Julia VerlindenDIE GRÜNEN - EEG-Novelle 2016
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage mich manchmal, was die Bundesregierung und die Regierungskoalition eigentlich unter Energiewende verstehen. Wir haben gestern Subventionen für Braunkohle beschlossen, genauer: Sie haben diese Subventionen beschlossen. Heute Morgen haben Sie dafür gesorgt, dass die Erdgasindustrie weiter frackt, und jetzt sprechen wir über ein Ausbremsen der erneuerbaren Energien. Das ist aus unserer Sicht keine Energiewende.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Birgit Wöllert [DIE LINKE])
Die von Ihnen so oft genannte Sektorkoppelung bedeutet, dass wir weniger fossile Treibstoffe und weniger fossile Heizstoffe verwenden, dafür aber mehr Strom, und zwar Erneuerbarenstrom. Welche Bedeutung das für den Ausbau der erneuerbaren Energien hat, das scheinen Sie noch nicht ganz zu begreifen.
Sie sagen immer: Wir schaffen bis 2025 unser Ziel 40 bis 45 Prozent erneuerbare Energien im Stromsektor. Wir Grünen finden: Das ist viel zu wenig. Aber lassen wir das einmal dahingestellt sein. Sagen wir einmal, Sie wollen dieses Ziel erreichen. Dann kann das Ganze doch nicht funktionieren, wenn Sie diese 40 oder 45 Prozent auf den aktuellen Stromverbrauch in Deutschland beziehen, also auf die augenblicklich 600 Terawattstunden. Sie müssen sich doch fragen: Wie viele Elektrofahrzeuge haben wir bis dahin? Wie viel Strom wird, etwa über die Technologien PtX oder PtH, in Wärme umgewandelt? Wie viel nutzen wir davon?
Das heißt, der Strombedarf wird in den nächsten Jahren immer steigen, wenn das, was Sie wollen, nämlich Sektorkoppelung, zur Realität wird. Das wiederum heißt – das ist ein einfacher Dreisatz –: Wenn man 40 oder 45 Prozent EE-Strom haben will, dann muss der Ausbau der erneuerbaren Energien Jahr für Jahr umfangreicher sein als das, was Sie jetzt vorgesehen haben; schließlich kommen Sie sonst angesichts des zusätzlichen Strombedarfs ja nicht hin.
(Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Wir haben doch jetzt schon 20 Prozent Überschuss!)
Anfang der Woche wurde dazu eine Studie von der HTW Berlin vorgestellt. Darin wird vorgerechnet, dass wir bei der Umstellung des Strom-, des Verkehrs- und des Wärmesektors bis zum Jahr 2040 doppelt so viel Strom verbrauchen wie heute. Das klappt übrigens nur, wenn wir zusätzlich alle Energieeffizienzpotenziale nutzen. Auch da gibt es im Moment Handlungsbedarf. Ansonsten werden wir womöglich eine Verfünffachung des Stromverbrauchs erleben.
Wenn wir die Energiewende im gleichen Tempo wie in den letzten Jahren fortführen, dann wird sie im Jahr 2150 abgeschlossen sein. Die Bundesregierung hat in Elmau und Paris etwas ganz anderes zugesagt: Wir wollen die Energiewende bis spätestens 2050 vollzogen haben. – Das heißt, wenn wir jetzt nicht an Tempo zulegen, dann kommen wir ganze 100 Jahre zu spät. Leider wollen Sie den Ausbau der Erneuerbaren aber nicht voranbringen; Sie wollen nicht einmal das bisherige Tempo beibehalten. Stattdessen treten Sie auf die Bremse und legen erst einmal eine Energiewendepause ein.
Lassen Sie mich Ihnen das kurz vor Augen führen.
(Zuruf des Bundesministers Sigmar Gabriel)
– Herr Gabriel, Sie haben eben gesagt, dass es gut ist, wenn andere eine andere Meinung haben; denn dann kann man sie auf ein Problem aufmerksam machen. Mein Anliegen eben war, auf die Bereiche Sektorkoppelung, Stromverbrauch usw. einzugehen.
Zwischen 2021 und 2025 gehen Windenergieanlagen mit einer Leistung von über 16 000 Megawatt vom Netz. Dagegen sollen im gleichen Zeitraum im besten Fall nur 14 500 Megawatt Energie neu aufgebaut werden. Das heißt unter dem Strich in dem Zeitraum 2021 bis 2025 ein Minus von 1 500 Megawatt Windenergie. Ich frage Sie: Ist das ein Ausbau? Ausbau heißt doch mehr und nicht weniger.
Mit diesem Gesetzentwurf bremsen Sie aber nicht nur die Energiewende an sich aus, sondern Sie schließen auch die Bürgerinnen und Bürger von ihr aus. Eine Energiewende gegen die Bürgerinnen und Bürger wird aber keinen Erfolg haben.
Wir haben im Ausschuss noch die Möglichkeit, dieses Gesetz in vernünftige Bahnen zu lenken. Lassen Sie uns ein Gesetz verabschieden, mit dem wir einen echten Ausbau der erneuerbaren Energien erreichen und die Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende teilhaben lassen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Johann Saathoff für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6949937 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 180 |
Tagesordnungspunkt | EEG-Novelle 2016 |