08.07.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 184 / Tagesordnungspunkt 34+ZP 6

Agnieszka BruggerDIE GRÜNEN - Waffenexporte in die Golfstaaten

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 7,86 Milliarden Euro: Das ist der Wert der Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, die die schwarz-rote Bundesregierung im Jahr 2015 erteilt hat. Das ist nicht nur eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr, sondern es ist der höchste Wert, seitdem unter Rot-Grün erstmalig die Berichtspflichten eingeführt worden sind. Ich finde, das ist ein beschämender Rekord der sicherheitspolitischen Verantwortungslosigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Union macht keinen Hehl daraus, wie zum Beispiel Herr Ramsauer im Deutschlandfunk, dass sie auf diesen Rekord auch noch stolz ist. Aber die SPD und allen voran Sigmar Gabriel, der schließlich nicht nur Wirtschaftsminister und damit federführend für Rüstungsexporte zuständig ist, sondern auch noch Vizekanzler der Koalition ist, ist angetreten, um diese verheerende Rüstungsexportpolitik zu beenden – völlig richtig; denn es ist höchste Zeit für eine radikale Kehrtwende, die Frieden, Sicherheit und Menschenrechte über die Gewinninteressen der deutschen Waffenkonzerne stellt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

7,86 Milliarden Euro – Sie sind krachend gescheitert und haben dabei völlig versagt. Aber Sigmar Gabriel wäre nicht Sigmar Gabriel, wenn er nicht versuchen würde, sich hier aus der Verantwortung zu stehlen.

(Zuruf von der SPD: Ihr werdet euch noch nach ihm zurücksehnen!)

In den drei Jahren, in denen er jetzt Wirtschaftsminister ist, hat er uns eine Reihe fadenscheiniger Ausflüchte und billiger Ausreden präsentiert, und diese nehme ich mir gern, auch wenn es Unmut bei der SPD gibt, im Einzelnen vor und schaue sie mir genauer an:

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Man muss Menschen nicht immer herabwürdigen!)

Die hohen Zahlen haben etwas mit Sonderfaktoren zu tun. Da wird dann alles hineingeschoben, was einem nicht in den Kram passt. Sie wollen damit den Eindruck erwecken, es sei ja nur ein Ausreißer nach oben, und es sei ja eine Ausnahme. Ja, Pech für Sigmar Gabriel, Pech auch für Sie von der SPD und für Sie von der Union ebenso, dass nun schon die Zahlen für das erste Halbjahr 2016 bekannt geworden sind. Das sind 4 Milliarden Euro in einem halben Jahr. Wenn Sie die nächsten sechs Monate so weitermachen wie die letzten, dann stellen Sie wieder einen neuen Rekord auf.

(Beifall bei der SPD)

Dann kommt die nächste Ausrede: Man müsste doch einen differenzierten Blick haben und sich die Dinge im Einzelnen anschauen.

(Matthias Ilgen [SPD]: Aber hallo!)

Dann schaue ich mir einen Deal im Einzelnen an: Der Bundessicherheitsrat hat die Lieferung von Panzern und Haubitzen im Wert von 1,6 Milliarden Euro an Katar erlaubt, an einen Staat, der für die Gewalt im Jemen mitverantwortlich ist, in dem Menschenrechte verletzt werden und aus dessen Mitte heraus der islamistische Terror finanziert und unterstützt wird. Diese Entscheidung steht im Widerspruch zu den Regeln, die es in Deutschland gibt, auf die Sie sich ja auch immer gern berufen, und sie ist ohne jeden sicherheitspolitischen Sachverstand getroffen worden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Matthias Ilgen [SPD]: Nein!)

Und wieder versuchen Sie, abzutauchen, und Sigmar Gabriel versucht, sich auch hier aus der Verantwortung zu stehlen, womit wir bei der dritten Ausrede ankommen. Ja, es grenzt schon fast an Lüge, was da immer wieder behauptet wird: Die Genehmigungen kommen ja von der bösen schwarz-gelben Vorgängerregierung; Sie wollten ja so gern, aber Sie könnten halt nicht.

Spätestens der Fall Russland hat doch gezeigt: Es ist möglich, Genehmigungen, die erteilt worden sind, wieder zurückzunehmen, wenn der politische Wille da ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin da beim Kollegen van Aken: Ja, die Gesetze kann man verschärfen, und das System kann man noch mehr stärken. Aber das Beispiel zeigt doch, dass nicht das System an sich kaputt ist, sondern dass es hier um den politischen Willen der Regierung geht, und der ist es, der sich ändern muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da wir uns schon mit den Gesetzen beschäftigen, will ich Ihnen sagen, was dazu klipp und klar in § 7 Absatz 1 des Kriegswaffenkontrollgesetzes steht. Ich zitiere aus dem Gesetz: „Die Genehmigung kann jederzeit widerrufen werden.“ Aber wissen Sie was? § 7 Absatz 2 des gleichen Gesetzes verpflichtet die Bundesregierung sogar, eine Genehmigung zu widerrufen, wenn die Gefahr besteht, dass Kriegswaffen zu einer friedensstörenden Handlung eingesetzt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei allen Staaten, die Teil der Kriegsallianz im Jemen sind, ist das nicht nur eine theoretische Gefahr, so wie es im Gesetz beschrieben ist; denn diese Sache hat sich doch schon längst realisiert. Auch das zeigt: Das Problem sind eigentlich nicht die Gesetze, sondern das Problem sind Union und SPD.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und ja, es gibt ein Manko, das ist, glaube ich, auch der wahre Grund für Ihr Herumgeeiere: Bei einem Stopp entstehen Schadenersatzansprüche für Rüstungsunternehmen, und ja, ich finde es schlimm genug, dass dann mit Steuergeld Profiteure einer sicherheitspolitisch wahnwitzigen Entscheidung von Schwarz-Gelb entschädigt werden müssen. Aber das ist doch weniger schlimm, als einen Staat mit deutschen Waffen zu beliefern, der für blutige Gewalt verantwortlich ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Deshalb fordern wir Grünen auch schon seit Jahren, alle Waffendeals mit Staaten wie Saudi-Arabien und Katar zu stoppen, sie zu beenden, und deshalb finde ich auch den Antrag der Linken, über den wir heute debattieren, richtig. Aber ich erwarte schon auch, dass die Regierung so viel Mumm hat, sich hierhinzustellen und zu sagen: Wir wollen den Schadenersatz nicht zahlen, er ist uns zu hoch, und wir lassen aktiv und bewusst diese verantwortungslosen Deals – Panzer nach Katar, Patrouillenboote nach Saudi-Arabien – weiterlaufen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man muss auch die Frage stellen: Was machen eigentlich die anderen Mitglieder des Bundessicherheitsrates? Schließlich muss nicht nur Herr Gabriel darüber abstimmen. Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen tauchen einfach ab, obwohl sie diesen Waffengeschäften zugestimmt haben. Auch diese sollen sich einmal vor der Öffentlichkeit rechtfertigen, warum sie das getan haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Außenminister Steinmeier, in dessen Haus die Federführung für Menschenrechte liegt, ist sich noch nicht einmal zu schade, diese Deals zu verteidigen. Dabei schweigt er zum brutalen Krieg im Jemen. Aber den Vogel abgeschossen hat in den letzten Tagen Finanzminister Schäuble, der angesichts der Krisen in der Welt und insbesondere der Krise, die wir gerade in Europa erleben, zu der Schlussfolgerung kommt, das Wichtigste sei nun, die deutschen Exportrichtlinien zu lockern, damit man besser auf europäischer Ebene zusammenarbeiten könne. Das soll eine Antwort auf die Verunsicherung der Menschen in Europa sein? Das soll eine Antwort für die Menschen in den Krisenstaaten dieser Welt sein? Das ist doch nur gut für die Rüstungsindustrie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Alle Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Außenminister und die Verteidigungsministerin, können zusammen noch so viele schöne Reden über Deutschlands neue Verantwortung in der Welt halten. Wenn sie gleichzeitig in den Hinterzimmern des Bundessicherheitsrates so verantwortungslos abstimmen, dann sollten sie mit diesen Reden aufhören; denn ihre Rekordzahlen sind nichts anderes als eine desaströse Bilanz der Verantwortungslosigkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das Wort hat der Kollege Ulrich Hampel für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6971056
Wahlperiode 18
Sitzung 184
Tagesordnungspunkt Waffenexporte in die Golfstaaten
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