Norbert Lammert - Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Besteuerung von Einkommen und Vermögen nach Leistungsfähigkeit ist kein ideologischer Unsinn. Es geht hier, wie gesagt, nicht um ideologische Scheuklappen, sondern darum – es ist traurig, dass wir die CSU immer wieder an ihre eigene Verfassung erinnern müssen –
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ach du meine Güte! Ausgerechnet Sie!)
– Ihre Verfassung! –, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner zu verhindern.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Warum ist denn die Wirtschaft in Bayern besser als in Schleswig-Holstein?)
– Schön, dass Sie wach sind; guten Morgen!
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, was darf die Länderkammer erwarten, wenn ihr am 8. Juli 2016 ein neues Regelwerk für die Erbschaftbesteuerung von Unternehmen vorgelegt wird?
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben nicht zugehört!)
– Ich habe zugehört. – Die Länderkammer darf erwarten, dass es einen Vorschlag gibt, der eindeutig verfassungs- und gestaltungsfest ist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Länderkammer darf erwarten, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes berücksichtigt werden.
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nichts haben Sie als Länder gemacht! Weggeduckt haben Sie sich! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo ist denn Ihr Gesetzentwurf?)
– Dazu komme ich gleich. Der Bundesrat hat sich sehr wohl positioniert.
Einen Augenblick! Im Augenblick hat Frau Heinold das Wort. Es gibt ja noch weitere Redner. – Bitte schön.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber Zwischenrufe sind erlaubt!)
Die Länderkammer darf erwarten, dass die Einnahmesituation und die finanziellen Auswirkungen auf die Länder klar und nachvollziehbar benannt werden, und zwar nicht erst im Jahr 2040, sondern jetzt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Da hätten wir bessere Aussagen von einer Finanzministerin erwartet!)
Wir dürfen auch erwarten, dass es ein Gesetz gibt, das die Erben tatsächlich nach ihrer Leistungsfähigkeit gerecht besteuert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Dann legen Sie doch eins vor! – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben ja nichts vorgelegt!)
– Ich komme dazu.
Meine Damen und Herren, das, was Sie uns vorlegen, wird all diesen Ansprüchen nicht gerecht.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben nichts vorgelegt!)
– Das ist falsch – ein bisschen Geduld –; dazu komme ich noch.
Meine Damen und Herren, der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung ist von Tag zu Tag verwässert worden. Das waren keine kleinen Änderungen. Ich habe den Bericht des Finanzausschusses gelesen. Dort ist unter einer Tabelle zu den Finanzen von einer „Vielzahl komplexer Änderungen“ die Rede; so komplex, dass Sie uns noch nicht einmal sagen können, was das für die Länder finanziell bedeutet.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Diese Änderungen wurden von der CSU in letzter Minute durchgedrückt. Das ist Ihr Problem, meine Damen und Herren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Beibehaltung der Privilegien, Verschonungsregelungen: ein Ritt auf der Rasierklinge der Verfassungswidrigkeit.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Hahaha!)
Die Messlatte der Steuergerechtigkeit wird gerissen. Die Länder können knobeln, wie viel ihnen an Einnahmen für Bildung, Teilhabe und all das, was wir finanzieren müssen, bleibt.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie kriegen ja Geld vom Bund! Stellen Sie sich nicht so an!)
Ich sage Ihnen: Als grüne Finanzministerin kann ich dem nicht zustimmen. Ich freue mich, dass ich damit nicht alleine bin.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie wollen noch mehr Geld vom Bund!)
Meine Damen und Herren, Ihr eigener Bundesfinanzminister hatte am Anfang der Debatte einen Eckpunkteplan vorgelegt, von dem Lisa Paus sagt: Das war schon schwierig genug. – Ich sage über diesen Plan: Das wäre ein Kompromiss, damit Bundestag und Bundesrat zueinanderkommen
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich haben die Länder gearbeitet, und zwar nicht wie Sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion,
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Eine Unverschämtheit!)
sondern ordnungsgemäß über den Bundesrat. Wir haben Ihren Regierungsentwurf genommen und ihn um die Stellungnahme der Länder ergänzt.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Gar nichts haben Sie gemacht! Blockiert haben Sie! Nur blockiert!)
Dem ist im Bundesrat mit Mehrheit zugestimmt worden. Wo ist denn Ihr Problem? Ihr Problem ist, dass Sie die CSU an Bord haben und dass diese alles blockiert, was verfassungskonform wäre.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, sowohl der Eckpunktekatalog von Schäuble als auch der Regierungsentwurf, ergänzt um die Stellungnahme der Länder,
(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ah ja!)
wäre eine Grundlage, um bei einer Erbschaft auch den Fortbestand der Betriebe zu gewährleisten. Kein normaler Mensch bezweifelt das, glaube ich. Damit würde der Erhalt der Arbeitsplätze gesichert. Er wäre auch im Vergleich zur geltenden Rechtslage eine leistungsgerechtere Besteuerung.
Das wäre nicht das, was ich mir wünsche und was auch viele Experten sagen, die davon sprechen, dass wir die Erbschaftsteuer im Grundsatz vom Kopf auf die Füße stellen sollen; Stichwort Flat Tax. Aber Bundestag und Bundesrat müssen aufeinander zugehen. Wir brauchen ein verfassungskonformes Gesetz. Wir brauchen Rechtssicherheit für die Betriebe.
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Dass der Albig Sie zur Ministerin gemacht hat, ist eine Schande!)
Meine Damen und Herren, noch einmal mit Blick auf die SPD: Wir müssen der Reinigungskraft Frau Neumann aus Gelsenkirchen aufrichtigen Herzens versichern können, dass es in unserem Staat gerecht zugeht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
In diesem Sinne hoffe ich, meine Damen und Herren, dass es der Bundesrat besser macht, als Sie es heute vermutlich machen werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Kiziltepe für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6949340 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 180 |
Tagesordnungspunkt | Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz |