07.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 183 / Tagesordnungspunkt 15

Ewald SchurerSPD - Geschlechtergerechte Haushaltspolitik

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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Keinesfalls ist Gender Budgeting ein Kampfbegriff, den man, liebe Kollegin Ekin Deligöz, negativ bewerten muss. Es gibt schon Haushaltsansätze, zum Beispiel im Berliner Senat, bei denen man damit arbeitet. Es gibt auch viele Länder, zum Beispiel skandinavische Länder und Österreich, die man in diesem Zusammenhang als positive Beispiele erwähnen kann. Insofern sehe ich den Diskussionsprozess als sehr produktiv an.

Unabhängig von der philosophischen Frage, ob wir den Haushalt eher geschlechterneutral sehen oder eben auch in der Dimension weiblich/männlich bewerten sollten, möchte ich darauf hinweisen, dass von der aktuellen Regierung Frauenpolitik betrieben wird. Es ist zwar beschämend, dass wir die Bestimmungen für mehr Schutz für Frauen vor sexuellen Übergriffen erst heute beschlossen haben – es war ein langer Prozess, und das Thema ist lange Zeit tabuisiert worden –; aber immerhin haben wir heute vor dem Hintergrund jüngster schlimmer Ereignisse, die krimineller Natur waren, Konsequenzen gezogen. Auch das ist konkrete Frauenpolitik, die hier heute im Parlament beschlossen worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will, liebe Kolleginnen und Kollegen, darauf hinweisen, dass diese Regierung zum Beispiel im April 2015 das Bundesgleichstellungsgesetz auf den Weg gebracht hat. Das ist noch kein Durchbruch für die gesamte Wirtschaft; aber bei börsennotierten Unternehmen werden nun immerhin 30 Prozent der Spitzenposten für Frauen reserviert. Das ist ein Anfang, aber noch nicht der Durchbruch. Auch das sind Errungenschaften konkreter Frauenpolitik, die von dieser Koalition gemeinsam erreicht worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben dann Mitte 2015 das Elterngeld Plus eingeführt. Auch das ist ein gesellschaftlicher Fortschritt, weil damit für Väter und Mütter gemeinsam Spielräume im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erzielt werden sollen. Auch das, liebe Ekin, werte Kolleginnen und Kollegen, ist ein konkreter Fortschritt. Es ist gendermäßig eine politisch richtige Maßnahme, die wir in dieser Großen Koalition durchgesetzt haben.

(Beifall bei der SPD)

Für uns Sozialdemokraten war im Kampf um den Mindestlohn auch die Dimension von großer Bedeutung, dass der Mindestlohn zu zwei Dritteln, sogar fast 70 Prozent, die weibliche Hälfte der Bevölkerung betrifft, weil in unserer Gesellschaft vor allen Dingen Frauen in den Berufen tätig sind, in denen entgegen allem Verständnis vom Wert der Arbeit bisher zum Teil so wenig gezahlt worden ist, dass man davon überhaupt nicht leben konnte. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten war also beim Projekt Mindestlohn auch die Dimension, die Frauen besserzustellen, von herausragender Bedeutung.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss ganz ehrlich sagen: Ein schwerwiegender Punkt fehlt noch; er ist noch nicht angesprochen worden. Wir Sozialdemokraten, also Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – ganz ernsthaft akzentuiert –, wollen im Zuge des Projektes, künftig Lohngerechtigkeit herzustellen, weitere Fortschritte erzielen. Lohngerechtigkeit ist eine Dimension, die bei einem Mann, einem Vater wie mir – ich habe vier Kinder, darunter drei Töchter –, einen Emanzipationsprozess auslöst.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

– Das meine ich mit großer Ernsthaftigkeit. – Es ist für mich nach wie vor beschämend, dass Frauen in unserer Gesellschaft für ihre Arbeit, statistisch gesehen, 21 Prozent niedrigere Reallöhne bekommen. Selbst, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man die Jobs strukturell vergleicht und die Billigjobs, die es leider in unserer Gesellschaft im schlecht bezahlten Dienstleistungsbereich gibt und die oft von Frauen ausgeführt werden oder werden müssen, abzieht, ist es immer noch so: Frauen verdienen in strukturell vergleichbaren Berufen immer noch 10 Prozent weniger als die männliche Hälfte. Das kann man so nicht lassen.

