24.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 180 / Zusatzpunkt 9

Lothar BindingSPD - Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte zunächst eine Bemerkung zu Ministerin Heinold machen; denn ich kann ihre Kritik in Teilen verstehen. Aber dann irritiert wirklich, dass die Länder für eine Ländersteuer kein eigenes Gesetz vorgelegt haben. Die Möglichkeit hätte bestanden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

In diesem Gesetz hätten Sie all die Punkte, die Sie berechtigterweise ansprechen, regeln können. Insofern fand ich das ein bisschen gewagt.

Ich habe vorhin applaudiert, als Carsten Schneider gesagt hat, wir hätten ein gutes Gesetz gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man hat sich sehr bemüht!)

Ich meine auch, dass wir im Rahmen der Möglichkeiten, die wir haben, ein gutes Gesetz gemacht haben. Nun muss man sagen: Der Rahmen ist nicht ganz einfach. Das Bundesverfassungsgericht hat uns eine Reihe von Bedingungen diktiert, die aber doch unspezifisch sind. Wir hatten viele Möglichkeiten, über die einzelnen Grenzen zu streiten.

Etwas hat mich sehr gestört. Da spreche ich Ralph Brinkhaus, Gerda Hasselfeldt und Carsten Schneider an; denn die haben einen sehr guten Kompromiss erarbeitet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn man so etwas erreicht hat und alle unterschreiben das – vielen Dank für den Applaus –, dann frage ich mich, wie es möglich ist, dass die CSU nach Hause geht, anschließend zurückkommt und dann sagt: Wir machen doch nicht mit. – Diese Art der Unzuverlässigkeit mindert das Vertrauen in die Politik.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich meine, an Vereinbarungen muss man sich halten. Dann sind alle auf einem verlässlichen Pfad. Ich glaube, was da passiert ist, hat große Verwerfungen zur Folge gehabt.

Insofern ist das, was Sigmar Gabriel, die Kanzlerin und Herr Seehofer verhandelt haben, fachlich marginal, aber politisch wichtig. Ich bin Sigmar Gabriel dankbar, dass es ihm in diesem Dreiecksverhältnis gelungen ist, den Streit zwischen CDU und CSU zu schlichten. Interessant ist, dass das Aufgabe der SPD geworden ist.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist tatsächlich bemerkenswert.

Wir sind für eine weitere Randbedingung: Wir wollten das Aufkommen erhalten und sogar erhöhen. Das mag nicht ganz leicht sein. An meinem Platz stehen zwei Gläser. Am Inhalt dieser Gläser spiegelt sich all das wider, was in Deutschland erarbeitet wird. Das, was in dem einen Glas ist, entspricht fast allem; es gehört ganz wenigen. In dem anderen Glas ist nichts; das entspricht dem, was allen anderen gehört. Das Bruttovermögen je Haushalt in Deutschland liegt bei 240 000 Euro. Ich bitte Sie, die Zuhörerschaft, einmal zu prüfen, wer von Ihnen ein Vermögen von 240 000 Euro hat und wie viele ein Vermögen haben, das darunter liegt. Unabhängig davon, wer nun ein Handzeichen gibt, weiß ich: Das Vermögen der meisten liegt darunter. Übrigens beträgt das durchschnittliche Nettovermögen 215 000 Euro. 10 Prozent der Menschen verfügen über 60 Prozent des Vermögens. Der Gini-Koeffizient liegt bei 76 Prozent. Das ist im internationalen Vergleich sehr hoch.

80 Prozent der Vermögen stammen aus Erbschaften. Nun haben wir heute von Hans Michelbach gelernt: Erwirtschaften geht vor Verteilen. Ich sage es noch einmal: Erwirtschaften geht vor Verteilen. Ich kenne ganz viele Töchter und Söhne, an die wurde zuerst verteilt, und anschließend wurde das Unternehmen, das sie erbten, ruiniert. Was Hans Michelbach gesagt hat, ist also eigentlich falsch. Die meisten Vermögen entstehen nicht durch Erwirtschaften, sondern durch Verteilen, bevor etwas erwirtschaftet worden ist. Das ist die Realität.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Sozialismus!)

– Ich beschreibe eigentlich nur die jetzigen Verhältnisse. Wenn das Sozialismus ist, dann ist das eine interessante Sache, was die Unternehmen angeht.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Insofern ist es wichtig, dass wir Konzentrationsprozessen begegnen. Dazu muss man sagen: Obwohl es im Rahmen unserer Möglichkeiten ein guter Gesetzentwurf ist, werden wir das Ziel, diesen Prozessen zu begegnen, mit Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs nicht erreichen. Sie fragten: Warum verabschieden wir ihn trotzdem? Die Antwort ist einfach: Wir wollen die Erbschaftsteuer natürlich erhalten, die sonst infrage gestellt worden wäre, und wir wollen die Arbeitsplätze erhalten. Das sind zwei wichtige Kriterien, derentwegen wir diesem Gesetzentwurf natürlich zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, wir überprivilegierten. Die Überprivilegierung haben wir zurückgenommen. Insofern wird das Gesetz verfassungsfester sein.

Herr Kollege.

Eine Sekunde noch. – Allerdings muss man feststellen: In den Anhörungen haben die Sachverständigen zum Teil gesagt, das Gesetz sei zulässig. Andere Sachverständige haben gesagt: Es ist unzulässig. Im Spannungsfeld dieses Urteils ist es klug, dass sich Norbert Walter-­Borjans eine Prüfung vorbehalten hat. Das ist nicht nur sein gutes Recht, sondern auch seine Pflicht. Das entspricht unserem Umgang mit einer guten Gesetzgebung. Deshalb kann man diesem Gesetzentwurf heute zustimmen. Alles andere obliegt der Zukunft.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6949396
Wahlperiode 18
Sitzung 180
Tagesordnungspunkt Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta