Johannes FechnerSPD - Schutz der sexuellen Selbstbestimmung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Wir machen diese Reform, weil es in der Vergangenheit Urteile gab, in denen auch höchste Gerichte Abwehrhandlungen des Opfers, der Frauen, gefordert haben. Die Voraussetzungen einer solchen Abwehrhandlung sahen die Gerichte als nicht gegeben an, wenn das Opfer die Gegenwehr unterließ – etwa aus Furcht vor einer Kündigung, vor strafrechtlichen Konsequenzen, aus Angst, dass der Täter die Wohnung verwüstet, oder aus Angst vor erneuter Gewalt oder weil das Opfer von der Attacke überrascht wurde und deshalb keine Gegenwehr leistete. Wohlgemerkt: Das waren höchstrichterliche Entscheidungen. Deswegen können wir die heutige Rechtslage, auf der solche Urteile basieren, nicht stehen lassen. Wir müssen die Frauen besser schützen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Insofern war es gut, dass Minister Maas schon im Juli 2015 einen sehr präzisen Gesetzentwurf präsentiert hat. Sie sehen: Die Kölner Silvesterereignisse waren für uns nicht nötig, um hier den Handlungsbedarf zu erkennen.
(Beifall bei der SPD)
Wäre der Entwurf nicht im Kanzleramt ein halbes Jahr blockiert worden, dann wären wir heute schon weiter.
(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: Nein! Im Ministerium!)
Wohlgemerkt: Der Entwurf ist nicht wegen der Frage der „Nein heißt nein“-Lösung blockiert worden, sondern weil er der Union zu weit ging. Man kann den entsprechenden Schriftverkehr ja nachlesen.
(Beifall bei der SPD)
Im Januar 2016 saßen Herr Maas und ich mit Herrn Strobl zusammen. Wir haben ihn gefragt: Herr Strobl, machen Sie bei „Nein heißt nein“ mit? Wir sind bereit dazu, das Ministerium unterstützt es. – Herr Strobl sagte im Januar: Nein, das machen wir nicht mit. – Es war übrigens der gleiche Januar 2016, in dem Ralf Jäger und Hannelore Kraft, wie es ihre tatkräftige Art ist,
(Lachen bei der CDU/CSU)
die Geschehnisse analysiert und in Nordrhein-Westfalen die richtigen Konsequenzen gezogen haben; das will ich hier ausdrücklich klarstellen.
(Beifall bei der SPD – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Vier Tage nicht gekümmert! Als Ministerpräsidentin! Unglaublich!)
Wir erweitern nun heute den Entwurf um die „Nein heißt nein“-Lösung, weil wir zu Recht den Willen der Frau entscheiden lassen wollen. Damit schützen wir die Opfer besser. Ein Nein muss ausreichen; das wollen wir heute hier so regeln. Ich meine auch, dass wir nicht beim materiellen Strafrecht stehen bleiben, sondern noch einen Schritt weiter gehen sollten. Das Kernproblem ist ja oft, dass das Opfer aus Angst vor Rache des Täters im Prozess nicht mehr aussagt. Deswegen sollten wir im zweiten Schritt auch strafprozessuale Änderungen einführen. Auch hier hat unser äußerst aktiver Justizminister schon den Vorschlag gemacht, die Strafprozessordnung dahin gehend zu ergänzen, dass die Vernehmung des Opfers bei der Polizei, die erste Aussage auf Video festgehalten wird, wenn es um eine schwere Straftat, wie die Vergewaltigung eine ist, geht. Dann hätten wir im Prozess, wenn das Opfer aus nachvollziehbarer Angst nicht aussagen möchte, die Möglichkeit, uns direkt zu informieren, wie die erste Aussage war. Lassen Sie uns also auch den Schutz der Opfer strafprozessual absichern, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Ein Wort zu den Straftaten aus Gruppen: Ja, auch wir in der SPD wollen, dass diejenigen bestraft werden, die den Täter anfeuern oder als Teil einer menschlichen Mauer das Opfer umzingeln und so den Täter bestärken. Aber gerade weil wir eine präzise Regelung wollen, haben wir erhebliche Bedenken gegen die jetzt getroffene Formulierung. Ich will ausdrücklich klarstellen: Diese Formulierung geht auf einen Vorschlag der Union zurück. Wir hätten lieber eine Präzisierung, eine Kodifizierung des Tatbestands der Beihilfe vorgenommen, um diese Täter wirklich zu erfassen. Wir stimmen dem Gesetz heute nur deshalb zu, weil wir es insbesondere den Frauen und den Frauenverbänden nicht erklären könnten, warum wir diese Reform auf der Zielgeraden stoppen.
Wir haben heute die große Chance, erhebliche Strafbarkeitslücken im Sinne eines besseren Schutzes von Frauen zu schließen. Deswegen tragen wir diese aus unserer Sicht bedenkliche Regelung bei der Formulierung der Gruppenstrafbarkeit mit. Wir werden dem Gesetzentwurf heute zustimmen, auch wenn wir das eine oder andere Argument der Opposition auch überlegt hatten. Lassen Sie uns heute diesem Gesetzentwurf so zustimmen. Wir machen ein gutes Gesetz zum Schutz der Frauen vor sexueller Gewalt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Kollege Fechner. – Wir haben jetzt noch eine Rednerin und einen Redner. Ich möchte Sie deshalb auffordern und dringend ersuchen, spannende Gespräche zwischen Herren und Damen draußen zu führen oder sich bitte hinzusetzen und der Debatte zu folgen. Das ist eine wichtige Debatte.
Ich bitte Sie jetzt, der Kollegin Karin Maag, der nächsten Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion, Ihre Aufmerksamkeit zu schenken.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6969570 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Schutz der sexuellen Selbstbestimmung |