07.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 5

Carola ReimannSPD - Schutz der sexuellen Selbstbestimmung

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit 30 Jahren kämpfen Frauen dafür, dass das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung besser geschützt wird. Die heutige Reform des Sexualstrafrechts mit der klaren Botschaft „Nein heißt nein“ wäre ohne dieses Engagement nicht möglich gewesen.

Der Gesetzentwurf ist also nicht einfach eine schlichte Reaktion auf die Vorfälle in der Silvesternacht. Er ist vielmehr Ergebnis des beharrlichen Einsatzes vieler Frauen innerhalb, aber auch außerhalb des Parlaments. Dafür möchte ich mich bei ihnen – einige sind heute auch anwesend – herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, bereits 2011 hat Deutschland die Istanbul-Konvention unterzeichnet. Darin ist unmissverständlich festgehalten – das hat die Kollegin Högl heute Morgen schon angesprochen –, dass jegliche nicht einvernehmliche sexuelle Handlung strafbar sein soll. Andere Länder, zum Beispiel Österreich, haben diese Konvention und das Prinzip „Nein heißt nein“ bereits umgesetzt. Es wird jetzt höchste Zeit, dass auch wir diesen Paradigmenwechsel in unserem Sexualstrafrecht mit dieser Reform umsetzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn es geht nicht um Lappalien oder Kavaliersdelikte. Wer mit Frauenberatungsstellen spricht, der weiß, welch schwerwiegende Folgen sexuelle Übergriffe haben. Viele Frauen haben sexualisierte Gewalt in ihrem Alltag erlebt, und sie tragen an diesen Erlebnissen oft ihr Leben lang. Das Perfide an solchen Übergriffen ist, dass sie häufig nicht, wie landläufig gedacht wird, nachts in dunklen Ecken passieren, wo ein Fremder einer Frau auflauert. Nein, Übergriffe finden oft dort statt, wo sich das ganz normale Leben abspielt – in der U-Bahn, in den Klubs oder auf Festivals –, und sie sind auf erschreckende Art und Weise Teil des Alltags.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit dieser Reform auch mit dem neuen Straftatbestand der sexuellen Belästigung eine klare Botschaft aussenden: Das sind keine Kavaliersdelikte und keine Bagatellen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es sind Straftaten, die konsequent verfolgt werden müssen. Grapschen ist kein Flirten. Das muss jetzt auch der Letzte begriffen haben.

(Beifall im ganzen Hause – Ulli Nissen [SPD]: Auch auf dem Oktoberfest!)

Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Frauen ermutigen, diese Straftaten auch anzuzeigen. Mich ärgert, dass in diesem Zusammenhang immer gleich die Gefahr von Falschanzeigen heraufbeschworen wird.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Ja!)

Dabei liegt der Anteil gerade einmal bei 3 Prozent. Vielmehr muss uns doch beunruhigen – heute sind ja von der Kollegin auch schon Zahlen zu Verurteilungen genannt worden –, dass überhaupt nur 5 bis 10 Prozent aller strafbaren sexuellen Übergriffe angezeigt werden. Alle anderen Übergriffe bleiben für den Täter folgenlos, und das ist doch der eigentliche Skandal.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, auch deshalb wollen wir diese Reform auf den Weg bringen. Wir wollen eine gesellschaftliche Sensibilisierung. Wir wollen das Thema sichtbar machen und ermutigen, genauer hinzuschauen und gegen sexuelle Übergriffe vorzugehen. Wenn uns das gelingt, sind wir auf dem Weg zur Stärkung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung ein gutes Stück vorangekommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Carola Reimann. – Die nächste Rednerin: Halina Wawzyniak für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6969562
Wahlperiode 18
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Schutz der sexuellen Selbstbestimmung
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