07.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 20

Kathrin RöselCDU/CSU - Bekämpfung des Menschenhandels

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn im Alltag über Menschenhandel geredet wird, beschreibt das oft sehr unterschiedliche Dinge. Mal ist es Prostitution, mal ist es Leiharbeit, mal ist es Menschenschmuggel, und manchmal – ja, manchmal – wird sogar der Verkauf von Fußballspielern als moderner Menschenhandel bezeichnet. Dieses Alltagsverständnis entspricht jedoch nicht dem strafrechtlichen Begriff, über den wir hier heute diskutieren.

Wir reden über nicht weniger als über eines der zentralen Grundrechte, nämlich über Menschenwürde. Menschenhandel in all seinen Ausprägungen – ob er zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, zur Arbeitsausbeutung oder in anderen Formen stattfindet – stellt eine schwere Verletzung der Menschenwürde dar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Schätzungen gehen davon aus, dass im letzten Jahr weltweit rund 2,7 Millionen Menschen Opfer von Menschenhandel geworden sind. Die Menschenhändler verdienen an diesem Geschäft mehr als 30 Milliarden Euro jährlich. Das Geschäft mit der Handelsware Mensch gilt vom Gewinn her als drittwichtigste kriminelle Einkommensquelle nach dem Drogen- und Waffenhandel.

Fakt ist: Menschenhandel ist vor dem Hintergrund von 400 Jahren Sklavenhandel kein neues Phänomen, aber ein Problem, das mittlerweile Ausmaße annimmt, die uns vergessen lassen, dass wir im 21. Jahrhundert leben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Umsetzung der EU-Richtlinie, die zum Ziel hat, Menschenhandel zu verhüten und zu bekämpfen und die Opfer von Menschenhandel zu schützen, zielt nicht nur darauf ab, ebendieses Grundrecht auf Menschenwürde durchzusetzen, sondern auch darauf, die Täter noch härter zu bestrafen; eigentlich eine Sache, die uns selbstverständlich erscheint und schon längst hätte gesetzlich geregelt sein müssen. Leider ist das nicht so.

Wir müssen nämlich auch darüber reden, dass der Begriff „Menschenhandel“ im Strafgesetzbuch viel weiter als bisher gefasst werden muss. Hier geht es um Zwangsarbeit, Ausbeutung der Arbeitskraft, Menschenhandel zum Zweck der Bettelei und Menschenhandel zur Durchführung von Straftaten. Es geht darum, dass mit Menschen gehandelt wird, um ihnen Organe zu entnehmen, und es geht insbesondere – das ist mir ganz besonders wichtig – um den Tatbestand der Zwangsprostitution.

Neu in der Gesetzesvorlage ist, dass nun auch im Strafgesetzbuch verankert wird, wenn Menschen – hier sind es zum größten Teil Frauen und Kinder – gezwungen werden, zum Betteln auszuharren oder professionell auf Diebestour zu gehen.

Gut und richtig ist es ebenso, dass der neue § 232 Strafgesetzbuch nun auch den Tatbestand des Menschenhandels zum Zweck des Organhandels erfasst. Die Erweiterung um diese Straftatbestände ist meines Erachtens überfällig, und ich bin froh, dass wir heute deren Umsetzung beschließen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber nicht nur die Erweiterungen um die genannten Straftatbestände sind Inhalt der Gesetzesvorlage. Wir gehen noch viel weiter, indem wir nämlich zum einen die Gesetzeslücke auf der Nachschub- und Logistikebene des Menschenhandels schließen. Künftig wird auch das Anwerben, Befördern, Weitergeben und Beherbergen, also jede noch so gering erscheinende Form der Beteiligung am Menschenhandel, strafbar sein. Wir schaffen Instrumente, die es ermöglichen, die Täter noch härter zu bestrafen, wenn zum Beispiel die Opfer minderjährig sind oder wenn das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdet wird.

Zum anderen ziehen wir auch diejenigen zur Verantwortung, die von einer offensichtlichen Zwangslage eines Menschen profitieren. Hiermit meine ich – das ist ein großer Schritt nach vorn –, dass sich Freier von Zwangsprostituierten strafbar machen. Ob es sich um Zwangsprostitution handelt, ist in den allermeisten Fällen klar erkennbar. Wer seine Augen vor offensichtlichen Anzeichen wie körperlichen Verletzungen, eingeschüchtertem Verhalten oder nicht vorhandenen Deutschkenntnissen verschließt oder wer die Dienstleistung mit einem Zuhälter anbahnt und aushandelt, gehört bestraft. Diese Strafbarkeit ist seit jeher ein wichtiges Anliegen der Union und wird nun endlich umgesetzt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Allerdings soll den Freiern, die zur Aufdeckung und zur Aufklärung von Zwangsprostitution beitragen, Straffreiheit gewährt werden. Hier stellen wir den Schutz der Opfer und die Vermeidung von weiteren Straftaten über den Strafanspruch an die Freier, und das ist gut so. Was ich an dieser Stelle nicht nachvollziehen kann, ist die Kritik der Opposition, dass wir beim Opferschutz nicht weit genug gehen würden und hier hinsichtlich der Aufenthaltserlaubnis nochmals nachgebessert werden solle.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Sie müssen die EU-Richtlinie lesen! Da steht das alles drin!)

Wenn Sie bei der Expertenanhörung vor einigen Wochen zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass uns allen deutlich gemacht wurde, dass dem mit der Erweiterung – Sie erwähnten es schon, Dr. Fechner – des § 25 Aufenthaltsgesetz ausreichend Rechnung getragen wird. Insofern ist diese Kritik völlig überflüssig.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben heute Vormittag den Grundsatz „Nein heißt nein“ im Strafrecht verankert. Nein heißt nein nämlich auch dann, wenn offensichtlich ist, dass eine Frau – in über 95 Prozent der Fälle sind es Frauen – sich aufgrund einer Zwangslage prostituiert. Ich bedauere es sehr, dass es aufgrund der Weigerung der SPD nicht dazu gekommen ist, heute früh im Gesetz eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung von Prostituierten zu verankern.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Ohne uns gäbe es das ganze Gesetz gar nicht!)

Es wurde dadurch versäumt, die Gesundheit der Prostituierten und deren Freier besser zu schützen. Ebenso hätte eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung entscheidend dazu beitragen können, dass Zwangsprostitution schneller und besser identifiziert und geahndet werden kann. Schade! Ich denke, hier wurde die Chance klar versäumt, Opfer von Misshandlungen, Zwangsprostitution und Menschenhandel noch besser zu schützen und ihnen zu helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass wir mit den vorliegenden Änderungen des Strafgesetzbuches nicht nur die geforderte EU-Richtlinie umsetzen. Wir haben ein Instrument geschaffen, das es uns ermöglicht, Menschenhändler härter zu bestrafen und Opfer noch besser zu schützen.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Darauf bin ich gespannt!)

Daher bitte ich um Zustimmung.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Damit sind wir am Ende der Aussprache.

Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich nicht versäumen, der Kollegin Rösel zu ihrer ersten Rede zu gratulieren.

(Beifall)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6969746
Wahlperiode 18
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Bekämpfung des Menschenhandels
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