir brauchen auch die Hilfe des Libanon, und wir nehmen sie reichlich in Anspruch.
Dieses kleine Land am Mittelmeer, ein gar nicht so ferner Nachbar, leistet Tag für Tag Unglaubliches. Bei einer Einwohnerzahl von 6 Millionen hat es über 1 Million syrische Flüchtlinge aufgenommen, die größtenteils in Lagern im Norden und Osten des Landes mehr schlecht als recht ihr Dasein fristen. In keinem Land der Welt leben mehr Flüchtlinge im Verhältnis zur angestammten Bevölkerung. Nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres kann Europa, kann Deutschland vom Libanon keine größere Hilfe erwarten, als dass es dabei bleibt, haben wir uns doch im vergangenen Jahr als reichstes und größtes Land Europas mit der Aufnahme von in etwa der gleichen Anzahl von Flüchtlingen politisch und administrativ zum Teil überfordert gezeigt.
Es grenzt an ein Wunder, dass das kleine Land am Mittelmeer unter dieser großen Verantwortung noch nicht zusammengebrochen ist, zumal der Staat in einer Weise schwach ist, die für uns unvorstellbar wäre: Das Amt des Staatspräsidenten ist seit zwei Jahren vakant. Neben der regulären Armee steht vor allem in Süden des Landes die schiitische Terrormiliz Hisbollah, die mit ihrem politischen Arm auch im Parlament vertreten ist. Die Hisbollah verfügt über eine unbestimmte Anzahl von Kämpfern, schwere Waffen und moderne Raketen mit großer Reichweite, und zwar in großer Zahl. Die Regierung hat weder politisch noch militärisch die Kraft, die Hisbollah zu entwaffnen.
Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion ist unter diesen Rahmenbedingungen nicht nachvollziehbar, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, den deutschen Beitrag zur Libanon-Mission der Vereinten Nationen infrage zu stellen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Alles spricht dafür, dass wir uns hier weiter beteiligen. Seit fast 40 Jahren ist die UNIFIL immer wieder das Einzige, was zwischen Israel und seinen Feinden im Libanon steht und so verhindert, dass punktuelle Gewalt sich zum Krieg ausweitet. Die UNIFIL mit ihren 10 000 Soldaten aus über 20 Ländern ist Garant für den Waffenstillstand. Zugleich stellt sie die Plattform für Abstimmungen israelischer Stellen mit libanesischen Stellen bereit, und sie sichert die notwendige Stabilität, damit die humanitäre Hilfe in der Flüchtlingskrise überhaupt ihre Adressaten erreicht.
Gemessen an der Größe der Aufgabe ist der deutsche Beitrag klein. Mit einer Korvette, gegenwärtig der „Braunschweig“, trägt die Bundeswehr zur Aufklärung und zum Küstenschutz bei. Außerdem bilden deutsche Soldaten Personal des libanesischen Küstenschutzes und der libanesischen Radarüberwachung an der Küste aus. Der Wert der deutschen Beteiligung ist dennoch nicht zu unterschätzen. Abgesehen vom unmittelbaren Nutzen, der groß ist, kommt es dabei auch auf die politische Botschaft an. Wir bekennen uns mit der Beteiligung an UNIFIL unmissverständlich zu den Vereinten Nationen als Ordnungsmacht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir zeigen dem Libanon, dass wir ihn nicht im Stich lassen. Wir leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit Israels.
Dass neben dem militärischen Engagement ein finanziell knapp zehnmal größeres humanitäres Engagement der Bundesrepublik steht, hat zwar mit dem Mandat nicht unmittelbar etwas zu tun, entspringt aber derselben Verantwortung für die Stabilität des Libanon. Wenn wir erreichen wollen, dass sich die Flüchtlinge, die sich zurzeit dort aufhalten, nicht doch noch nach Europa aufmachen, dann brauchen sie und ihre Kinder im Libanon eine Perspektive. Arbeit und Bildung sind dafür entscheidend. Deshalb ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung allein im Jahr 2016 300 Millionen Euro für diese Zwecke zur Verfügung stellen will.
Der Libanon ist uns näher, als wir denken. Vor zwei Wochen war ich zu Gast in einer Schule in Berlin-Neukölln, um an einer Podiumsdiskussion über Israel und Antisemitismus teilzunehmen. Viele der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, mit denen ich dort diskutiert habe, sind durch ihre Familiengeschichte mit dem Libanon verbunden. Oft haben sie einen palästinensischen Hintergrund. Im Einzelgespräch nach dem Podium waren sich zwei junge Männer, mit denen ich gesprochen habe, ganz sicher: Der Aggressor gegenüber dem Libanon sei immer Israel. Die Hisbollah brauche ihre Raketen nur zur Selbstverteidigung. Sie sei eine reine Verteidigungsarmee. Dass es im Libanon außer der Hisbollah auch reguläre Truppen gibt, spielte für sie gar keine Rolle. Deutschlands Engagement in der Region nehmen sie ausschließlich als einseitige Parteinahme für Israel wahr. Diese Sicht der Dinge ist durchaus repräsentativ für einen gar nicht unwesentlichen Teil der Jugend in unseren Städten.
Umso wichtiger scheint es mir, dass wir die Verpflichtungen, die wir für den Libanon eingegangen sind, sehr ernst nehmen. Es geht dabei auch um die Glaubwürdigkeit deutscher Israel-Politik. Es ist möglich, den jungen Leuten, von denen ich gerade erzählt habe, zu erklären, warum das Existenzrecht Israels für Deutschland von elementarer Bedeutung ist und bleiben muss. Aber es ist nicht einfach. Das Misstrauen ist groß. Ein aus den palästinensischen Erfahrungen erwachsener Antisemitismus ist weitverbreitet. Leichter wird es, wenn wir nachweisen können, dass wir uns mit Nachdruck für Stabilität, Sicherheit und Wohlstand in der ganzen Region einsetzen, und wenn wir deutlich machen, dass nach unserem Verständnis ein sicheres Israel ohne stabile Nachbarstaaten, ohne befriedete Nachbargesellschaften gar nicht möglich ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Stabilität des Libanon und die Sicherheit Israels sind zwei Seiten einer Medaille. Deshalb wiederhole ich: Der Libanon ist uns näher, als wir denken. Den Libanon in den Köpfen haben wir mitten in Berlin. Wenn wir also dem Libanon helfen, dann helfen wir immer auch uns selbst. Der deutsche UNIFIL-Einsatz ist dafür weiterhin unverzichtbar.
(Beifall des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])
Deshalb bitte ich das Hohe Haus um Zustimmung zum Antrag der Bundesregierung.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Inge Höger von der Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6947255 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 179 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz im Libanon (UNIFIL) |