Stephan HarbarthCDU/CSU - Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte kein Problem damit, wenn Herr Kollege von Notz einen kleinen Moment länger sprechen würde, wenn er sich wenigstens mit der Sicherheitslage auf unserem Planeten befassen würde,
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
statt Schilderungen vorzutragen, die mit Deutschland und Europa schlicht und ergreifend nichts gemein haben.
Ich möchte gar nicht mehr in aller Ausführlichkeit auf den Inhalt des Gesetzentwurfes, über den wir heute abschließend debattieren, eingehen; das hat Herr Staatssekretär Krings bereits getan. Ich möchte meinen Blick vielmehr auf die Fragen richten: Wo stehen wir eigentlich bei der Terrorismusbekämpfung? Was tut not?
Wir haben eine sehr ernste Bedrohungslage. Die Zahl der Gefährder in Deutschland ist in den vergangenen Jahren sehr stark gestiegen; derzeit sind es rund 500. Über 100 Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sind seit 2001 Opfer terroristischer Straftaten geworden. Auch Deutschland ist im Visier des internationalen Terrorismus. Wir sollten nicht den Fehler begehen, auf ein rasches Ende dieser Bedrohung zu setzen. Denn alle Hoffnungen, die wir in den vergangenen 15 Jahren darauf gerichtet haben, haben sich als trügerisch erwiesen.
Rund 4 500 Personen aus ganz Europa sind bislang nach Syrien und in den Irak gereist, um sich dem Krieg des „Islamischen Staates“ anzuschließen. Wenn der militärische Kampf gegen den IS erfolgreich ist und seine Zurückdrängung gelingt: Was werden diese Personen tun? Mancher wird sein Leben verloren haben, mancher wird sich im Ausland einen neuen Dschihad suchen. Doch viele werden hoch radikalisiert und hoch brutalisiert nach Europa zurückkehren, und sie werden sich in einer Auseinandersetzung – ja, in einem Krieg – mit dem Westen sehen. Wenn diese Einschätzung zutrifft, dann sinkt die terroristische Bedrohung leider nicht, sondern sie wächst. Wir werden es dann europaweit mehr denn je mit dezentralen Netzwerken zu tun haben, auf die es nur in einzelnen Staaten Hinweise gibt. Deshalb wird es in Zukunft mehr denn je auf eine umfassende Kooperation mit den Sicherheitsbehörden anderer Staaten, insbesondere mit unseren Partnern in der EU und in der NATO, ankommen. Genau dafür legen wir mit diesem Gesetzentwurf die Grundlage. Die Nachrichtendienste sollen ihre Erkenntnisse mithilfe gemeinsamer Dateien teilen und noch enger zusammenarbeiten können. Dies ist mitnichten ein Schritt in die Massenüberwachung, sondern angesichts der Bedrohungslage dringend geboten und tut not.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Große Koalition hat in den vergangenen Jahren viel für die Sicherheit der Menschen in Deutschland und in Europa getan. Ich möchte dafür auch dem Bundesinnenministerium sehr herzlich danken, insbesondere Herrn Bundesinnenminister de Maizière, der in diesem Bereich ganz Herausragendes geleistet hat. Herzlichen Dank!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben in dieser Wahlperiode im Kernbereich der inneren Sicherheit mehr als ein halbes Dutzend Gesetze verabschiedet. Die Opposition hat in jedem dieser Gesetze einen Anschlag auf die Freiheitsrechte erkannt – sie hat heute auch wieder von einem „Angriff auf die Grundrechte“ gesprochen – und gegen jedes einzelne dieser Gesetze gestimmt. Wir haben das Reisen in terroristischer Absicht unter Strafe gestellt und einen Ersatzpersonalausweis für potenzielle terroristische Gewalttäter eingeführt, der nicht zu Reisen befähigt. Die Opposition war dagegen. Wir haben die Geltungsdauer des Terrorismusbekämpfungsgesetzes verlängert. Die Opposition war dagegen. Wir haben die Mindestspeicherfristen in maßvoller Weise wieder eingeführt. Die Opposition war dagegen.
