28.06.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 181 / Tagesordnungspunkt 1

Kai WhittakerCDU/CSU - Regierungserklärung zum Ausgang des Referendums

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Herr Präsident! Werte Kollegen! Ich stehe heute vor Ihnen als ein Mitglied des Deutschen Bundestages, direkt gewählt für meinen Heimatwahlkreis Rastatt. Ich stehe heute aber auch vor Ihnen als ein Bürger des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland, der am vergangenen Donnerstag für den Verbleib in der Europäischen Union gestimmt hat,

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

als einer von 62 Prozent seiner Altersklasse.

Ich stehe aber heute insbesondere vor Ihnen als Europäer, als Sohn eines britischen Vaters und einer deutschen Mutter, als einer, den es ohne den freien Personenverkehr nicht gäbe,

(Heiterkeit)

als einer, der ohne freie Grenzen in Europa nicht hier stehen könnte.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Deshalb werde ich für diese Prinzipien der Europäischen Union immer einstehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Präsident, Sie hatten sicherlich recht, als Sie sagten, dass am vergangenen Freitag über Europa die Sonne wieder aufgegangen ist. Aber ich finde, sie scheint nicht mehr so hell. Stattdessen ziehen am europäischen Himmel immer mehr dunkle Wolken auf. Sie kommen aus Frankreich, den Niederlanden, Polen, Tschechien, Österreich, Dänemark, Griechenland, Italien und, ja, auch aus Deutschland. Sie speisen sich aus einer Angst, in einer Union mit 500 Millionen Menschen verloren zu gehen, einer Angst, die eigene Identität aufgeben zu müssen, um Teil einer anderen Identität sein zu können, einer Angst, vergessen zu werden und nicht am wachsenden Wohlstand teilhaben zu können.

Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Als Europäer mag mir, mag uns das Ergebnis vom vergangenen Donnerstag nicht gefallen. Die Einheit des Landes ist in Gefahr. Die wirtschaftlichen Aussichten sind unsicher. Die Zukunft der jungen Briten ist beschnitten. Aber als Demokraten haben wir dieses Ergebnis zu respektieren und umzusetzen. Ein zweites Referendum zum jetzigen Zeitpunkt würde das Land weiter spalten und tiefer ins Chaos führen.

Ich teile daher die Ansicht der Bundeskanzlerin, nicht hastig, aber zielstrebig, nicht nachtretend, aber konsequent die Trennung zwischen Großbritannien und der EU zu vollziehen. Ich bin auch überzeugt, dass wir konsequent sein müssen. Denn wenn uns unsere europäische Idee wirklich etwas wert ist, dann müssen wir klarmachen, was dieser Wert der EU-Mitgliedschaft tatsächlich darstellt.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sonst werden wir eines Tages unseren eigenen Bürgern nicht mehr erklären können, warum wir Teil dieser europäischen Familie bleiben sollten.

Genau darin liegt aber, finde ich, auch unsere Chance, diese dunklen Wolken am Himmel zu vertreiben. Die Diskussion über Reformen in der EU ist zwar notwendig, aber ich glaube, sie ist nicht entscheidend für die Zukunft der EU. Denn wenn wir beständig das Schlechte an der EU suchen, finden oder gar erfinden, wirken wir nur darauf hin, dass sie zerbricht.

Stattdessen bin ich fest davon überzeugt, dass wir den Kampf um die Zukunft unseres Kontinents mit den Feinden der EU aufnehmen müssen. Sie sehen in der EU die Gefahr für ihren Nationalismus. Sie werden nicht verschwinden, solange wir sie gewähren lassen. Das lehrt uns die Geschichte.

(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sehr wahr!)

Die erste deutsche Demokratie ist in meinem Wahlkreis blutig niedergeschlagen worden, weil es zu wenige Beschützer gab. Die zweite deutsche Demokratie von Weimar ist untergegangen, weil es zu wenige Demokraten gab. Ich will nicht, dass auch die Europäische Union scheitert, weil es zu wenige leidenschaftliche Europäer gab.

(Beifall im ganzen Hause)

Europa hat die besseren Argumente. Aber wir müssen endlich damit anfangen, den Kampf gegen die Feinde Europas mit ihrer populistischen Rhetorik zu führen. Deshalb appelliere ich an alle enttäuschten Briten: Ja, das Referendum müssen wir akzeptieren. Aber wenn sich die Versprechungen der Nationalisten nicht erfüllen, dann schlägt die Stunde, diese Entscheidung umzukehren.

Vor allem möchte ich aber als junger Bundestagsabgeordneter mit dieser besonderen Biografie an die junge Generation aller Mitgliedstaaten unseres großartigen Kontinents und insbesondere in Großbritannien appellieren: Nehmt diesen Kampf auf! Übernehmt für eure Zukunft in Europa Verantwortung!

Für den Moment bleibt mir nur eins zu sagen: Wir werden euch vermissen, aber nicht vergessen. Der Tag wird kommen, an dem wir wieder vereint sein werden, stärker als je zuvor.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Letzter Redner in dieser Aussprache ist der Kollege Ralph Brinkhaus.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6960396
Wahlperiode 18
Sitzung 181
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Ausgang des Referendums
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