24.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 180 / Tagesordnungspunkt 24

Sigmar Gabriel - EEG-Novelle 2016

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Sie müssen nicht schon schimpfen, bevor ich das erste Wort gesagt habe.

(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wir haben gesagt: Wir sind gespannt!)

– Sie sind gespannt?

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!)

– Das glaube ich Ihnen auch nicht.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielleicht können wir in dieser hitzigen Debatte, Herr Kollege Krischer, versuchen, zumindest eine Sache zu vermeiden: persönliche Angriffe auf Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ich bin mit Michael Fuchs nicht immer einer Meinung. Aber ihm Redlichkeit zuzusprechen, finde ich, ist selbstverständlich. Übrigens: Auch die, die anderer Meinung sind, machen einen gelegentlich auf Probleme aufmerksam. Ich finde, man kann über das Ganze auch in etwas ruhigerer Form diskutieren, zumal dann, wenn es einem um die Sache geht. Deswegen würde ich gerne ein paar Bemerkungen zu Ihren Behauptungen machen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Hubertus Heil hat völlig recht: Die gleichen Reden – fast wortgleich; nachher kommt ja noch so eine – haben Sie in der Debatte zur Reform des EEG 2014 schon einmal gehalten:

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja?)

„Bremsklotz“, „Untergang der Energiewende“, „kein Klimaschutz mehr“, „Beendigung der Energiewende“.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Abrissbirne“!)

Sie haben beim letzten Mal auch einen Begriff wie „Kulturrevolution“, „Konterrevolution“ oder so benutzt.

Die Wahrheit ist, dass wir mit dem EEG 2014 – übrigens auch mit Zustimmung der von den Grünen mitregierten Länder – in der Tat die Kosten gesenkt haben. Was war das Ergebnis? Das Ergebnis war, dass wir in den letzten zwei Jahren den größten Zubau erneuerbarer Energien in der Geschichte des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes hatten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nichts von dem, was Sie damals befürchtet haben, ist eingetreten.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Die Solarenergie ist weg, und die Bioenergie ist weg! Aber was soll’s, Herr Gabriel!)

– Warten Sie, Herr Krischer! Seien Sie sich sicher: Ich antworte Ihnen.

Sie sagen dann: Das war aber nur bei der Windenergie so. – Gleichzeitig geben Sie aber zu, dass wir hier 2 500 Megawatt geplant und mit knapp 4 000 Megawatt eine weite Überschreitung erreicht haben.

Dann sagen Sie: Ja, aber bei der Photovoltaik hat nichts mehr stattgefunden. – Sie müssen aber auch hier redlich bleiben. Das liegt nämlich daran, dass in der Tat wegen einer zu häufig wechselnden Finanzierung drei Jahre lang davor jedes Jahr mehr als 7 000 Megawatt ausgebaut wurden. Der Markt ist hinterher zusammengebrochen, weil die wechselnden Rahmenbedingungen zunächst zu gigantischen und danach zu relativ geringen Zubauten geführt haben, was übrigens dazu führt, dass wir jetzt bei dem von Ihnen damals kritisierten EEG 2014 die Kostendegression lockern, damit wieder mehr zugebaut wird.

Sie sagen immer nur die halbe Wahrheit, und ich finde, das tut der Energiewende nicht gut. Ich komme zu noch ein paar solcher Beispiele.

Biomasse zum Beispiel: Die Biomasse ist eine Technologie, die in den letzten 20 Jahren jedes Jahr teurer geworden ist. Das Technologiefördergesetz hatte das Ziel, die erneuerbaren Energien preiswerter zu machen. Ich kann der Öffentlichkeit doch nicht jahrelang erklären, dass sie über den Strompreis mithelfen muss, die Technologie, die irgendwann billiger wird, zu fördern, und nach 20 Jahren sagen: „Das hat in dieser Form nicht stattgefunden, aber macht euch keine Sorgen, ihr müsst das weiter bezahlen“, zumal dann nicht, wenn sie sie in dem Umfang nicht brauchen. Wir bauen sie jetzt weiter aus, aber nicht so, dass das ein erheblicher Kostenblock bleibt, weil wir mehr nicht brauchen. Wir können doch nicht einfach die Augen davor verschließen.

