Jürgen HardtCDU/CSU - Regierungserklärung zum NATO-Gipfel
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich als abschließender Redner meiner Fraktion und auch in dieser Debatte einige Aspekte beleuchten, die mir besonders wichtig sind und die in dieser Form vielleicht noch nicht angesprochen worden sind.
Am heutigen Tag möchte ich in Anlehnung an einen berühmten Satz aus dem Fußball sagen: 29 Freunde müsst ihr sein. – Ich möchte damit sagen, dass die NATO ein Wertebündnis ist und dass die Parlamentarier und die Regierungen, die in der NATO zusammenarbeiten, ein Stück weit den Geist ausstrahlen sollten, den wir von unseren Soldatinnen und Soldaten erwarten, die innerhalb der NATO zusammenarbeiten, nämlich Fairness und Kameradschaftlichkeit.
Artikel 3 des Washingtoner Vertrages, also des NATO-Vertrages, besagt: Gegenseitige Unterstützung ist eine der wichtigen Aufgaben des Bündnisses. Vor diesem Hintergrund waren wir ziemlich befremdet, als die türkische Regierung vor einigen Wochen zunächst den Zugang von Journalisten im Rahmen der Pressearbeit der Bundeswehr zu den deutschen Soldaten in der Türkei verhinderte und dann auch noch die Reise unseres Parlamentarischen Staatssekretärs. Das führt mich zu dem Gedanken: Vielleicht sollten wir angesichts solcher unakzeptablen Vorgänge einmal auf NATO-Ebene in aller Ruhe über eine Verfahrensordnung nachdenken, mit der geregelt wird, wie mit den Wünschen von Regierungen oder Parlamentariern, ihre eigene Truppe in einem anderen Land zu besuchen, umzugehen ist. Ich hatte gedacht, das wäre selbstverständlich. Ein Regelwerk dazu gibt es bisher nicht. Deswegen rege ich an – vielleicht nicht auf dem Gipfel, aber im NATO-Rat –, einmal darüber nachzudenken, wie man hier zu besseren Ergebnissen kommen könnte; denn es ist schlicht unakzeptabel, dass die Bürgerarmee Bundeswehr in der Türkei von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern nicht besucht werden darf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der zweite Aspekt, auf den ich hinweisen möchte, ist: Wer rüstet hier eigentlich auf? Ich möchte an dieser Stelle in Erinnerung rufen: Es geht nicht nur um den Einmarsch Russlands auf der Krim und um die Einmischung Russlands im Osten der Ukraine, sondern es geht auch darum, dass die russische Regierung im Mai des vorletzten Jahres anlässlich der Feierlichkeiten zum Jahrestag des Kriegsendes angekündigt hat, im großen Stil den Bau einer neuen Generation von Panzern in Auftrag zu geben. Wir wissen, dass diese Panzer vermutlich eher im Westen Russlands eingesetzt werden, also westlich des Urals, und sind schon der Meinung, dass dieser Schritt eine Aufrüstung Russlands darstellt, die wir nur mit großer Sorge betrachten können. Wir haben ganz konkret mit Blick auf das, was im Westen Russlands passiert, Kenntnis von öffentlichen Ankündigungen, dass drei Divisionen umgruppiert werden. Mindestens 30 000 Soldaten werden an der Westgrenze Russlands und an der Grenze zur Ukraine verstärkt eingesetzt. Dagegen ist die Stationierung von maximal 9 000 Soldaten, die die NATO im Zuge ihres transparenten Plans zur Verstärkung der Soldaten im Osten Europas aufbaut, doch nun wirklich eine vergleichsweise milde und angemessene Reaktion. Das als Einstieg in eine Aufrüstungsspirale zu sehen, finde ich schlicht falsch. Das wird der Sache nicht gerecht.
Die Bundeswehr beteiligt sich ganz konkret in Litauen mit der Übernahme der Führung über ein Bataillon. Wir sind im Übrigen auch in Polen beim Multinationalen Korps stark engagiert, um nur zwei Beispiele zu nennen. Deutschland wird seiner Bündnisverpflichtung also gerecht.
Zu einem dritten Aspekt, den ich kurz ansprechen will. Es wird gelegentlich der Eindruck erweckt, auch durch Äußerungen von Politikern in Deutschland, die NATO hätte ein Defizit mit Blick auf den Dialog mit Russland. Ich möchte dem ausdrücklich widersprechen. Man bietet nicht nur häufig an, den NATO-Russland-Rat einzuberufen, um mit Russland zu diskutieren – ich bin übrigens der Meinung, dass das eines Tages auch im Ministerformat geschehen kann –, sondern es gibt auch auf ganz vielen anderen Ebenen Gespräche zwischen NATO-Partnern und Russland. Das sind im Übrigen sehr konstruktive Gespräche. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, dass ich mich gefreut und fast ein bisschen gewundert habe, dass die neue UN-Resolution zu Libyen mit 15 : 0 durch den Sicherheitsrat gegangen ist, also ausdrücklich mit Unterstützung Russlands. Eine Sprachlosigkeit zwischen Russland und dem Westen kann ich insofern Gott sei Dank nicht erkennen. Wir sollten uns diesen Schuh auch nicht anziehen, zumal Deutschland hier eine führende Rolle innehat.
Der NATO-Gipfel findet in einer schwierigen Zeit an einem bedeutenden Ort statt. Ich bin absolut sicher, dass alle Staats- und Regierungschefs diesen Gipfel sehr verantwortungsvoll nutzen werden, einerseits, um weiter Gesprächsbereitschaft zu signalisieren, andererseits, um keinen Zweifel an unserer Verteidigungsfähigkeit zu lassen. Das sind wir unseren Partnern im Osten Europas schuldig.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6969552 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum NATO-Gipfel |