07.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 6

Maik BeermannCDU/CSU - Vereinbarkeit von Arbeit und Leben

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! George Orwell sagte einst: „Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, aber wir laufen eiliger an ihr vorbei.“ – Ich finde, das beschreibt auch deutlich, wie heute einige Situationen aussehen. Ja, wir leben in einer sehr anspruchsvollen Zeit, in der uns Smartphones in zehnminütigen Abständen auf neue Termine hinweisen, E-Mails mit Arbeitsaufträgen aufploppen, die abgearbeitet werden müssen. Ja, ich kann verstehen, dass Menschen sich gehetzt fühlen. Natürlich müssen wir diese Entwicklung sehr ernst nehmen. Wie ernst wir sie nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das möchte ich gern kurz skizzieren.

Das Thema „Zukunft der Arbeit“ steht ganz oben auf der Agenda der CDU. Bereits am 15. Dezember letzten Jahres haben wir auf unserem Parteitag in Karlsruhe intensiv über das Thema „Arbeit der Zukunft – Zukunft der Arbeit“ debattiert und dazu auch ein Papier einstimmig verabschiedet. Damit haben wir auf die Veränderungen in der Arbeitswelt, so auch den Wunsch nach mehr Souveränität bei der Arbeitszeit, aus parteipolitischer Sicht bereits reagiert, und wir werden dies natürlich auch in die parlamentarische Debatte einbringen; das haben wir an der einen oder anderen Stelle auch schon getan.

„Familien brauchen Zeit füreinander.“ Dieser Satz, meine Damen und Herren, stammt aus dem Koalitionsvertrag. Er macht deutlich, dass wir Familien und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund stellen. Zeit ist das kostbarste Gut der Familien. Daher haben wir bereits am 11. März 2014 gemeinsam mit dem Koalitionspartner im Antrag „Mehr Zeitsouveränität“ das Thema aufgegriffen. Zeit ist eben auch eine Schlüsselressource.

Aus diesem Grunde machen wir uns stark für eine moderne, lebenslauforientierte Zeitpolitik, die Frauen und Männer dabei unterstützt, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Wir wollen Familien wieder zum Taktgeber des Lebens machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Prioritäten innerhalb der Gesellschaft haben sich geändert. Eltern sagen heute: Ich würde gern auf gewisse Dinge verzichten, wenn ich mehr Zeit mit den eigenen Kindern, mit der eigenen Familie verbringen dürfte. – Darauf haben wir als Gesetzgeber auch schon reagiert. Um den Bedürfnissen von Eltern besser gerecht zu werden, haben wir – die Kollegen Hornhues und Felgentreu haben es erwähnt – das Elterngeld und dann das Elterngeld Plus eingeführt. In meinen Augen war das ein Meilenstein in der Familienpolitik. Durch diese Regelungen haben Eltern die Möglichkeit, die ersten zwei Jahre mit ihrem Kind individuell zu gestalten – ein richtiger und wichtiger Schritt in Richtung Familienzeitpolitik und somit ein gesamtgesellschaftlicher Gewinn.

Ich bin davon überzeugt, dass die vielen variablen und flexiblen Ausgestaltungen des Elterngelds auch ihren Anteil an der steigenden Geburtenrate haben. Wir hatten im Jahr 2015 immerhin 23 000 mehr Geburten als 2014, und 2014 hatten wir auch schon mehr als 2013. Das heißt, es bewegt sich etwas, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD])

Neben Zeit brauchen Familien vor allen Dingen Sicherheit. Gerade in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes hat Sicherheit, auch in Form von finanzieller Sicherheit, eine ganz besondere Bedeutung. Dass wir da die richtigen Schritte gemacht haben, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Jährlich werden aktuell 6 Milliarden Euro für das Elterngeld ausgegeben. Es wird davon auszugehen sein, dass bis zum Jahr 2020 sogar noch 1 Milliarde Euro jährlich dazukommt; dann sind wir bei 7 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist ein deutliches Zeichen.

An dieser Stelle möchte ich zu bedenken geben, dass wir auch als Familienpolitiker nie aus dem Blick verlieren dürfen, dass das Geld, das wir ausgeben, erwirtschaftet werden muss. Es sind immerhin Steuergelder, die hier sicherlich eine sinnvolle Verwendung finden. Das streitet keiner ab. Aber wir haben insbesondere auch eine Verantwortung den nachfolgenden Generationen gegenüber. Daher möchte ich hier noch einmal betonen, dass wir genau aus diesem Grund keine neuen Schuldenberge anhäufen dürfen. Als verantwortungsvolle Politiker müssen wir immer zwischen dem, was wünschenswert ist, und dem, was machbar ist, unterscheiden und abwägen. Ein Dank hier auch einmal in Richtung des Bundesfinanzministers – Herr Dr. Meister, nehmen Sie ihn bitte mit –, dass es gelungen ist, auch für 2017 einen Haushalt aufzustellen, der ohne neue Schulden auskommt. Die schwarze Null steht. Und das ist ebenfalls gut so.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in dieser Legislaturperiode schon viel erreicht. Mit der Weiterentwicklung der Familienpflegezeit, die wir verbindlicher und attraktiver gestaltet haben, wird es Erwerbstätigen ermöglicht, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um Zeit für die Pflege von Angehörigen zu haben. So können die Familien die Pflege ihrer Angehörigen ganz nach ihren Bedürfnissen und Vorstellungen gestalten, ohne sich Gedanken machen zu müssen, dass sie durch ihre Pflegetätigkeit ihre Berufstätigkeit möglicherweise aufgeben müssen.