Nun zu dem Argument, das würde die Energiewende ausbremsen: Die erneuerbaren Energien haben jetzt einen Anteil von 33 Prozent. Bis 2025 werden wir den Anteil auf vermutlich über 45 Prozent steigern. Das ist doch kein Ausbremsen, kein Abwürgen. Sie können sagen, dass sie sich 50 oder 60 Prozent wünschen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNE]: Sagen Sie mal etwas zum Klimaschutz! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, nicht „wünschen“!)

– Ja, das ist ganz einfach: Die Behauptung, diese Entwicklung der erneuerbaren Energien würde die Klimaschutzziele in Deutschland beschädigen, ist schlicht falsch.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sagen Ihnen alle Wissenschaftler etwas anderes! – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechnen Sie uns das vor!)

– Herr Krischer, ich habe Ihnen zugehört; hören Sie mir einfach auch zu. Es ist ganz einfach. Das müssen Sie ertragen; ich muss es ja auch ertragen. – Sie haben für Ihre Behauptung übrigens auch keinerlei Belege; aber das ist ja üblich.

Ich finde, Sie tun damit auch denjenigen keinen Gefallen, die sich für erneuerbare Energien einsetzen, weil sie den Eindruck haben, ihr ganzes Engagement würde in den Wind geschrieben. Das Gegenteil ist der Fall: Es geht weiter. Wenn Sie jetzt mehr ausbauen wollen, dann müssen Sie allerdings auch die Frage nach dem Stromnetz beantworten.

Ich höre jetzt: Das ist doch bei Offshorewind das eigentliche Problem. – Ja, das stimmt. Demnächst bekommen wir etwas, was wir nie hatten – und was Sie übrigens wollten –, nämlich jedes Jahr zusätzliche Offshorewindparks, die eine weit höhere Windausbeute weit besser und stabiler liefern als Anlagen an Land.

Wir werden 200 circa 7 000 Megawatt erreichen. Jürgen Trittin hat einmal einen Plan zum Ausbau im Bereich Offshore an mich übergeben, der das Ziel hatte, 2030 mehr als 20 000 Megawatt zu erreichen. Ich habe schon in meiner Zeit als Umweltminister das Ziel heruntergesetzt. Diskreditieren Sie die Offshorewindenergie, die Sie noch vor ein paar Jahren aus einem guten Grund für richtig gehalten haben, jetzt doch nicht in der Öffentlichkeit.

(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nicht ein Wort zu Offshore gesagt!)

Aus welchem guten Grund?

Ich werde mir einmal den Spaß machen, der IG Metall Küste die Position der Vorsitzenden der Linkspartei zu übermitteln. Frau Kipping, die Linke ist doch eine den Gewerkschaften offenstehende Partei. Niedersachsen und Norddeutschland haben 30 Jahre Deindustrialisierung hinter sich. Zum ersten Mal seit langer Zeit entstehen dort neue industrielle Arbeitsplätze, und zwar nicht nur im Bereich Onshore, sondern insbesondere auch an den Küstenstandorten, im Bereich Offshore. Sie sagen jetzt: Ihr dürft nicht so viel Offshore zubauen. – Sagen Sie das einmal den Facharbeiterinnen und Facharbeitern in den Einrichtungen dort!

(Beifall bei der SPD)

Nein, man kann nicht immer an unterschiedlichen Stellen das jeweilige Gegenteil sagen. Auf der einen Seite sagen Sie: „Das ist wunderbar, wir kämpfen für euch“, während Sie auf der anderen Seite deren Arbeitsplätze infrage stellen.

Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch genau Ihr Programm!)

– Bitte? Stellen Sie einfach eine Frage; ich kann Sie nicht hören. Sie trauen sich nicht, eine Frage zu stellen, weil ich dann antworte; das verstehe ich.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Gustav Herzog [SPD]: Ja, stellen Sie doch einmal eine Frage! Auf!)

