24.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 180 / Tagesordnungspunkt 14

Uli GrötschSPD - Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass der IS über Europa ein Terrornetz aufgespannt hat. Was die allgegenwärtige Terrorbedrohung angeht, so waren wir noch nie so gefordert wie heute. Großereignisse wie die Fußballeuropameisterschaft sind eine enorme Herausforderung für die Sicherheitsbehörden in ganz Europa. Das ist vielleicht so etwas wie die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht aber ist: Wir in Deutschland sind gut aufgestellt. Wir konnten durch die sehr gute Arbeit der Sicherheits- und Ermittlungsbehörden bislang alle Anschlagsversuche vereiteln. Ich sage: Es zahlt sich aus, auf einen starken und damit handlungsfähigen Staat zu setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechtsstaat, Herr Grötsch!)

– Ganz bestimmt und ohne Zweifel. – Deshalb wird die personelle Konsolidierung der Sicherheitsbehörden auch in Zukunft elementarer Bestandteil sozialdemokratischer Sicherheitspolitik sein. Aber wir wollen im Hier und Jetzt noch besser werden. Das tun wir mit diesem Gesetz. Wir schaffen die Grundlage für die Errichtung gemeinsamer Dateien mit Partnerdiensten. Bislang gab es eben keine gemeinsamen Datenbanken, und der momentane Datenaustausch dauert einfach viel zu lange. Während also Terroristen längst bestens vernetzt sind, sind es die Sicherheitsbehörden bisher nicht.

(Burkhard Lischka [SPD]: Genau!)

Die Ereignisse überschlagen sich. Erst am letzten Wochenende haben die Brüsseler Behörden Terrorverdächtige festgenommen. Ständig gewinnen die Nachrichtendienste unserer internationalen Partner neue Erkenntnisse über Gefährder, die bei uns Anschläge planen. An die müssen wir herankommen können,

(Beifall des Abg. Burkhard Lischka [SPD])

um unser Land im Antiterrorkampf zu schützen. Deshalb brauchen wir gemeinsame Datenbanken.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Grötsch, ich habe die Uhr angehalten. Der Kollege Ströbele wünscht, eine Frage zu stellen oder seine Meinung zu äußern. Lassen Sie das zu?

Selbstverständlich. – Bitte schön.

Herr Kollege Grötsch, danke, dass Sie meine Frage zulassen. Ich freue mich, dass gerade Sie sie zulassen, weil auch Sie Jurist sind.

Sie wollen also den Datenaustausch mit dem Ausland fördern. Nun wissen wir beide, dass das Bundesverfassungsgericht am 20. April dieses Jahres zum BKA-Gesetz eine ganze Reihe von sehr wichtigen Anmerkungen gemacht hat und dieses Gesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt hat. Das Verfassungsgericht hat insbesondere zum Datenaustausch mit dem Ausland viele wichtige Sätze gesagt. Ich will Ihnen davon zwei Sätze vorhalten.

Das Bundesverfassungsgericht meint nämlich:

Eine Übermittlung von Daten ins Ausland verlangt ..., dass ein hinreichend rechtsstaatlicher Umgang mit den Daten im Empfängerstaat zu erwarten ist. ... Geboten ist in diesem Sinne die Gewährleistung eines angemessenen materiellen datenschutzrechtlichen Niveaus für den Umgang mit den übermittelten Daten im Empfängerstaat ...

Ich weiß, dass der Minister von diesem Urteil nicht viel hält. Aber da steht nun einmal für Sie alle bindend als Schlussfolgerung auf Seite 112:

Der Gesetzgeber hat insgesamt Sorge zu tragen, dass der Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention und der anderen internationalen Menschenrechtsverträge … durch eine Übermittlung der von deutschen Behörden erhobenen Daten ins Ausland … nicht ausgehöhlt wird.

Jetzt sagen Sie mir bitte, wo dieser Schutz in den Paragrafen zur Einrichtung von Dateien im Ausland, in die auch deutsche Daten aufgenommen werden sollen, geregelt ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])

Ich bin mir nicht sicher, ob Sie den Gesetzentwurf gelesen haben. Wir gehen im Gesetzentwurf ganz explizit auf das ein, was Sie gerade angesprochen haben.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An welcher Stelle? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben die Stelle nicht gefunden!)

Wir haben in dem Gesetzentwurf eine klare Regelung. Wenn es etwa um den Datenaustausch mit Staaten geht, die keine EU-Mitgliedstaaten oder NATO-Partner sind, dann ist sogar der Bundesinnenminister höchst persönlich gefordert, grünes Licht für den Datenaustausch mit diesen Staaten zu geben.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer garantiert, dass das Urteil eingehalten wird, von dem er nichts hält?)

Ansonsten ist das BMI bei der Einrichtung jeder Datenbank mit Partnerdiensten gefordert, das im Einzelfall zu prüfen.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So steht das im Gesetz nicht drin!)

