Özcan MutluDIE GRÜNEN - Ausbau inklusiver Bildung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Xaver Jung, ich rate vor allem Ihnen: Verlassen Sie erst einmal Ihre ideologischen Gräben, dann können wir über vernünftige Bildungspolitik reden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])
Das, was Sie hier gemacht haben, war Ideologie pur. Sie sind gar nicht auf die Rede der Kollegin von der Linken eingegangen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzte Woche habe ich in einer Tageszeitung aus NRW gelesen, dass eine junge Frau aus dem schönen Nettetal das beste Abitur ihres Schuljahrgangs absolviert hat.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Manche mögen jetzt fragen: Was ist daran so ungewöhnlich? Ich sage es Ihnen: Die junge Frau hat als Schülerin bis zur achten Klasse die Förderschule besucht.
(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Da sieht man, wie eine gute Förderschule funktioniert!)
Diese junge Frau hat es dank ihres eigenen Engagements, aber auch dank des Engagements ihrer Eltern und ihres Umfelds geschafft, nach der achten Klasse auf eine Gesamtschule zu wechseln;
(Sylvia Pantel [CDU/CSU]: Das ist doch super! Wo ist das Problem?)
ein Glück für sie. Ich sage: Weil viele Kinder und Jugendliche dieses Glück nicht haben und wir ein strukturelles Bildungsproblem haben, müssen wir umsteuern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Deshalb sollten Sie genau zuhören.
Viele junge Menschen bekommen schlichtweg nicht die Chance, eine Regelschule zu besuchen. Aber wir sagen: Der Bildungserfolg unserer Kinder darf weder vom Glück abhängig sein noch davon, ob sie in einer Förderschule oder einer Regelschule lernen. Der Sonderstatus und die konstruierte Andersartigkeit fallen beim inklusiven Unterricht weg. Nur so können alle sich bestmöglich entwickeln und bestmöglich gefördert werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Inklusion ist nicht – wie es in einem Zwischenruf von der CDU/CSU eben hieß – Gleichmacherei, sondern das Gegenteil von Gleichmacherei.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Inklusion heißt nämlich: Jeder und jede wird individuell gefördert, ohne ausgeschlossen oder stigmatisiert zu werden. Nur so kann Bildungsgerechtigkeit gelingen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Dafür sind die Länder zuständig! In zehn Ländern sitzen Sie mit in der Regierung! Dann macht es doch!)
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen – ich schaue in Richtung der CDU/CSU –, sollte unser aller Anliegen sein, und nicht nur in den Schulen, sondern auch in den Kitas.
Der jüngste nationale Bildungsbericht hat erneut bestätigt, dass Bildungsungerechtigkeit und soziale Disparität immer noch die Achillesferse unseres Bildungssystems darstellen, obwohl kleine Fortschritte zu verzeichnen sind. Es wird weiterhin selektiert und aussortiert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo? In Nordrhein-Westfalen, oder?)
Wir Grüne sagen: Damit muss Schluss sein!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Das leidige Kooperationsverbot ist, auch wenn Sie es nicht gern hören, ein wesentliches Inklusionshemmnis – das sollten Sie endlich akzeptieren –;
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
denn Inklusion kostet Geld. Hier darf sich der Bund keinen schlanken Fuß machen. Wir sehen den Bund auch in der Pflicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Jawohl, das sagen alle Bürger! Genau! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)
Wir brauchen endlich eine gemeinsame Bildungsstrategie für unser Land. Deshalb sagen wir: Packen Sie es an! Lassen Sie uns gemeinsam das Kooperationsverbot abschaffen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, inklusiver Unterricht muss auf variierende Lerntempos der Schülerinnen und Schüler eingehen. Das erfordert mehr Investitionen in die Bildung und neue Konzepte. Auf der Nationalen Konferenz zur inklusiven Bildung im Jahre 2013 hat Frau Ministerin Wanka in Richtung der Länder gesagt – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin –: Jeder Cent für inklusive Bildung ist gut angelegt. – Da nehmen wir Sie beim Wort, da stimme ich Ihnen absolut zu. Das muss auch die Bundesregierung endlich beherzigen und nicht nur Sonntagsreden von sich geben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Was Sie hier halten, ist eine Montagsrede!)
Unterstützen Sie die Länder, damit inklusive Bildung für alle keine Illusion bleibt!
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. – Mit der 2009 ratifizierten UN-Konvention haben wir uns verpflichtet. Darin wird inklusives Lernen als ein Menschenrecht anerkannt. Uns ist es aber bislang nicht gelungen, das flächendeckend vollumfänglich umzusetzen. Jetzt ist es an der Zeit! Lassen Sie uns gemeinsam anpacken, statt immer noch in ideologischen Gräben – wie Sie da drüben von der CDU/CSU – zu verharren.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Als nächster Redner hat Oliver Kaczmarek von der SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6969820 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 183 |
Tagesordnungspunkt | Ausbau inklusiver Bildung |