Johannes FechnerSPD - Bekämpfung des Menschenhandels
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Menschenhandel und Ausbeutung, das gibt es nicht nur in der sogenannten Dritten Welt; leider gibt es auch in Deutschland zu viele Menschen, die ausgebeutet werden, im schlimmsten Fall sogar zur Prostitution gezwungen werden, und das ist nicht hinnehmbar. Deshalb ist das Gesetz, das wir heute beschließen, ein wichtiges Gesetz. Wir müssen die Opfer von Zwangsprostitution und Zwangsarbeit besser schützen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
In der Vergangenheit ist die Bestrafung der Täter allzu oft daran gescheitert, dass das Opfer aus Angst vor Repressalien oder der Rache des Täters nicht bereit war, gegen den Täter auszusagen. Der Tatbestand des Menschenhandels ist im heute noch geltenden Recht so formuliert, dass der Menschenhändler entscheidenden Einfluss auf den Willen des Opfers genommen haben muss, sich zur Prostitutionsaufnahme zu entschließen. Diesen Einfluss auf den Willen des Opfers ohne die Aussage des Opfers nachzuweisen, das war in vielen Strafprozessen das Kernproblem, und das machte eine Verurteilung oft unmöglich.
Durch eine geänderte Formulierung des Tatbestandes wollen wir nun ermöglichen, dass sich der Tatrichter zukünftig auch auf andere Beweismittel stützen kann. Wenn durch Zeugenaussagen nachgewiesen ist, dass der objektive Tatbestand erfüllt ist, dass etwa die Tathandlung begangen wurde – das Anwerben einer Jugendlichen, die durch Prostitution ausgebeutet werden soll –, dann kann eine Verurteilung erfolgen, ohne dass der heute nötige Nachweis erbracht werden muss, dass gerade der Täter den Willensentschluss des Opfers hervorgerufen hat. Das ist eine wichtige Verbesserung gegenüber dem heutigen Recht.
(Beifall bei der SPD – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das passiert ja gerade nicht!)
Der SPD war auch wichtig, dass die brutalen Straftaten des Menschenhandels und der Zwangsprostitution angemessen bestraft werden können. Auf unseren Vorschlag hin erhöhen wir deshalb das Strafmaß im Grundtatbestand von drei Monaten auf sechs Monate. Uns war weiter wichtig – Kollege Bartke hat schon darauf hingewiesen –, dass auch die sogenannten Loverboy-Fälle zweifelsfrei erfasst werden. Deswegen haben wir in der recht ausführlichen Begründung ergänzt, dass diese Masche der Zuhälter, bei der die Zuhälter den Frauen die große Liebe vorspielen, sie aus ihrem sozialen Umfeld, aus ihren familiären Bindungen lösen und dadurch eine Art psychischer Abhängigkeit schaffen, zukünftig als List im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist. Damit regeln wir genau diese perfide Masche als strafbar, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Auch bei uns in Deutschland gibt es Menschen, die in sklavenähnlichen Zuständen arbeiten. Da können wir nicht zuschauen. Es ist uns wichtig, dass wir Straftatbestände schaffen, wonach sich Täter strafbar machen, die in solchen Fällen die Arbeitskraft anderer Menschen ausbeuten. Wer insbesondere Jugendliche anwirbt oder nach Deutschland befördert und sie hier dadurch ausbeutet, dass sie Straftaten begehen müssen oder zum Betteln geschickt werden, anstatt in die Schule zu gehen – das sind nicht hinnehmbare Zustände –, den wollen wir ebenfalls als Täter bestrafen.
Eine wichtige Regelung ist auch, dass sich zukünftig Freier strafbar machen, wenn sie die Dienste einer Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Dabei war uns als SPD besonders wichtig, dass wir die Kriterien, wann von der Erkennbarkeit der Zwangsprostitution auszugehen ist, in der Begründung klar formulieren. Denn wir wollen nicht, dass sich Freier einfach herausreden können mit der Begründung, sie hätten die Zwangsprostitution nicht erkennen können.
(Beifall bei der SPD)
Wenn eine Frau eingeschüchtert ist, wenn sie weint, sie kaum deutsch spricht, wenn der Zuhälter die Verhandlungen über Geld und Dienste führt oder wenn die Frau gar Verletzungen aufweist, dann ist für den Freier erkennbar, dass sich die Frau nicht freiwillig prostituiert, sondern dass sie gezwungen wird. Weil wir Zwangsprostitution verhindern wollen, da sie ein massiver und für die Opfer oft lebenslang traumatisierender Eingriff ist, müssen wir diese Regelungen hier heute so beschließen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich habe schon heute Morgen bei der Diskussion zum Sexualstrafrecht gesagt, wir sollten uns bei einer Prüfung, ob auch die Strafprozessordnung zu ändern ist, auch fragen, ob es nicht gerade in derartigen Fällen Sinn macht, dass schon die erste polizeiliche Vernehmung des Opfers auf Video aufzuzeichnen ist. Denn dann könnten wir dieses Video im Prozess einführen, wenn die Zwangsprostituierte aus Angst vor dem Zuhälter eben nicht mehr bereit ist, Aussagen zu machen. Ich glaube, das wäre eine wichtige Ergänzung der Strafprozessordnung, die wir uns vornehmen sollten.
Zu der Kritik, wir würden hier nichts für die Opfer tun im Hinblick auf die Aufenthaltserlaubnis, gestatte ich mir den Hinweis auf § 25 Absatz 4a des Aufenthaltsgesetzes. Das haben wir vor etwa einem Jahr neu geregelt, um genau Ihrem Anliegen nachzukommen. Wenn eine Zwangsprostituierte im Strafprozess aussagt, dann kann sie in Deutschland bleiben.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: In der EU-Richtlinie steht aber das Gegenteil! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das entspricht leider nicht der Richtlinie!)
Sie bekommt ein Aufenthaltsrecht, und zwar nicht nur während des Prozesses, sondern es gibt auch die Möglichkeit, darüber hinaus ein Aufenthaltsrecht zu bekommen.
(Beifall des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD])
Also, Ihr berechtigtes Anliegen, Frau Kollegin Jelpke, haben wir schon vor einem Jahr berücksichtigt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das stimmt nicht! – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Nein!)
Angesichts dessen, dass in Deutschland nach Schätzungen Zehntausende Zwangsprostituierte oder Menschen in sklavenähnlichen Zuständen ausgebeutet werden, können wir nicht weiter zuschauen, dann müssen wir solch ein Gesetz machen, dass es für Verurteilungen eben nicht nur auf die Opferaussage ankommt. Deshalb stimmen wir diesem Gesetzentwurf zu. Wir sind es den Opfern schuldig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Kathrin Rösel, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6969745 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Bekämpfung des Menschenhandels |