Ich blicke an dieser Stelle mit gewinnendem Blick in Richtung Kolleginnen und Kollegen der Union.

(Beifall bei der SPD)

Das Lohngerechtigkeitsgesetz liegt seit Dezember 2015 im Kanzleramt. Ich kann mir in meiner Fantasie einfach nicht vorstellen, werte Kollegen von der Union, auch auf der Regierungsbank, dass eine Bundeskanzlerin so einem klugen Lohngerechtigkeitsgesetz letztendlich nicht den Zuschlag geben will.

(Beifall bei der SPD)

Das ist sowohl makroökonomisch wie auch individuell schädlich; denn Frauen haben mindestens den gleichen Wert in der Arbeitswelt und sollten deshalb unter Lohngerechtigkeitsgesichtspunkten so bezahlt werden wie Männer und umgekehrt. Das ist für mich ein großer Ruf. Ekin Deligöz hat mit ihrem guten und wichtigen Antrag mir dazu geholfen,

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt denn die SPD dann zu?)

das innerhalb der Koalition formulieren zu dürfen. Ich glaube, es kommt bei den geschätzten Freundinnen und Freunden des Koalitionspartners, nicht nur bei den Frauen der Union, auch gut an.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt ihr dem Antrag zu, Ewald?)

– Lieber Kollege Kindler, jetzt nicht schreien, dazu haben wir im Haushaltsausschuss wieder Zeit, wo Sie Ihre Thesen wieder kräftig vier-, fünfmal wiederholen; das ist auch legitim, damit ich es auch immer verstehe.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nein, da arbeiten wir ganz ruhig, sachlich und konzentriert! Da wird nicht geschrien!)

Vor diesem Hintergrund sage ich: Ich würde die Diskussion über Gender Budgeting weiterführen wollen.

(Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es sind Ansätze vorhanden, die zumindest in der SPD Widerhall finden. Wir brauchen allerdings ein gemeinsames Konzept; das müssen wir am heutigen Tag nicht übers Knie brechen. Wir brauchen also eine Diskussion über ein gemeinsames Konzept. Ich finde auch die Ansätze interessant wie auch die Philosophie, die dahinter steht, nämlich Haushaltsmittel, wie Frau Kollegin Lötzsch gesagt hat, in Bezug auf die Kategorien „weiblich“ und „männlich“ in Bereichen wie der Personalausstattung genau zu untersuchen. All das sind interessante Aspekte. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden dieses Thema weiter verfolgen.

Zum Schluss kann ich ganz klar sagen: Die Förderung von Frauenpolitik und der Genderprozess insgesamt betreffen einen Bereich, in dem der männliche Teil der Welt in der Tat noch lernen muss. Ich bin mir sicher, dass in allen Parteien Sensibilisierungsprozesse notwendig sind. Erst wenn die Gleichwertigkeit von Mann und Frau zur Selbstverständlichkeit wird, sie also im ökonomischen wie im sonstigen gesellschaftlichen Prozess nicht mehr diskutiert werden muss, sondern real vorhanden ist, sind wir politisch am Ziel. In diesem Sinne wünsche ich mir weitere Fortschritte in diesem Prozess.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Ich habe gerade gedacht: Viele Töchter wünsche ich mir – für die Kollegen.

Alois Rainer hat als letzter Redner das Wort in dieser Debatte.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6969864
Wahlperiode 18
Sitzung 183
Tagesordnungspunkt Geschlechtergerechte Haushaltspolitik
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