Ich glaube auch, dass das gut ist. Ich glaube nämlich ganz und gar nicht, dass man die Bekämpfung des internationalen Terrorismus – dazu komme ich gleich noch – nur nationalstaatlich sehen kann. Ich glaube zudem – auch das gehört zur Wahrheit –, dass man sich seine Partner in der Zusammenarbeit dahin gehend nicht im Einzelnen aussuchen kann.

Aber um das, was Sie angesprochen haben, auszuschließen, haben wir zwei ganz deutliche Regelungen in den Gesetzentwurf aufgenommen.

(Beifall bei der SPD – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn die Stelle, wo es steht? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo? – Gegenruf des Abg. Burkhard Lischka [SPD]: Einfach mal lesen! Guckt doch mal rein!)

Der Gesetzentwurf bedeutet auch eine Befugniserweiterung für die Nachrichtendienste, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz zum Beispiel macht in der letzten Zeit nicht immer eine gute Figur, um das am Ende der Woche vorsichtig auszudrücken. Woche für Woche überschlagen sich die Ereignisse und Versäumnisse des Bundesamtes im Zusammenhang mit dem ehemaligen V-Mann „Corelli“. Trotzdem dürfen wir nicht das ganze Amt über einen Kamm scheren und alle zusammen für die Versäumnisse und Fehltritte Einzelner verantwortlich machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht ihr denn jetzt mit Maaßen?)

Ich komme gerne noch einmal auf das Thema Datenschutz zu sprechen und wiederhole: Wir als SPD-Bundestagsfraktion meinen, dass für den Datenaustausch ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet werden muss.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn angemessen?)

Das ist völlig unstrittig, völlig richtig und natürlich auch wichtig.

Ich glaube aber wirklich, dass es völlig unrealistisch ist, zu erwarten, dass wir uns nur mit den Ländern im Antiterrorkampf vernetzen, die genau unseren deutschen Datenschutzstandards entsprechen. Ich glaube nämlich, dass am deutschen Wesen die Welt auch dahin gehend nicht genesen wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh je!)

Das wird nicht gehen. Das liegt in der Natur der Sache, mit der wir uns hier beschäftigen.

Genau deshalb nimmt die Datenschutzbeauftragte ihre vom Bundesverfassungsgericht angedachte Kompensationsfunktion wahr, und wir erwarten von der Datenschutzbeauftragten, Frau Voßhoff, auch klipp und klar eine aktive Rolle bei der Kontrolle dieser Standards.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit welchem Personal denn?)

Es steht für mich weiterhin völlig außer Frage, dass auch wir als Parlamentarier unserer Kontrollbefugnis gegenüber der Bundesregierung nachkommen werden.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Kontrolle hat gesagt, das geht so nicht, Herr Grötsch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich trotzdem noch einen weiteren Aspekt des Gesetzentwurfs ansprechen, weil er mir wichtig ist: Die Schleuserkriminalität ist vielleicht die abscheulichste und menschenverachtendste Form der organisierten Kriminalität.

(Burkhard Lischka [SPD]: Genau!)

Wir reden heute noch über die Fortsetzung und Erweiterung der EU-Mission EUNAVFOR MED Operation Sophia. Ich ziehe meinen Hut vor den 950 Soldatinnen und Soldaten, die im Rahmen dieser Mission Menschen in Seenot retten, gegen Schleuserbanden vor Ort vorgehen und das Elend auf dem Mittelmeer – den Sündenfall Europas; ich will so weit gehen, das so auszudrücken – jeden Tag hautnah miterleben müssen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen aber insbesondere die Netzwerke zerschlagen und die großen Fische hinter Gitter bringen. Sie sitzen aber nicht mit in den Booten. Unter anderem dafür wird daher künftig auch die Bundespolizei wie bisher schon die anderen Polizeien bereits zur Gefahrenabwehr statt erst zur Strafverfolgung verdeckte Ermittler einsetzen können.

Mit diesem Gesetzentwurf haben wir an mehreren Stellschrauben gedreht, um bestehende Sicherheitslücken im Land weiter zu schließen. Dazu gehört auch, dass die Telekommunikationsdienstleister künftig die Identität von Prepaidkunden eindeutig feststellen müssen. Dafür haben sie selbstverständlich auch ausreichend Zeit. Ich erwarte von den Telekommunikationsdienstleistern, dass diese Zeit insbesondere auch dafür genutzt wird, dass das mit der Prüfung betraute Personal durch entsprechende Schulungen in die Lage versetzt wird, solche Ausweispapiere prüfen zu können. In meinen Gesprächen mit den Verbänden habe ich hierzu auch die Bereitschaft gesehen, das zu machen. Auch die von uns gesetzten Fristen stießen auf Zustimmung.

Ich glaube – damit komme ich zum Schluss –, dass es mit diesem Gesetz darum geht, auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Es geht darum, bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auf Augenhöhe mit unseren Partnern zu sein. Deshalb werbe ich um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Armin Schuster, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6950078
Wahlperiode 18
Sitzung 180
Tagesordnungspunkt Informationsaustausch bei Terrorismusbekämpfung
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