Matthias BartkeSPD - Bekämpfung des Menschenhandels
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Der Menschenhandel gilt als eine der schwersten Straftaten weltweit, als schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte, moderne Form der Sklaverei und äußerst gewinnbringendes Geschäft der organisierten Kriminalität.
So steht es wortwörtlich im Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Bekämpfung von Menschenhandel. Dieser Satz beschreibt, weshalb wir dem Menschenhandel ohne Wenn und Aber einen Riegel vorschieben müssen.
In der EU-Richtlinie von 2011 heißt es daher auch:
Die Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels ist für die Union und die Mitgliedstaaten ein vorrangiges Ziel.
Der Handlungsauftrag war damit eigentlich klar definiert – eigentlich. Denn die Richtlinie hätte bereits bis April 2013 umgesetzt werden müssen. Unsere Vorgängerregierung hat das aber nicht hinbekommen. Um es klar zu sagen: Schwarz-Gelb hat an dieser Stelle deutlich versagt.
Die damalige Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger schlug auf den letzten Metern ihrer Amtszeit kleine Änderungen im Strafrecht vor. Ein paar Worte raus, ein paar dazu. Der Gesetzentwurf war in der Folge völlig unzureichend, um den Menschenhandel einzudämmen und Zwangsprostitution zu bekämpfen. Aus gutem Grund haben damals die rot-grün regierten Länder den Vermittlungsausschuss angerufen. Weil aber alles so kurz vor knapp war, konnte der Vermittlungsausschuss nicht mehr zusammentreten, und das Gesetz war in der Folge gescheitert. Deutschland ist nun also das letzte Land in der Europäischen Union, das die Richtlinie nicht umgesetzt hat. Ich glaube, wir können alle froh sein, dass wir diese blamable Situation nun hinter uns lassen.
(Beifall bei der SPD)
Die Richtlinienumsetzung ist dringend notwendig und überfällig.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht dafür vor allem die Erweiterung der Zwecke des Menschenhandels vor. Aufgenommen wurden Betteltätigkeiten und strafbare Handlungen des Opfers sowie auch die Organentnahme bei Opfern.
Diese Änderungen reichen aber nicht aus, um den Menschenhandel erfolgreich zu bekämpfen. Das wurde bereits in der Anhörung in der vergangenen Legislaturperiode deutlich. Es war damals der Sachverständige Kriminalkommissar Sporer, der sich in die Rolle eines Unternehmensberaters hineinversetzte. Als solcher, sagte er, würde er einem Straftäter mit viel Geld keinesfalls zu Waffen- oder Drogenhandel raten. Das sei viel zu gefährlich. Stattdessen würde er empfehlen, in den Menschenhandel einzusteigen. Hier gebe es die geringsten Risiken, erwischt zu werden.
Grund für diese zynische Einschätzung sind unsere derzeit immer noch stumpfen Gesetze, die nur schwer anwendbar sind. Bisher kann Menschenhandel fast nur dann nachgewiesen werden, wenn das Opfer eine Aussage macht. Daran ändert sich nichts, nur weil der Anwendungsbereich in Bezug auf die Zwecke des Menschenhandels geändert wird.
Wir haben uns daher in der Großen Koalition mit einem Änderungsantrag auf eine grundlegende Reform geeinigt, an der wir lange gefeilt haben. Es ist eine Reform, die den Bedenken aus der Praxis Rechnung trägt. Die erdrückende Bedeutung der Opferaussage haben wir abgemildert. Der strafrechtliche Schutz vor sexueller Ausbeutung und vor Arbeitsausbeutung wird in Zukunft auf die Ausbeutung als solche fokussiert werden. Damit steht die Willensbeeinflussung des Opfers endlich nicht mehr im Mittelpunkt des Strafverfahrens.
Daneben war es uns wichtig, die Ausbeutung der Arbeitskraft stärker in den Fokus zu rücken. Wenn wir von Menschenhandel sprechen, dann fallen uns meist Frauen ein: Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden. Es gibt aber auch Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Uns sind Fälle aus der Landwirtschaft, der Gastronomie, dem Bau und der Fleischverarbeitung bekannt. Das BKA geht hier von einem richtig großen Dunkelfeld aus.
Im Kampf gegen die Zwangsprostitution haben wir uns außerdem auf eine Freierstrafbarkeit geeinigt. Künftig macht sich ein Freier strafbar, wenn er erkennt, dass er die Dienste einer Zwangsprostituierten in Anspruch nimmt. Das ist vielleicht nicht immer offensichtlich. Es gibt jedoch genug Hinweise, die freiwillige Prostitution geradezu ausschließen. Dazu gehören zum Beispiel Verletzungen oder ein stark eingeschüchterter Zustand des Opfers. Meine Damen und Herren, keiner soll mehr die Augen verschließen dürfen, wenn klare Anzeichen von Zwangsprostitution offenkundig sind.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Im Nachgang zur Anhörung haben wir an unserem Antrag noch Änderungen vorgenommen. Dazu gehört die Klarstellung, dass auch die sogenannten Loverboy-Fälle von den Straftatbeständen Menschenhandel und Zwangsprostitution erfasst werden. Loverboys machen Frauen verliebt und spielen ihnen eine gemeinsame Zukunft vor. Ursprünglich kommt der Begriff daher, dass man Schulmädchen heimlich in die Prostitution schickte. Das funktioniert aber auch bei über 21-Jährigen. Denn auch die wollen sich verlieben und träumen von einer gemeinsamen Zukunft, erst recht, wenn sie aus einem armen Land kommen. Sie sind dann bereit, Dinge zu tun, die sie sonst nicht tun würden. Die Gefühle von Frauen werden hier rücksichtslos für Straftaten ausgenutzt. Umso wichtiger ist es, dass wir nun auch diese Fälle erfasst haben.
Meine Damen und Herren, wir haben heute schon das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung und auch das Prostituiertenschutzgesetz beschlossen. Insgesamt bringen wir damit drei Gesetze auf den Weg, die vor allem für Frauen mehr Schutz und mehr Selbstbestimmung ermöglichen. Diese drei Gesetze zeigen eines deutlich: Die Große Koalition ist handlungsfähig, und sie löst die Probleme unseres Landes.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollte man fortsetzen!)
Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Ulla Jelpke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6969724 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung des Menschenhandels |