Wenn es um die Netze geht, dann geht es nicht nur um Süddeutschland, sondern auch darum, dass sie in Norddeutschland nicht ausreichend ausgebaut worden sind, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Einer der Gründe war, dass den Forderungen der Grünen und auch unseren Forderungen, die Erdverkabelung möglich zu machen, viel zu lange nicht nachgekommen wurde. Das haben Sie immer zu Recht gefordert, und wir auch. Gott sei Dank ist es jetzt endlich gelungen.

(Beifall bei der SPD)

Es stimmt auch nicht, dass die Erdverkabelung teurer ist. Noch teurer ist es nämlich, keine Kabel zu legen und sich ständig vor Verwaltungsgerichten zu bewegen. Das ist noch viel teurer.

(Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deswegen ist die Erdverkabelung absolut richtig. Aber sie ist eben noch nicht da.

Jetzt geht es nicht darum, Onshorewindanlagen zu deckeln; denn Onshorewindanlagen sind die preiswerteste Form der erneuerbaren Energien. Vielmehr geht es darum, dass wir derzeit, da wir keine Netze haben, Anlagen abregeln und den Strom zweimal bezahlen müssen: Einmal müssen wir den Windmüller und einmal das Kraftwerk in Österreich bezahlen, damit es den Strom nach Süddeutschland liefert. Das nennt man – das wissen Sie – Redispatch-Kosten. Diese betragen derzeit 1 Milliarde Euro, wenn wir nicht aufpassen, über 4 Milliarden Euro.

Dann kommt von Ihnen: Ja, dann müsst ihr die Atomkraftwerke schneller abstellen. – Sagen Sie einmal: Für wie fahrlässig halten Sie uns? Glauben Sie wirklich, wir hätten bei der Berechnung der Netzkapazitäten nicht berücksichtigt, dass Atomkraftwerke vom Netz gehen? Natürlich haben wir das gemacht.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich versuche seit drei Wochen, diese Berechnung zu bekommen! Dann geben Sie sie mir doch einmal!)

– Mensch, Maestro, nun hör doch einfach einmal zu!

(Heiterkeit)

Sie haben eben gesagt, Sie würden es aufgeben, Argumente vorzutragen. Das setzt so einen aufklärerischen Impetus und vermittelt den Eindruck, Sie seien sonst an Argumenten interessiert. Dann möchte ich Ihnen sagen: Hören Sie einmal zu. – Jetzt geht es darum, dass wir die Kapazitäten des Netzes so berechnet haben, dass Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Klar haben wir das gemacht. Übrigens haben wir auch berücksichtigt, dass ein Stromkabel nach Norwegen gelegt wird. Trotzdem – das ist ein gutes Argument – ist der Zubau Erneuerbarer so groß, auch in Zukunft im Norden, dass wir auf jeden Fall neue Netze brauchen, um diesen Erfolg der Erneuerbaren in wirtschaftliche Praxis umzusetzen. Das ist doch nichts Schlimmes. Das machen wir übrigens schon ein paar Jahre.

Ich erinnere an die Tatsache, dass alle Bundesländer diesem Kompromiss zugestimmt haben. Ich weiß, dass sie im Bundesrat Änderungen beantragen; das ist okay.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 50!)

– Mensch, ich glaube, sie haben beim letzten Mal 80 Änderungen beantragt. Aber hinterher haben sie dem Kompromiss zugestimmt.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Das ist doch nicht wahr. Passen Sie einmal auf: Das können Sie gerne sich selbst und anderen erzählen. Aber wer dabei war – ich habe die Verhandlungen mit geleitet –,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr objektiv!)