Nun spricht die Linke im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf erneut von Massenüberwachung, und für die Bundestagsfraktion der Grünen gilt beim Datenaustausch laut ihrem Papier zur inneren Sicherheit: „Weniger ist mehr“.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Daran schließt sie die Forderung nach einem radikalen Umbau des Verfassungsschutzes in ein „stark reduziertes Bundesamt“ mit einem „sehr schmalen Aufgabenbereich“ an, das „stark reduzierte Befugnisse“ hat.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn das in Zeiten einer ernsten terroristischen Bedrohung Ihre Antwort ist, dann kann ich nur sagen: Es ist gut, dass in diesen Zeiten nicht Sie regieren,
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ahnungslos!)
sondern diese Koalition. Bei uns ist die innere Sicherheit in guten Händen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von welchem Planeten reden Sie? – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie nicht gerade gesagt, dass die Zahl der Gefährder so massiv gestiegen ist? Das haben Sie gesagt!)
Ich rate Ihnen auch: Schauen Sie ruhig einmal dorthin, wo keine grünen Ideologen regieren, sondern gemäßigte Kräfte der Grünen, beispielsweise nach Baden-Württemberg.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie jetzt sagen!)
Dort hat der Ministerpräsident vorgesehen, dass der Verfassungsschutz ausgebaut und das Landesamt für Verfassungsschutz gestärkt wird.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Sie wollen das reduzieren. Vielleicht sprechen Sie einfach einmal mit Herrn Kretschmann.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben zu viel Redezeit, wenn Sie sich nur an Baden-Württemberg abarbeiten können! – Gegenruf des Abg. Burkhard Lischka [SPD]: Jetzt werden die Grünen aber nervös! Man muss nur „Kretschmann“ sagen, dann werden sie nervös!)
Uns ist die Balance von Freiheit und Sicherheit gut gelungen. Ich weiß, dass Sie oft sagen, der islamistische Terrorismus wolle nur, dass der Staat beim Schutz seiner Bürger überreagiert. Das ist richtig und zugleich falsch, weil es ihm wohl kaum um eine Solidarisierung mit und um einen Aufstand der Bevölkerung gegen eine vorgebliche Massenüberwachung geht.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommen Sie einmal in den Innenausschuss!)
– Hören Sie doch einmal zu. Sie können manches lernen.
(Burkhard Lischka [SPD]: Sagen Sie doch noch mal „Kretschmann“! Dann sind die ruhig!)
Ganz anders als die RAF richten islamistische Terroristen ihre Anschläge nicht gegen eine eingrenzbare Gruppe von Repräsentanten einer bestehenden Ordnung. Für islamistische Terroristen ist die westliche Kultur als solche der Feind. Sie richten ihre Anschläge bewusst gegen Zivilisten und wollen möglichst viele Menschen ermorden. Ihre Methode ist nicht das Attentat, sondern das Massaker. Diese Entgrenzung zielt auf nichts anderes, als das Vertrauen der Bürger in den Staat als Garanten der Sicherheit umfassend und restlos zu untergraben, in der Erwartung, dass in einer Gesellschaft, in der sich niemand mehr sicher fühlt, der innere Zusammenhalt zerbricht. Dem IS geht es um nichts Geringeres als um die Spaltung unserer Gesellschaft, um die Konfrontation von Einheimischen und Zugewanderten, von Christen und Muslimen. Es geht ihm um die Ausweitung der Kampfzone. Deshalb wird diese Koalition den islamistischen Terrorismus mit aller Entschlossenheit und aller Härte bekämpfen. Nicht von der internationalen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden wird unsere Freiheit bedroht, sondern durch den Verlust des gesellschaftlichen Zusammenhalts, dessen Wurzeln „Unsicherheit“ und „Angst“ heißen. Weil es ohne Sicherheit keine Freiheit geben wird, werden wir diesen Gesetzentwurf heute beschließen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Wort hat der Kollege Uli Grötsch für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6950076 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 180 |
Tagesordnungspunkt | Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung |