07.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 6

Fritz FelgentreuSPD - Vereinbarkeit von Arbeit und Leben

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An Ton und Inhalt des Antrags der Grünen zum Thema „Zeit für mehr“ merkt man, dass wir uns so langsam dem Wahlkampf nähern. Das muss für die Qualität der parlamentarischen Debatten nicht unbedingt schlecht sein.

Aber wenn wir uns Ihre Vorschläge anschauen, liebe Frau Dörner, dann wird auch klar, dass das schon relativ ehrgeizig ist, was Sie da skizzieren. Wenn Sie sich hier vorne hinstellen und sagen, das müsste alles sofort umgesetzt werden, dann kommt mir das nicht so richtig realistisch vor. Wenn Sie mit einem Gesetzentwurf angekommen wären und das Anliegen schon konkret ausgestaltet gewesen wäre, dann hätte ich dem folgen können. Aber der Arbeitsauftrag, den Sie der Regierung geben wollen, bedarf doch erheblicher Ausarbeitungen – das ist Ihnen doch selber klar –, die geraume Zeit in Anspruch nehmen.

Nach meiner unmaßgeblichen parlamentarischen Erfahrung muss ich deswegen sagen: Wenn man mit so etwas im letzten Jahr einer Legislaturperiode beginnt, dann geht es in Wirklichkeit nicht darum, dass das noch in ein Gesetz mündet, sondern es geht darum, ein Thema zu besetzen, es geht darum, vor der Wahl mit den eigenen Ideen die Debatte zu bestimmen. Das ist alles völlig legitim. Aber tun Sie doch nicht so, als wollten Sie hier und heute irgendetwas ändern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Fraktion begrüßt diesen Vorstoß der Grünen sogar; denn er gibt uns die Gelegenheit, darzustellen, was wir in der Regierung erreicht haben,

(Beifall der Abg. Bettina Hornhues [CDU/CSU])

um eine moderne Zeitpolitik für Familien zu gestalten, und er gibt uns auch die Gelegenheit, darzustellen, was wir in Zukunft erreichen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die drei Arbeitsfelder, die der Grünenantrag definiert, sind klar: Es geht um mehr Zeit für Kinderbetreuung in der Familie, es geht um mehr Zeit für Pflege, und es geht um mehr Zeit für Weiterbildung. Überall da soll der rechtliche Rahmen ein bisschen ausgeweitet und die Vereinbarkeit mit dem Berufsleben verbessert werden.

Die SPD-Fraktion teilt diese Zeile, und deswegen sind wir stolz darauf, dass wir in der Regierung in den letzten zwei Jahren auf dem Gebiet von Betreuung und Pflege erhebliche Fortschritte gemacht haben. Wir haben einen Rechtsanspruch geschaffen, die Arbeitszeit bis zu 24 Monate auf eine Mindestarbeitszeit von 15 Stunden pro Woche zu reduzieren, um Zeit für pflegebedürftige Angehörige zu haben. Ein halbes Jahr können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die Pflege freistellen lassen. Mit dem Familienpflegezeitgesetz stehen wir den Menschen in einer besonders schweren Lebensphase zur Seite.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Oft geht es ja darum, von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass jemand die Kraft und den Willen aufbringt, sich persönlich um chronisch Kranke oder sterbende Angehörige zu kümmern. Wir wollen allen, die sich dafür entscheiden, ermöglichen, dass sie diesen Liebesdienst mit dem Berufsleben in Einklang bringen können, und wir sind dabei auch ein großes Stück weitergekommen.

Mindestens genauso wichtig ist für uns, dass junge Eltern Zeit haben, sich um ihre kleinen Kinder zu kümmern. Das Elterngeld ist eine Lohnersatzleistung für Eltern, die eine Auszeit für die Babypflege nehmen. Diese Leistung ist inzwischen schon fast zehn Jahre alt, und sie ist ein Baby der SPD, auf das wir auch stolz sind.

(Beifall bei der SPD)

Im Unterschied zu den Grünen freuen wir uns, dass wir das Elterngeld vor über einem Jahr um das Elterngeld Plus ergänzen konnten. Durch das Elterngeld Plus können Paare jetzt auch gemeinsam für ihre kleinen Kinder sorgen, wenn sie dafür in Teilzeit arbeiten. Ganz offenkundig hat die Politik mit dem Elterngeld Plus einem echten Bedürfnis junger Eltern Rechnung getragen. Wenn man bedenkt, wie neu diese Leistung ist, dann ist es schon ein sensationeller Erfolg, dass im ersten Quartal dieses Jahres schon fast 20 Prozent der jungen Eltern Elterngeld Plus beantragt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

So schlimm kann der bürokratische Aufwand dafür also gar nicht sein.

Die SPD beabsichtigt nicht, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen. Eine moderne Zeitpolitik – darauf hat auch die Kollegin Hornhues hingewiesen – muss auch Familien erreichen, deren Kinder zur Schule gehen. Sie muss die vielen neuen Formen von Erwerbstätigkeit im Blick haben, die die digitale Revolution mit sich bringt. Sie muss die Ausbeutung und die Selbstausbeutung der sogenannten Soloselbstständigen zu verhindern helfen.

Für all das ist nicht nur die Familienpolitik gefragt. Auch die Tarifparteien und die Sozialpartner müssen mitmachen bei der Entwicklung neuer, flexibler Arbeitszeitmodelle, die den Bedürfnissen von Familien und Alleinstehenden in einer Volkswirtschaft, die hochproduktiv ist und auch bleiben soll, gerecht werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Ein Modell, das die SPD auch im edlen Wettstreit der Ideen mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von den Linken, auf jeden Fall weiterverfolgen wird, ist die Familienarbeitszeit. Wir wollen eine Unterstützung für Paare organisieren, die Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich teilen.

(Beifall bei der SPD)

Das alte Modell „Einer arbeitet, und in der Regel bleibt eine zu Hause“, das lehnen wir überhaupt nicht ab, und es wird auch vom Staat massiv gefördert, zum Beispiel durch Mitversicherung und Steuersplittingmodelle, über die wir auch kontrovers diskutieren. Aber ein Modell, bei dem beide gemeinsam zu zwei Dritteln arbeiten und sich zu je einem Drittel um Kinder und Haushalt kümmern, könnte sich in unserer Zeit noch mehr bewähren. Denn es ist für beide Geschlechter fair, es ist gut für die Familie, und es ist auch gut für die Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn der Gesetzentwurf? – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Wahlkampf für Berlin!)

Über 90 Prozent der Frauen und Männer unter 40 finden, dass beide, Mütter und Väter, sich um die Kinder kümmern sollen. Dabei wollen viele Mütter gerne mehr arbeiten und Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Mit unserer Familienarbeitszeit können wir diesen Eltern helfen, ihren Wunsch zu verwirklichen. Für die Wirtschaft bedeutet Familienarbeitszeit, dass mehr Menschen arbeiten gehen können und dass den Unternehmen und der öffentlichen Hand mehr gut ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen. Besonders die Mütter werden dank der Familienarbeitszeit mehr für ihre Rente vorsorgen und der Altersarmut vorbeugen können. Die Kinder profitieren davon, weil sie mit beiden Eltern mehr Zeit verbringen können.

Einen wichtigen Schritt in Richtung Familienarbeitszeit sind wir mit dem Elterngeld Plus bereits gegangen. Aber genau wie das traditionelle Modell der Arbeitsteilung in Familien wird auch die Familienarbeitszeit staatliche Förderung brauchen, vor allem durch Lohnersatz, aber auch durch den weiteren Ausbau von Betreuungsangeboten; auch darauf hatte Kollegin Hornhues hingewiesen. Deshalb werden wir auch weiter daran arbeiten, dass erstklassige Kitas und Schulen mit flexiblen Betreuungsangeboten für alle Bedürfnisse zur Verfügung stehen. Das nennen wir „Familienarbeitszeit“, und da wollen wir hin.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der Gesetzentwurf?)

Lassen Sie uns doch einfach die Zeit bis zur Bundestagswahl nutzen, um über die besten Lösungen zu streiten. Ich freue mich darauf und wünsche uns weiterhin eine gute Debatte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Thema Zeit passt auch, dass Sie sich bitte an die Zeit halten.

14 Sekunden!

Das war jetzt ins allgemeine Rund gesprochen.

Ach so. Dann ist ja gut.

Vielen herzlichen Dank, Dr. Felgentreu. – Nächster Redner: Maik Beermann für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6969591
Wahlperiode 18
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Vereinbarkeit von Arbeit und Leben
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine