24.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 180 / Tagesordnungspunkt 28

Barbara WoltmannCDU/CSU - Flüchtlingsschutz - Verantwortungsteilung in der EU

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es treibt uns alle um, wenn die Flucht über das Mittelmeer auf seeuntauglichen Booten angetreten wird, wenn dort Menschen sterben. Allein in diesem Jahr sind bereits 3 000 Menschen auf diesem Weg ertrunken. Das berührt uns alle. Es ist wirklich schwer zu ertragen, was sich in den überfüllten Schiffen und in den Schlauchbooten an Tragödien abspielt, natürlich erst recht, wenn diese Boote sinken. Wir sind uns sicherlich einig darüber, dass das so nicht weitergehen darf. Das sind wir sicherlich auch den Menschen schuldig. Niemand soll im Mittelmeer ertrinken.

Aber – das muss ich an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen –: Wir sind uns über die Methoden nicht einig, wie wir das verhindern können, bzw. über die zu ergreifenden Maßnahmen nicht einig. Wir verfolgen da unterschiedliche Ansätze. Das ist mir gestern Morgen, Frau Jelpke, auch wieder klar geworden, als wir mit einer Delegation italienischer Abgeordneter des Senats zusammengesessen haben und Sie dort von „Krieg gegen Flüchtlinge“ gesprochen haben. Das haben Sie auch in Ihren Antrag hineingeschrieben. Ich finde es hochnotpeinlich, von „Krieg gegen Flüchtlinge“ zu sprechen – das haben Sie gestern und auch in Ihrem Antrag getan –, wenn gegen Schleuser vorgegangen wird, wenn Boote am Auslaufen gehindert werden. Was Sie tun, kann nicht der richtige Weg sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Frau Kollegin Woltmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dağdelen?

Nein, jetzt nicht. – Mit solchen Äußerungen verunglimpfen Sie alle, die sich um Lösungen bemühen, und auch alle, die sich ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren. Die Rettung von in Seenot geratenen Menschen ist in der Tat eine völkerrechtliche Pflicht, der viele, zum Beispiel unsere Marine – sie ist mit zwei Schiffen vor Libyen im Mittelmeer vertreten; auch die Bundespolizei hat ein Schiff im Mittelmeer –, Handelsschiffe, aber auch die europäische Grenzschutzagentur Frontex, selbstverständlich nachkommen. Allein in diesem Jahr wurden im Rahmen der Mission Triton, bei der der Mittelmeerraum vor Italien überwacht wird, rund 15 000 Migranten aus Seenot gerettet.

Aber die Tatsache, dass sich so viele Menschen auf einen solch gefährlichen Weg begeben, erfordert die Ergreifung von geeigneten Maßnahmen. Ich halte die Bekämpfung der Schlepper- und Schleuserbanden, deren Gewinnmargen weltweit bei circa 6 Milliarden Euro liegen, wie Bundespolizeipräsident Romann in der öffentlichen Anhörung am vergangenen Montag sagte, für die oberste Priorität in dem Bemühen, die Flucht über das Mittelmeer und das Sterben zu beenden. Was Schlepper und Schleuser, also Personen, die Menschen gegen Bezahlung illegal von einem Land in ein anderes Land bringen, mit den oft überfüllten und seeuntauglichen Booten tun, ist menschenverachtend. Diese Schlepperbanden bewegen sich schon lange im Bereich der organisierten Kriminalität und haben längst mafiöse Strukturen angenommen. Deswegen ist es richtig, diese Schlepperbanden zu bekämpfen, und falsch, in diesem Zusammenhang von Krieg zu sprechen.

Liebe Kollegen von den Grünen, in Ihrem Antrag „Seenotrettung im Mittelmeer“ legen Sie Ihren Fokus auf eine systematisierte Priorität für in Seenot geratene Flüchtlinge und Migranten. Die Bekämpfung des Schlepper- und Schleusertums rückt dabei völlig in den Hintergrund. Ja nicht nur das: Das spielt doch den Schleppern geradezu in die Hände. Wir dagegen wollen Maßnahmen unterstützen, die verhindern, dass Schlepper einen Anreiz haben, ihre Geschäfte mit der Not anderer fortzuführen. Zur Bewältigung dieser riesigen Aufgabe ist, wie Sie in Ihrem Antrag zu Recht erläutern, aber auch die Solidarität aller europäischen Staaten gefordert, insbesondere dann, wenn es darum geht, Resettlement-Flüchtlinge fair zu verteilen.

Es ist richtig, Frau Amtsberg: Die Hotspots in Griechenland und Italien sind längst überfüllt. Kein Land kann das alleine schaffen. Ich erinnere dabei an das erste Legislativpaket der EU-Kommission vom 9. Mai 2016, mit dem die partnerschaftliche Zusammenarbeit vorangebracht werden soll. Ich hoffe, dass die Europäische Union da auch zu Lösungen kommen wird. Das Abkommen mit der Türkei, Frau Amtsberg, zeigt Wirkung. Auch ich bin bei der Reise dabei gewesen. Wir haben in Griechenland gesehen, wie dort mittlerweile mit der NATO und zwischen den Küstenwachen zusammengearbeitet wird. Ich denke, es ist eine gute Zusammenarbeit, die wir dort jetzt feststellen können.

Nach Aussage des Exekutivdirektors von Frontex, Fabrice Leggeri, der ja am Mittwoch hier bei uns im Innenausschuss gewesen ist, kommen täglich nur noch 50 bis 60 Personen in Griechenland an. Das zeigt, dass der Zuzug über die östliche Mittelmeerroute abgenommen hat. Wir können also Flüchtlingsströme steuern.

Die Menschen suchen sich nun allerdings andere Wege, und die Schleuser bieten ihre Dienste über Libyen an. Die logische Folge war, dass die europäischen Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor Libyen erweitert wurden, um richtigerweise ein Signal gegen Schlepper und Schleuser zu senden. Auch im Rahmen der Operation Sophia, über die wir ja nachher hier noch zu beschließen haben, wird der Kampf gegen Schlepper im Mittelmeer fortgesetzt und erweitert. Die Schiffe der Deutschen Marine sollen zukünftig auch den Waffenschmuggel von hoher See aus nach Libyen unterbinden und die libysche Küstenwache unterstützen. Ja, der Weg ist schwierig, weil die Solidarität einiger Mitgliedstaaten zu wünschen übrig lässt. Insofern möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Suche nach gemeinsamen europäischen Lösungen danken.

Das war jetzt ein schönes Schlusswort, Frau Woltmann.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. – Wir müssen sehr viel tun, um die Flucht über das Mittelmeer zu beenden. Aber die Maßnahmen, die Sie vorschlagen, sind nicht die richtigen. Da haben wir andere Ansätze.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Ulla Jelpke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6950143
Wahlperiode 18
Sitzung 180
Tagesordnungspunkt Flüchtlingsschutz - Verantwortungsteilung in der EU
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