Hans-Georg von der MarwitzCDU/CSU - Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Zentrum des Gesetzentwurfes zur Reform der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, kurz: GAK, steht ein entscheidender Paradigmenwechsel von gesellschaftlicher Bedeutung, Herr Tressel. Mit diesem Gesetz erweitern wir in den engen Grenzen des Artikels 91a im Grundgesetz den Fokus der GAK über die Landwirtschaft hinaus auf den ländlichen Raum.
Wir fördern mit diesem Gesetz erstmals auch außerlandwirtschaftliche Infrastruktur – eine wichtige Maßnahme für unsere Gemeinden und Dörfer. In weiten Gebieten Deutschlands ist die Landwirtschaft längst nicht mehr der Wirtschaftsmotor Nummer eins – von den Beschäftigten auf den Feldern und in den Ställen ganz zu schweigen. Die agrarpolitischen Diskussionen der letzten Monate bieten zusätzlich reichlich Anlass, über die weitere Entwicklung der ländlichen Räume nachzudenken.
Zwar prägt die Landwirtschaft optisch noch viele Regionen, doch hinter den Fassaden haben Gewerbe und Dienstleistungen die Urproduktion längst überholt. Unsere Landwirte geraten nicht nur durch die Agrarmarktkrise immer stärker unter Druck. Unabhängig davon schreitet der Strukturwandel weiter voran. Entleerte Dörfer und demografische Verwerfungen drohen. Kurzum: Teile des ländlichen Raumes stecken in der Krise – übrigens im Osten Deutschlands wesentlich offensichtlicher als im Westen. Meine Heimat Brandenburg hat einen hohen Anteil an ländlichen Regionen.
Sie alle kennen meine Position, und ich werde nicht müde, auch bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, wie wichtig eine vielschichtige Agrarstruktur ist. Durch eine unbedachte Überführung alter DDR-Strukturen in die Marktwirtschaft und die Vernachlässigung der Familienbetriebe in den 90er-Jahren verschärft sich bis heute die Krise zusätzlich, gerade wenn der Markt schwächelt und geordnete Betriebsübergaben ausbleiben. Die Causa KTG sei hierfür beispielgebend erwähnt.
Wir haben zwei Seiten einer Entwicklung. Die Märkte sind durch hohe Produktionsmengen deutlich übersättigt. Die deutsche Landwirtschaft ist durchrationalisiert, hochleistungsorientiert, profiliert auf dem Weltmarkt und damit ökonomisch eng mit China und Russland verzahnt. Doch die daraus resultierenden Wechselwirkungen stehen heute vielen Landwirten zum Teil im Weg. Die derzeitige Krise wird, langfristig betrachtet, tiefe Spuren in der deutschen Agrarstruktur hinterlassen. Mit einer baldigen Besserung ist derzeit nicht zu rechnen.
Wir führen hier eine strukturpolitische Diskussion. Deshalb zurück zur GAK, Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Zusammen mit den Ländermitteln verteilen wir auf diesem Weg in diesem Jahr rund 1,2 Milliarden Euro, eine beachtliche Summe. Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des GAK-Gesetzes setzen wir heute auf eine Neuorientierung, sicherlich noch in einem sehr überschaubaren Rahmen – da gebe ich Ihnen absolut recht –, aber immerhin ist es ein Anfang. Wir brauchen alternative Entwicklungen für den ländlichen Raum. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung – der Herr Minister hat das vorhin erwähnt – lebt auf dem Land. Mit der geplanten Öffnung der GAK durch die Novellierung des Gesetzes schaffen wir dafür neue Voraussetzungen. Dennoch hat für mich weiterhin Priorität: der bleibende Bezug zur Landwirtschaft in diesem Gesetz. Denn der Agrarbezug steht im Zentrum der Gemeinschaftsaufgabe.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zustimmung des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD])
Durch die Erhöhung der Mittel wird gleichzeitig sichergestellt, dass die Förderung der neuen Maßnahmen nicht zulasten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ geht. Mir ist wichtig, dass sich mein Berufsstand zukunftsorientiert aufstellt. Wenn nicht wir Bauern den Transformationsprozess mit beeinflussen, dann werden das andere für uns tun. Die Öffnung der GAK für andere Schwerpunkte im ländlichen Raum ist ein sprichwörtliches Wetterleuchten am Agrarhimmel. Wir tun klug daran, die Zeichen der Zeit zu deuten.
(Beifall des Abg. Willi Brase [SPD])
Ich habe zu Beginn auf die derzeitige Krise verwiesen. Es ist wichtig für die Landwirte, aber auch für den gesamten ländlichen Raum, Anreize zu schaffen für unternehmerisches Engagement, für Investitionen in die Zukunft und nicht zuletzt für eine neue Definition heimatlicher Verbundenheit. Mein Appell geht deshalb an Sie alle, Verbraucher und Produzenten, Verarbeiter und den Handel: Die Bauernschaft ist kein Berufsstand wie jeder andere. Wir sorgen schließlich für das täglich Brot im Einklang mit dem geliehenen Gut unserer Kinder. Im Wohlstand mag das wenigen von Bedeutung sein. Aber die Geschichte lehrt uns: Ist ruiniert der Bauernstand, ziehen Teuerungen übers Land.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die Kollegin Petra Crone spricht jetzt für die SPD.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6969679 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz |