Kai WhittakerCDU/CSU - Änderung des SGB II - Rechtsvereinfachung
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Wenn ich mir die Debattenbeiträge der Opposition heute anhöre, dann stelle ich fest: Das ist eine Fortführung des Medienspektakels der letzten Wochen. Was wurden wir als Regierungskoalition nicht alles geheißen: kritisiert als kaltherzige, unsoziale Politiker.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Stimmt!)
Sie versuchten, den Eindruck zu erwecken, wir würden mit diesem Hartz-IV-Änderungsgesetz die Betroffenen unterjochen und bestrafen. Sie versuchen mit Ihrer Fundamentalkritik, Frau Kipping, das System zu diskreditieren. Damit bedienen Sie, finde ich, eine plumpe Haltung, nämlich die Haltung: Die da oben machen nichts für uns da unten.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Fragen Sie doch mal die da unten! Die sehen das genauso!)
Damit, finde ich, sind Sie keinen Deut besser als die AfD.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit so einer Debattenkultur vergiften Sie die Diskussion in Deutschland.
Deshalb möchte ich eines richtigstellen: Hartz IV ist kein System, um Menschen zu gängeln. Hartz IV ist auch kein System, um Menschen mit sinnlosen Beschäftigungen zu traktieren. Hartz IV ist vielmehr ein System, um Menschen vor Armut zu schützen, indem wir ihnen Leistungen zahlen, und vor allem, indem wir sie in Arbeit vermitteln. Darum geht es bei diesem Änderungsgesetz.
(Beifall bei der CDU/CSU – Karin Binder [DIE LINKE]: Schön wäre es! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das ist verhindert!)
Da sind wir nicht allein, sondern das sehen auch andere so. Ich möchte aus der Anhörung den Deutschen Landkreistag zitieren. Sein Vertreter hat gesagt:
Vor dem Hintergrund unterstützen wir den Gesetzentwurf nach Kräften. Wir waren auch Beteiligte in der AG Rechtsvereinfachung vor zwei Jahren und begrüßen sehr, dass viele Vorschläge der AG hier Umsetzung erfahren.
Auch die Bundesagentur für Arbeit begrüßte die Pläne zur Rechtsvereinfachung. Sie habe sie von Anfang an unterstützt, „auch um mit den vorhandenen Personalkapazitäten mehr Mitarbeiter für Beratung und Vermittlung zur Verfügung zu haben“.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben auch gesagt: Das ist mehr Aufwand!)
Wir versuchen, mit diesem Gesetz mehr Menschen in Arbeit zu bekommen. Das ist wie bei einem Marathonlauf. Es braucht viel Training, es braucht Unterstützung am Wegesrand, und es braucht Verpflegungsstationen unterwegs, damit die Menschen ins Ziel kommen.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider geht bei Kilometer 20 den meisten die Puste aus!)
Dieses Gesetz optimiert das Training, indem wir zum Beispiel die sozialpädagogische Begleitung stärken. Das hilft den Arbeitslosen, ihre individuellen Probleme zu lösen. Wir sorgen für mehr Unterstützung am Wegesrand, indem wir die Ausbildungsförderung verbessern. Unser Grundsatz lautet da: Wer an der Werkbank schuftet, muss mehr haben als derjenige, der auf der Parkbank sitzen bleibt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann macht das doch mal! Das ist doch gerade nicht der Fall!)
Und wir bauen einige neue Verpflegungsstationen auf. Kollege Zimmer hat schon die Verbesserungen bei den Arbeitsgelegenheiten genannt. Ich möchte auch noch einmal ganz klar die Öffnung der Integrationsbetriebe für schwerbehinderte Langzeitarbeitslose ansprechen. Mit Integrationsbetrieben haben wir in Deutschland gute Erfahrungen gemacht, Menschen mit besonderem Handicap am ersten Arbeitsmarkt einen sinnvollen Job zu geben. Das können wir jetzt eben auch für die schwerbehinderten Langzeitarbeitslosen. Darauf bin ich sehr stolz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass wir es den Menschen mit diesen Verpflegungsstationen ermöglichen, diesen Marathonlauf bis zum Ende tatsächlich zu schaffen.
Ich mache kein Hehl daraus, dass Hartz IV sicherlich nicht das perfekte System ist. Das habe ich selbst erlebt, als ich Langzeitarbeitslose begleiten durfte. Auch in meinem persönlichen Umkreis habe ich es erlebt. Ich habe aber auch eines daraus gelernt: Der Hartz‑IV-Satz lindert die Arbeitslosigkeit, aber er hilft nicht, sie loszuwerden. Für Betroffene ist der Hartz‑IV-Satz nicht das, was sie wirklich umtreibt, sondern es ist die Perspektivlosigkeit, das Zählen der Wochen, Monate und Jahre bis zur nächsten Maßnahme oder bis zum nächsten Bewerbungsgespräch.
Mein Wunsch für die Zukunft ist, dass wir verstärkt darüber nachdenken, ob wirklich alles, was wir bei Hartz IV tun, hilft, die Betroffenen in Arbeit zu bringen. Das steht für mich auch für die Zukunft im Vordergrund.
(Katja Kipping [DIE LINKE]: Die aktive Arbeitsmarktpolitik aufstocken!)
Ob das der Fall ist, daran kann man wirklich seine Zweifel haben.
(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Einen Beleg dafür gibt es; denn noch immer kann sich nur die Hälfte aller Mitarbeiter in den Jobcentern wirklich um die Probleme der Betroffenen kümmern. Solange das so bleibt, haben wir noch jede Menge Arbeit vor uns. Eine davon ist, heute diesem Gesetz zuzustimmen.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Damit ist die Aussprache beendet, und wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/8909, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/8041 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen. Zunächst stimmen wir ab über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8922.
Bleiben Sie bitte auf Ihren Plätzen. Sonst kann ich nachher nicht das richtige Stimmenverhältnis wiedergeben. Wir sind noch nicht bei der namentlichen Abstimmung.
Wir sind beim Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/8922. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Wir kommen nun zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/8923. Wir stimmen über diesen Änderungsantrag auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ich sehe, dass alle Urnen besetzt sind. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ich bitte darum, dass nicht alle den Saal verlassen, auch wenn sie abgestimmt haben. Wir haben nachher noch einige Abstimmungen. Das jetzt sind nur Abstimmungen über Änderungsanträge. Bitte bleiben Sie im Plenarsaal.
Gibt es noch Abgeordnete hier im Saal, die ihre Stimmkarte nicht eingeworfen haben? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses ist die Sitzung unterbrochen. Anschließend stimmen wir über den Gesetzentwurf ab.
(Unterbrechung von 19.54 bis 20.03 Uhr)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6947640 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 179 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des SGB II - Rechtsvereinfachung |