der weiß, dass Ihr Staatssekretär im Auftrag von Herrn Kretschmann gesagt hat: Ich könnte mir mehr vorstellen, aber ich stimme diesem Kompromiss zu, weil hier jeder Kompromisse machen muss. – Auch Sie sollten so klug sein. Man kann nicht mit dem Kopf durch die Wand. Das waren Grüne, die so argumentiert haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Übrigens hat der Ministerpräsident von Thüringen diesen Kompromiss am Ende dieser Veranstaltung ausdrücklich gelobt, und er ist ein Mitglied der Linkspartei. Sie machen hier im Deutschen Bundestag ein Theater um dieses Thema, das all diejenigen, die sich in der Sache bemühen, zu Lösungen zu kommen, schwer nachvollziehen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Letzte Bemerkung von Ihnen, auf die ich eingehen möchte: Wir machen das nur für die Konzerne. – Jetzt will ich Ihnen einmal Folgendes sagen: Frau Kipping, es wäre nicht schlecht, wenn Sie das Gesetz zur Kenntnis nehmen würden, anstatt Dinge zu behaupten, bei denen das Gegenteil richtig ist und die im Gesetz stehen. Sie haben gerade gesagt: Wie wollen wir es erreichen, dass die kleinen Bürgerenergiegenossenschaften die Planungskosten bezahlen? Das können sie doch gar nicht. – Das haben Sie hier fast wörtlich gesagt. Schauen Sie einmal ins Gesetz: Diese Genossenschaften haben gar keine Planungskosten. – Wissen Sie, was eine Bürgerenergiegenossenschaft braucht, um sich an einer Ausschreibung zu beteiligen? Erstens ein Grundstück – das ist nicht schlecht, wenn man eine Windenergieanlage aufstellen will – und zweitens ein Windgutachten; das war es. Das Risiko der Planungskosten von 100 000 Euro pro Anlage müssen eben nur die Unternehmen tragen, nicht die Bürgerenergiegenossenschaften. Das ist eine Privilegierung. Behaupten Sie doch nichts Falsches. Sie schrecken mit solchen Argumenten die Leute ab, sich für Windenergie zu engagieren, die wegen der Kosten keine Angst zu haben brauchen. Warum betreiben Sie eine solche Propa­ganda?

Wo haben sich bei einer Ausschreibung für Photovoltaikanlagen die meisten Energiegenossenschaften gemeldet? Als der Ausschreibungspreis am niedrigsten war! Das war nach drei Ausschreibungsrunden, als der Preis nicht mehr bei 11 Cent, 9 Cent, sondern bei zum Teil unter 7 Cent pro Kilowattstunde lag.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es hat sich eine Genossenschaft beworben!)

Warum kommt man zu solchen Preisreduzierungen? Das ist ganz einfach. Wenn der Deutsche Bundestag, wenn der Staat die Preise festlegt, dann rechnet sich doch jeder aus, wie hoch er gehen kann, damit er sich eine Scheibe vom Kuchen abschneiden kann. Dabei kommen Sie auf Einnahmen von 30 000 bis 40 000 Euro pro Hektar im Jahr. Das ist ein wunderbares Einkommen. Ein paar Arbeitnehmer in Deutschland würden sich freuen, wenn sie so viel hätten. Diese Summe kommt dadurch zustande, dass der Staat die Preise festsetzt.

Jetzt gehen wir in die Ausschreibung. In der Ausschreibung kann man dieses Spiel nicht mehr weitertreiben. Deswegen haben die Bürgerenergiegenossenschaften bei Photovoltaikanlagen genau da die Chance gehabt, als die Preise am niedrigsten waren. Das hilft den Genossenschaften, aber das hilft eben auch den Menschen.

Meine Bitte ist, dass wir versuchen, uns von Weltuntergangsszenarien zu verabschieden, sowohl bei den Preisen als auch bei der Energiewende. Es wäre besser, sich anzuschauen, was im Gesetz steht, und sich darüber zu freuen, dass der Erfolg der Energiewende nicht zu bremsen ist und übrigens auch die Erneuerbaren nicht. Dies muss jedoch in einer Art und Weise geschehen, dass uns die Leute nicht einen Vogel dafür zeigen, dass wir Anlagen bauen, aber den Strom nicht transportieren können. Dann halten uns die Leute schlicht für bekloppt. Ich finde, der Ruf der Politik sollte nicht dadurch noch schlechter werden, dass dieser Eindruck durch die Gesetzgebung bestätigt wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6949877
Wahlperiode 18
Sitzung 180
Tagesordnungspunkt EEG-Novelle 2016
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