Aktuelle Zahlen belegen, dass die Familienpflegezeit mehr und mehr angenommen wird. Denn laut Berechnungen des Familienministeriums haben seit Inkrafttreten dieser neuen Regelungen bereits 39 000 Berufstätige für die Pflege von Angehörigen eine mehrmonatige Pflegezeit in Anspruch genommen.

Ich habe den allerhöchsten Respekt vor der Leistung, die pflegende Angehörige täglich erbringen. Ich selber komme aus einer Familie, in der meine Eltern meine Großeltern bis zum Lebensende zu Hause gepflegt haben. Das waren emotionale Momente, das waren schwierige Momente und anstrengende Momente. Diesen Herausforderungen muss man dann auch erst einmal gerecht werden können. Aber ich darf auch sagen, dass es meiner Schwester, meinem Bruder und mir – so gut es uns gelingen konnte – ein Bedürfnis war, unsere Eltern dabei zu unterstützen. Diese Erfahrung, die wir da gemacht haben, war wirklich sehr prägend; denn die körperliche, aber besonders auch die emotionale Belastung ist in solchen Fällen sehr hoch. Die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf stellt Betroffene täglich vor große Herausforderungen. Deshalb war diese Reform ein ganz wichtiger Schritt.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Grünen, in Ihrem Antrag sprechen Sie von lebenslangem Lernen. Ich gebe Ihnen gern eine kleine Gedächtnisstütze. Denn am 2. Juni dieses Jahres, also vor ziemlich genau einem Monat, wurde das Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung verabschiedet. Damit wurde die Rolle von Aus- und Weiterbildung als zentrale Elemente der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland bekräftigt.

Ich bin ausdrücklich für eine Intensivierung der Weiterbildungsförderung, gerade auch deshalb, weil ich selber zu jenen gehöre, die eine dreijährige Ausbildung genossen und dann eben auch von Fortbildungsmaßnahmen profitiert haben. In vielen Gesprächen in meinem Wahlkreis im niedersächsischen Nienburg und im Schaumburger Land berichten mir die Unternehmen, dass neben der Gewinnung von Fachkräften und der Personalentwicklung die Themen „Fort- und Weiterbildung“ und „Einräumen individueller Zeitfenster“ von Bedeutung sind, da diese häufig eine Berufsentscheidung junger Menschen beeinflussen.

Die Ansprüche an die Beschäftigten haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Gerade die Digitalisierung beeinflusst diese Entwicklung; denn sie eröffnet eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten, die den Arbeitsalltag besser machen können und somit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch fördern. Die Digitalisierung bietet in diesem Bereich enorme Chancen. Diese Chancen gilt es in Zukunft noch besser zu nutzen und für alle zugänglich zu machen.

Das Internet verändert Arbeitsorganisationen und Arbeitsbeziehungen. Aber Arbeit ist immer weniger orts- und zeitgebunden und zunehmend dezentral organisiert. Die Digitalisierung bedeutet in dieser Hinsicht einen qualitativen Sprung und führt nicht nur zu einer quantitativen Ausweitung von schon lange bekannten Arbeitsformen wie Telearbeit und Home Office.

Für uns war es schon immer wichtig und richtig, Familien in ihren verschiedenen Lebensphasen und -situationen zu unterstützen. Dafür schaffen wir verlässliche Rahmenbedingungen, dabei achten wir nicht nur auf die Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit jeder einzelnen Familie, sondern bestärken diese auch.

Zum Thema Selbstbestimmtheit bzw. Wahlfreiheit möchte ich an dieser Stelle noch einmal Folgendes ganz deutlich sagen: Wir von der Union werden Regelungen, die die Freiheit der Familiengestaltung beeinflussen und lediglich ein ganz bestimmtes Familienmodell fördern, ganz klar ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Fritz Felgentreu [SPD])

Für uns hat eine echte Wahlfreiheit oberste Priorität bei familienpolitischen Überlegungen. Eine starre gesetzliche Regelung, die nur ein bestimmtes Modell berücksichtigt, lehnen wir ab.

(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ja ein Fortschritt!)

Ich danke der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass sie diesen Antrag gestellt hat und mir somit die Möglichkeit gibt, in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause meine Redezeit zu nutzen, die jetzt leider abgelaufen ist, um die gute und lebensnahe Familien- und Pflegepolitik der Großen Koalition zu erörtern, unsere gute Arbeit in diesem Bereich nochmals in den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen und auf das wichtige Thema der Digitalisierung hinzuweisen. Die Digitalisierung wird in der Zukunft große Herausforderungen mit sich bringen; das haben Sie in Ihrem Antrag leider komplett unterschlagen und vergessen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Familien und pflegende Angehörige haben eines wirklich verdient, nämlich dass sie im Fokus unserer Gesellschaft stehen. Das soll auch so sein. Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, ist daher leider abzulehnen.

(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es ist doch die erste Lesung!)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Ich mache noch einmal darauf aufmerksam: Wenn jeder, wenn er gemerkt hat, dass die Redezeit zu Ende ist, noch eine Minute länger redet, dann wird das heute Abend nichts.

Jetzt hat der Kollege Jörn Wunderlich für die Fraktion Die Linke das Wort. – Bitte schön.

(Beifall bei der LINKEN – Maik Beermann [CDU/CSU]: Der holt das jetzt wieder auf!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6969594
Wahlperiode 18
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Vereinbarkeit von Arbeit und Leben
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