07.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 5

Annette Widmann-MauzCDU/CSU - Schutz der sexuellen Selbstbestimmung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich will es uns doch antun, uns noch einmal an die Silvesternacht des letzten Jahres zu erinnern; denn ich finde, dass dies schon ein denkwürdiger Abend gewesen ist, der dem Parlament und vielen in unserem Land noch einmal ins Bewusstsein gerückt hat, dass etwas an unserem Sexualstrafrecht, wie es bis zum heutigen Tag gilt, nicht stimmen kann.

(Ulrich Freese [SPD]: Der CDU! Uns war das vorher bekannt!)

Frauen sind in dieser Nacht am Kölner Hauptbahnhof von ihren Freunden getrennt worden, sind betrunkenen, bekifften Männern hilflos ausgeliefert gewesen.

(Ulrich Freese [SPD]: Das gab es auch vorher schon!)

Sie wurden bedrängt, begrapscht und beraubt. Sie wurden vergewaltigt.

(Zuruf von der LINKEN: Wie beim Oktoberfest!)

Zuerst gab es noch nicht einmal viele Anzeigen, eine typische Reaktion. Eigentlich sollten sich die Täter für ihre Taten schämen und schuldig fühlen.

(Ulli Nissen [SPD]: Beim Oktoberfest gibt es das jedes Jahr!)

Tatsächlich fühlen sich aber die Frauen beschmutzt, und sie scheuen sich vor diesem Weg. Nicht die Informationspolitik der nordrhein-westfälischen Landesregierung und ihrer Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat das wahre Ausmaß dieser Nacht an den Tag gebracht. Nein, es waren die medialen Berichte. Sie waren wichtig und notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Freese [SPD]: Sie sind sich auch für nichts zu schäbig!)

Es war ein kollektiver Schock, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht. Nach der ersten Phase und der Frage: „Wie konnte das eigentlich passieren?“, gab es auch rasch die bekannten Reaktionsmuster, die sich ein wenig schon in dieser Debatte widerspiegeln: Bitte keine Debattenbeiträge, die Wasser auf die Mühlen von Fremdenfeinden sind.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ach nee! Dann können Sie sich hinsetzen!)

Noch während die Anzeigen eingingen, hieß es auf der anderen Seite: Vorsicht! Jetzt bloß keine voreiligen Schlussfolgerungen für das Strafrecht! Es gibt auch viele Frauen, die sich an Männern durch falsche Anzeigen rächen. – Aber ist das wirklich der Kern des Problems? Nein. Jeder zu Unrecht Beschuldigte ist einer zu viel. Aber wie vielen tatsächlichen und angezeigten Vergewaltigungen stehen denn Falschbeschuldigungen gegenüber? Wir erweisen einem rechtstreuen ausländischen Mitbürger doch keinen guten Dienst, wenn wir Straftaten von Ausländern nicht ebenso benennen und ahnden, wie wir es in allen anderen Fällen – auch bei deutschen Straftätern – tun müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nicht nur an Silvester glaubten manche Männer, sie könnten in der ausgelassenen Stimmung Frauen ungestraft sexuell belästigen, nötigen oder gar vergewaltigen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim Oktoberfest!)

Auch im Karneval, bei Volksfesten oder Partys gibt es immer wieder solche Exzesse.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oktoberfest! Da hat Seehofer immer reagiert?)

Aber welches Signal geben wir eigentlich, wenn wir weiterhin zulassen, dass ein gezielter Griff an die Brust oder in den Schritt im Sexualstrafrecht als „nicht erheblich“ bewertet wird, wenn Bestrafungen nur dann erfolgen können, wenn der Richter auf den Beleidigungsparagrafen ausweicht? Frauen sind kein Freiwild und sind keine reinen Objekte sexueller Begierde. Hier geht es um die Würde und die Wahrung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung gerade der Frauen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Traurig, aber wahr ist auch, dass zum Handy- und Handtaschenklau das sogenannte Antanzen mittlerweile Methode hat. Täter gehen umso ungehemmter vor, je sicherer sie sich in einer Gruppe Gleichgesinnter fühlen. Von solchen Gruppen darf sich der Rechtsstaat doch nicht verhöhnen lassen. Wollen wir wirklich weiter zusehen, dass diejenigen, die mitmachen, umdrängen und so die Tat erst ermöglichen und die Situation für das Opfer verschärfen, ungeschoren davonkommen? Wer mitmacht, auch wenn er nicht selbst übergriffig wird, muss auch bestraft werden. Wer, statt sich zu distanzieren oder dem Opfer zu helfen, in der Gruppe mitmacht, der ist auch mitverantwortlich. Das Strafrecht muss hier ein Stoppschild aufstellen; denn das sagt auch etwas über die Definition von sozial adäquatem Verhalten aus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir ziehen heute keine voreiligen Schlüsse. Der Gesetzentwurf des Ministeriums war zwar schon in Vorbereitung, aus unserer Sicht aber abschließend nicht geeignet, alle Schutzlücken zu schließen. Es brauchte die Unionsfrauen, es brauchte die Frauen der ASF, es brauchte die Kolleginnen der Koalitionsfraktionen,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Und die Männer auch!)

damit es heute zu einem guten Gesetzentwurf gekommen ist. Deshalb danke ich allen, die uns dabei unterstützt haben, von der Verbandsseite über die Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten bis hin zu den Juristinnen und Juristen und den Männern, die uns an dieser Stelle unterstützt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen gar nicht, über was Sie abstimmen!)

Wir wollen diesen Paradigmenwechsel, wir wollen ihn jetzt.

Frau Kollegin.

Ich komme zum Schluss. – Sexuelle Selbstbestimmung, Opferschutz und mehr Sicherheit – das ist das Ziel dieses Gesetzes. Ich bin mir sicher, dass wir mit diesem Gesetz

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen gar nicht, über was Sie da abstimmen!)

einen wichtigen Beitrag für ein respektvolleres und friedliches Zusammenleben in unserem Land ermöglichen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin: Ulle Schauws für Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6969565
Wahlperiode 18
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Schutz der sexuellen Selbstbestimmung
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